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"General Motors ist sicherlich kein Musterunternehmen"

Es ist erst ein paar Monate her, da galt der amerikanische Autohersteller GM noch als Pleitekandidat. Das Unternehmen war derart in Zahlungsschwierigkeiten, dass es nur mithilfe der US-Regierung überhaupt überleben konnte. Das scheint jetzt vorbei zu sein.

Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 13.08.2010
    GM präsentiert glänzende Zahlen und das Unternehmen hat gestern bekannt gegeben, es will auch zurück an die Börse. Dazu kam dann noch ein bisschen widersprüchlich die Nachricht, dass der bisherige Konzernchef abtreten will.

    Tobias Armbrüster: Am Telefon ist jetzt Ferdinand Dudenhöffer, Experte für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Schönen guten Morgen, Herr Dudenhöffer.

    Ferdinand Dudenhöffer: Schönen guten Morgen!

    Armbrüster: Ist die Krise bei GM jetzt wirklich vorbei?

    Dudenhöffer: Bei General Motors steht man überraschend gut da, hat es sehr gut gemeistert, dadurch, dass man eben Fabriken geschlossen hat, dadurch, dass man Schulden abbauen konnte, extrem abbauen konnte durch die Insolvenz. Man war ja in der Pleite und hat jetzt allerdings alles, was an Ballast bei dem Unternehmen war, in Amerika abwerfen können, sodass man jetzt, muss man sagen, wirklich überraschend gut dasteht. Das gilt für General Motors, das gilt natürlich noch nicht für alle Teile wie zum Beispiel Opel.

    Armbrüster: Was heißt das denn genau für Opel?

    Dudenhöffer: Bei Opel sieht es so aus, dass Opel weiter in den roten Zahlen ist. Man hat weiter Verluste produziert, auch im zweiten Quartal. Im ersten Quartal waren sie noch höher. Das wird im dritten Quartal vermutlich und im vierten Quartal ähnlich sein. Die Märkte in Westeuropa sind schlecht. Von daher hat Opel noch eine ganz schöne Holperstrecke vor sich, bei der man am Schluss dann weiß, nach vier, fünf Jahren, man hat es geschafft, mit Opel sauber, ordentlich in eine vernünftige Ausrichtung zu gehen. Aber diese vier, fünf Jahre, die sind noch nicht durch. Opel muss noch durch diese Zeit durchgehen und zum Schluss wird man sehen, ob es geklappt hat. Heute kann man das noch nicht sagen.

    Armbrüster: Wie wird sich Opel in dieser Zeit verändern?

    Dudenhöffer: Opel baut natürlich Beschäftigung ab, das ist ja angekündigt, und Opel muss versuchen, jetzt wieder Anschluss zu finden. Man hat ja über ein Jahr verloren durch die unsichere Situation. General Motors wollte verkaufen, dann wieder nicht verkaufen, dann hat man nach den staatlichen Krediten gefragt. In der Zeit hat ja Opel wenig Neues machen können. Das Unternehmen war ja wie gelähmt, denn neue Produktentwicklungen, die genehmigt werden müssen, die finanziert werden müssen, die mussten zurückgeschoben werden. Jetzt muss man also im Produktbereich aufholen, das ist sehr wichtig, braucht da seine finanzielle Unterstützung weiterhin von General Motors und muss dann mit neuen Produkten in dem engen Automarkt in Europa punkten.

    Armbrüster: Ist es denn eigentlich ein gutes Zeichen, wenn der GM-Chef Ed Whitacre gerade zu so einem Zeitpunkt geht?

    Dudenhöffer: Ich glaube, das war eine Entscheidung, die alle überrascht hat, aber eine Entscheidung, die - glaube ich - vernünftig ist. Whitacre wird Anfang November 69 Jahre. General Motors steht jetzt so da, dass es das Gröbste in Amerika hinter sich hat, dass man durch die Sanierung durch ist, und General Motors ist ein großer Konzern, der wirklich sehr viel Tatkraft und Engagement, aber auch Vitalität von seinem Spitzenmanager braucht, um General Motors zu führen, und ich glaube, deshalb war es richtig, in der Situation möglichst frühzeitig zu sagen, jetzt steht das Ding wieder einigermaßen da, jetzt trete ich ab. Mit 69 oder fast 69 sollte man so einen Weltkonzern nicht leiten.

    Armbrüster: Gibt es denn etwas, was die Automobilindustrie von GM lernen kann?

    Dudenhöffer: Ja. Ich denke, die Automobilindustrie sieht jetzt eher so aus, dass General Motors von der Industrie lernt, von anderen lernt. Was man gemacht hat bei General Motors, ist eine klassische Insolvenz. Das ist ja nicht das Glück von jedem Unternehmen, so was zu machen. Man hat eine Blitzinsolvenz gemacht und hat in der Zeit jetzt eben Dinge, die überflüssig waren und die gelähmt haben, abgeworfen. Man hat Gläubiger im Prinzip damit natürlich geschädigt, der Staat ist groß eingestiegen. Also was man gemacht hat, ist: Man hat das Unternehmen jetzt zusammengeschrumpft auf ein Unternehmen, das jetzt, wenn es ordentlich geführt ist, im Weltmarkt wieder seinen Weg gehen kann. Das ist das eine, das ist wichtig in Amerika.
    Das Zweite ist: Man hat sehr lange gebraucht, um diese Europaausrichtung festzulegen. Die ist seit Langem noch nicht dort, wo man sie haben muss. Das dauert noch ein ganzes Stück. Ob dieses Experiment gut geht, weiß heute niemand.
    Und zum Dritten: Man hat eben Glück gehabt durch China. In China ist man sehr stark vorangegangen, hat man VW überholt, was lange Marktführer dort war. Allerdings in China – das sieht man an den letzten Ergebnissen vom letzten Quartal – sind natürlich auch die Renditen deutlich zurückgegangen. Also General Motors ist sicherlich kein Musterunternehmen für die Automobilindustrie, sondern eher das umgekehrte.

    Armbrüster: Sagt Ferdinand Dudenhöffer, Experte für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Schönen Dank für diese Einschätzungen, Herr Dudenhöffer.

    Dudenhöffer: Ich bedanke mich.