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Gene für den Pol
Wie sich Pinguine der Antarktis angepasst haben

Die Gene von Tieren zu sequenzieren, die in extremen Bedingungen leben, verspricht interessante Einsichten. Denn wenn man sie mit den Erbanlagen verwandter Arten vergleicht, kann man die Gene identifizieren, die den Tieren geholfen haben, sich anzupassen. Pinguine aus der Antarktis sind dafür gute Beispiele. Jetzt haben Forscher eines internationalen Teams erstmals die Genome des Adelie- und des Kaiserpinguins sequenziert.

Von Joachim Budde | 30.01.2015
    Die Adeliepinguine von Coulman Island leben in harschen Bedingungen. Nicht genug, dass auf der Insel im Rossmeer vor der Küste der Antarktis tiefste Temperaturen und monatelang Dunkelheit herrschen – die Gletscher der Insel reichen bis ans Wasser. Das macht es den Vögeln schwer, Nistmaterial zu finden. Denn sie benötigen eisfreie Flächen um zu brüten, sagt Professor David Lambert von der Griffith University in Brisbane, Australien.
    "Die Pinguine sammeln Steine, wo Felsen durch den Eispanzer zutage treten. Die tragen sie zur Küste und bauen daraus auf dem Eis Steinnester, wie sie es auch in eisfreien Gebieten der Antarktis tun."
    Pinguine fliegen unter Wasser
    Die doppelt so großen Kaiserpinguine haben mit solchen Bedingungen keine Probleme. Sie legen ihre Eier weit entfernt vom Wasser auf dem Eis ab und brüten sie auf ihren Füßen aus, um sie vor Frost zu schützen. David Lambert und Kollegen eines internationalen Forscherteams haben die Genome der beiden Pinguinarten miteinander und mit denen von 46 anderen Vogelarten verglichen.
    "Wir haben uns eine Reihe von Genen angesehen, die für ihre Gestalt verantwortlich sind. Viele Gene in Adelie und Kaiserpinguinen sind für die Fettspeicherung verantwortlich, andere für die außergewöhnlichen vorderen Extremitäten. Die Leute sagen, Pinguine können nicht fliegen, dabei fliegen sie, nur eben unter Wasser."
    Die Forscher haben 17 Gene gefunden, die für die Gestalt der Vorderflossen verantwortlich sind.
    Eine anderes Beispiel: Die Federn der Tiere sind kurz, fest und dichtgepackt und eher wie Schuppen angeordnet als wie das Gefieder anderer Vögel. Adeliepinguine haben 13, Kaiserpinguine sogar 15 Gene, die für Beta-Keratin codieren – mehr als jeder andere Vogel. Aus diesen langkettigen Faserproteinen bestehen die Federn.
    Die Genom-Analysen erlaubten den Wissenschaftlern außerdem Aussagen über die Geschichte der Arten, sagt Professor Carsten Rahbek vom Naturkundemuseum in Kopenhagen. Auch er hat an dem Projekt mitgearbeitet:
    "Klassischen Ornithologiebüchern zufolge entstanden Pinguine ziemlich bald nach den Straußenvögeln. Strauße reichen mit am weitesten zurück auf dem Stammbaum der Vögel. Jetzt wissen wir aber, dass Pinguine und Strauße viel weiter auseinanderliegen. Die Ursprünge der Pinguine liegen erst vor etwa 65 Millionen Jahren. Das hat viele Leute überrascht."
    Zukunft sieht düster aus
    Die Pinguine, die wir heute kennen, entstanden sogar erst vor elf bis 16 Millionen Jahren. Seitdem haben Klimaveränderungen immer wieder auch die Zahl der Tiere beeinflusst. Während der letzten großen Eiszeit vor rund 20.000 Jahren etwa wuchs die Population der Kaiserpinguine. Die der Adeliepinguine sei hingegen stark geschrumpft, sagt David Lambert.
    "Die Antarktis war fast vollständig mit Gletschern bedeckt. Danach stiegen die Temperaturen in relativ kurzer Zeit um etwa zehn Grad. In den Genen finden wir Nachweise, dass dann auch die Population der Adeliepinguine wieder gewachsen ist."
    Der Evolutionsbiologe vermutet, dass die Adeliepinguine die Kälteperiode lediglich überlebten, weil sie Steine für ihre Nester sammelten, wie sie es noch heute auf der Gletscherinsel Coulman Island tun.
    Für die Kaiserpinguine sieht die Zukunft weitaus düsterer aus als die Vergangenheit.
    "Sie können in keine kältere Gegend ausweichen. Ihr Fortpflanzungsverhalten ist komplett mit dem Gletschereis verknüpft. Das Eis schwindet, darum ist das Schicksal der Tiere düster – es sei denn, sie können ihr Brutverhalten durch einen überraschenden Prozess schnell anpassen."
    Doch das hält Lambert für unwahrscheinlich. Die Erde erwärmt sich schlicht zu schnell, es sei denn, der Mensch steuert sofort gegen.