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Generalkonferenz der Unesco
Hoffen auf Reformen und mehr Sachorientierung

Im Oktober sind die USA und Israel aus der Unesco ausgetreten. Auch andere Länder beklagen, die UN-Kulturorganisation sei zu stark politisiert. Die Generalkonferenz findet also in stürmischen Zeiten statt: Viele hoffen da auf Reformen und einen Neuanfang mit einer neuen Generaldirektorin.

Von Kerstin Gallmeyer | 30.10.2017
    Audrey Azoulay vor dem Hauptgebäude der UNESCO in Paris
    Für das Amt der Generaldirektorin nominiert: Audrey Azoulay vor dem Unesco-Gebäude in Paris (dpa / picture alliance / Irina Kalashnikova)
    Der 12. Oktober 2017 war kein guter Tag für die in Paris ansässige Unesco. Nach jahrelangem Grollen, kündigten die USA an, die für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation zuständige UN-Organisationen Ende 2018 zu verlassen. Ein Eklat. Kurz danach erklärte auch Israel seinen Austritt. Einer der Vorwürfe: Die Unesco sei zu politisiert. Kritik, die man auch aus anderen Ländern wie Deutschland vernimmt. Auch von Staatsministerin Maria Böhmer, der Unesco-Sonderbeauftragten des Auswärtigen Amts:
    "Das ist kein neuer Vorwurf und die Erfahrung hat uns leider gelehrt, dass wir die Unesco erleben mussten als eine Schaubühne für politische Auseinandersetzung. Auch zwischen den arabischen Staaten und Israel, aber auch andere politische Auseinandersetzungen".
    Nahostkonflikt wirkt ein
    Es ist vor allem der Nahost-Konflikt, dessen Auswirkungen in der Unesco für Krisenstimmung sorgen. Die USA und Israel werfen dem UN-Ableger vor, israelfeindliche Positionen zu vertreten. Beispielweise im vergangenen Jahr: In einer umstrittenen Resolution wurde der Tempelberg in Ost-Jerusalem nur unter seinem muslimischen Namen aufgeführt. In diesem Sommer setzte die Unesco die Altstadt von Hebron im Westjordanland auf Antrag der Palästinenser auf die Weltkulturerbeliste – offenbar nur als palästinensische Welterbestätte, nicht aber als jüdische. Das kritisiert auch die deutsche Staatsministerin Böhmer:
    "Die letzte Entscheidung bei der Welterbekonferenz dafür Hebron aufzunehmen führte auch zu dem Punkt, dass es einherging mit einer Negierung von jüdischen Wurzeln und das darf einfach nicht sein."
    Die Gründe für die Haltung der USA reichen allerdings weiter zurück: 2011 hatte die Unesco die palästinensischen Autonomiegebiete als Vollmitglied aufgenommen, und damit Palästina als erste UN-Organisation als eigenständigen Staat anerkannt. Danach hatten die USA, eigentlich der wichtigste Beitragszahler, aus Protest ihre jährlichen Überweisungen eingestellt. Schon jetzt schulden sie der Unesco rund 500 Millionen Euro.
    Staatsvertreter statt Persönlichkeiten
    Doch die Probleme der Unesco gehen noch tiefer. Die starke Politisierung liege auch an den Strukturen, sagt Unesco-Experte Klaus Hüfner:
    "Das Unheil begann sozusagen Anfang der neunziger Jahre: Auf Betreiben Japans wurde der Exekutivrat in seiner Zusammensetzung deutlich verändert. Während es vorher Persönlichkeiten waren, die in den Exekutivrat gewählt wurden, wurden seit Anfang der neunziger Jahre nur noch Staatenvertreter gewählt."
    Damit seien die politischen Interessen innerhalb der Unesco deutlich stärker geworden, sagt Hüfner. Er sieht dringenden Reformbedarf. Es sollte wieder viel mehr um die Sache gehen, lautet sein Appell an die Handelnden, also die Mitgliedsländer. Der angekündigte Austritt der USA und Israels könnte möglicherweise Weckruf sein.
    Hoffnung auf einen Neuanfang
    "Ich hege die Hoffnung, dass das jetzt die Möglichkeit zu einer einschneidenden Neuorientierung wird. Ich sehe nicht die Gefahr, dass andere Staaten dem Beispiel folgen."
    Hoffnung also, dass der Paukenschlag vom 12. Oktober nicht das Ende der Unesco verkündet, sondern einen Neuanfang eingeleitet hat. Den, darauf vertraut auch Deutschland, könnte die nominierte neue Generaldirektorin Audrey Azoulay verkörpern. Die Französin hatte sich am Freitag, den 13. Oktober, in der Stichwahl knapp gegen den Kandidaten aus Katar Al-Kawari durchgesetzt. Am 10. November soll Azoulays Wahl von der Generalkonferenz bestätigt werden.