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Genaue Vorhersagen meist nicht möglich

In den meisten Regionen der Erde schmelzen Gletscher, vor allem die in tieferen Lagen. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat dazu auf der Klimakonferenz in Cancún eine Studie vorgelegt.

Von Georg Ehring | 08.12.2010
    In den meisten Teilen der Welt schmelzen die Gletscher – die wichtigste Ursache ist der Klimawandel. Das UN-Umweltprogramm hat auf der Klimakonferenz in Cancún eine Studie hierzu vorgestellt und vor den Folgen gewarnt. John Crump, UN-Koordinator für Angelegenheiten der Polargebiete:

    "In den vergangenen 150 Jahren war ein Rückzug von Gletschern zu beobachten. Seit 1980 hat sich dieser Rückzug stark beschleunigt. Die Gletscher ziehen sich in der Arktis, in Europa, in den Hochgebirgen Asiens, im Nordwesten der USA und Kanadas, in den Anden und in Patagonien zurück. Auch im Hindukusch und Himalaja ziehen sich die meisten der gewaltigen Gletscher allmählich zurück."

    Doch die Gletscherschmelze verläuft nicht etwa gleichmäßig. Besonders schnell schmelzen die Gletscher im Nordwesten der USA, in Südwest-Kanada und in den meisten Hochgebirgen Asiens. In Europa haben sie dagegen seit den 1970er-Jahren insgesamt noch an Masse gewonnen, erst etwa seit dem Jahr 2000 hat sich dieser Trend umgekehrt, sagt John Crump.

    "Die Klimaerwärmung sorgt außerdem für höhere Niederschläge in einigen Regionen und das führt dazu, dass einige Gletscher auch wachsen, so im Westen von Norwegen, auf der Südinsel Neuseelands und in Teilen Feuerlands."

    Die Forscher weisen allerdings auf große Wissenslücken hin. Genaue Vorhersagen seien meist nicht möglich. Das betreffe auch die Gletscher im Himalaya. Allerdings sei sicher, dass sie noch Jahrhunderte erhalten blieben, sagt Madhav Karki, Gletscherforscher aus Nepal:

    "Wir können nicht sagen, wann die Gletscher verschwunden sein werden. Sie werden noch lange Zeit bestehen bleiben. Doch sie ziehen sich definitiv zurück, und dies hat auch Auswirkungen auf die Flüsse, die zu einem großen Anteil aus Schmelzwasser bestehen, wie zum Beispiel auf den Indus."

    Die Gletscherschmelze habe zum Teil schwerwiegende Folgen für die Umwelt und die Menschen in der Region: Unter anderem im Himalaja bilden sich neue Gletscherseen in großer Höhe, wenn es Schwachstellen am Ufer gibt, können sie plötzlich auslaufen und tiefer liegende Gebiete überschwemmen. Solche Katastrophen seien in den vergangenen Jahrzehnten häufiger geworden, nicht nur im Himalaja, sondern auch in den südamerikanischen Anden. In Asien kosteten solche Überschwemmungen jährlich etwa 5000 Menschen das Leben. Hier müsse Vorsorge getroffen werden, etwa indem bedrohte Seen künstlich leer gepumpt werden. Die Schmelze verursacht zunächst Überschwemmungen. Wenn Schnee und Eis komplett verschwunden sind, kann Trockenheit die Folge sein. Manche kleinere Gletscher könnten schon in den nächsten Jahrzehnten verschwinden, auch wenn die großen Massive langsamer schmelzen. Für besonders verwundbar hält Madhav Karki das Industal:

    "Definitiv das Gebiet im westlichen Hindukusch und Himalaja, speziell der Fluss Indus, der zu 50 Prozent Schmelzwasser führt. Das Industal ist besonders verwundbar, weil es die Lebensader Pakistans ist."