Freitag, 19. April 2024

Archiv

Genetisches Muster der Monogamie
Partnertreue in der Evolution

One-Night-Stand oder lange Partnerschaft - immer wieder finden sich bei verwandten Arten unterschiedliche Beziehungsmuster. Evolutionsbiologen haben nun herausgefunden, dass es bei monogamen Arten ein gemeinsames Muster der Genaktivität gibt. Ebenfalls ein wichtiger Faktor: die konkreten Lebensumstände.

Von Volker Wildermuth | 08.01.2019
    Asiatische oder auch Harlekin-Marienkaefer bei der Paarung
    Die Treue zu einem Partner ist in der Evolution immer wieder neu entdeckt worden, so die Erkenntnis von Evolutionsbiologen der Universität von Texas. (imago )
    Egal ob Fische, Frösche, Vögel oder Nagetiere: Jedes Lebewesen will Nachwuchs in die Welt setzen. Dazu gibt es viele Strategien. Bei einigen Arten treffen sich die Partner nur kurz zur Paarung und gehen dann wieder getrennte Wege, andere Arten bilden dagegen langfristig stabile Partnerschaften. Ob sich eine Tierart auf die Monogamie einlässt, hängt von ihren Lebensumständen ab. Wenn Partner rar sind, oder sich der Nachwuchs nur gemeinsam groß ziehen lässt, dann lohnt sich eine langfristige Bindung.
    "Die Monogamie ist interessant, weil es eben ein sehr komplexes Verhalten ist, das mehrmals, sogar sehr viele Male in der Evolution unabhängig voneinander aufgetreten ist."
    Monogame Arten gibt es unter Fischen, Fröschen, Vögeln und Säugetieren. Sie sitzen also nicht auf einem gemeinsamen Ast des Stammbaums, sie finden sich bunt gemischt mit anderen Beziehungsformen überall unter den Wirbeltieren. Der Evolutionsbiologe Hans Hofmann will verstehen, ob diese Arten ihren je eigenen Weg zur Monogamie gefunden haben, oder ob es verborgene Gemeinsamkeiten gibt.
    Dazu hat sein Team an der Universität von Texas in Austin Paare von Arten gesucht, die nah verwandt sind und dennoch ganz unterschiedliche Beziehungsstrategien verfolgen. Etwa den monogamen Bergpiper und die promiskuitive Heckenbraunelle oder die treue kalifornische Maus und die Hirschmaus oder den Zwei-Punkt-Baumsteigerfrosch und das Erdbeerfröschchen. Die Biologin Rebecca Young verglich jeweils die Aktivität der Gene im Gehirn der Männchen der monogamen Art einer Tiergruppe mit der des promiskuitiven Vertreters. Dabei entdeckte sie, dass bei den monogamen Vögeln, Fischen, Fröschen, Mäusen und Wühlmäusen jeweils ähnliche Gene hoch oder herunter reguliert werden.
    "Es gibt bei den monogamen Arten ein gemeinsames Muster der Genaktivität. Und das, obwohl der gemeinsame Vorfahre dieser Arten vor über 450 Millionen Jahren gelebt hat und sie die Monogamie jeweils unabhängig entwickelt haben. Das ist schon sehr interessant."
    Lebensumstände auch entscheidend für monogame Paarungsstrategie
    Der Bergpiper, der Zwei-Punkt-Baumsteigerfrosch und die kalifornische Maus haben jeweils aufgrund ihrer konkreten Lebensumstände unabhängig eine monogame Paarungsstrategie entwickelt und doch konnten sie dafür auf vergleichbare Gene zurückgreifen. Gene, die zum Beispiel etwas mit der Entwicklung des Gehirns oder dem Lernen zu tun haben. Hans Hofmann vermutet, dass diese Gennetzwerke schon beim gemeinsamen Vorfahren aller Wirbeltiere angelegt waren und ganz grundlegende Aspekte des Verhaltens beeinflussen, etwa die Toleranz gegenüber Artgenossen. Die ist für die Monogamie entscheidend.

    "Im Gehirn müssen Prozesse ablaufen, die es einem Tier ermöglichen, ein anderes Tier einen Artgenossen in der Nähe zu tolerieren und das sogar als belohnend oder angenehm zu empfinden. Und man kann sich das so vorstellen, dass ein gewisses Thema damals praktisch in der Evolution entstanden ist und dass es Variationen zu diesem Thema gibt, die eben in manchen Fällen ermöglicht haben, monogames Verhalten zu entwickeln."
    Stellschrauben monogamen Verhaltens
    Die Monogamie wird also nicht von jeder Art völlig neu erfunden. Die Evolution kann auf Stellschrauben zurückgreifen, die sich im Erbgut aller Wirbeltiere finden. Über die sich etwa die Toleranz gegenüber Artgenossen hoch oder niedrig einstellen lässt, oder die Lernprozesse, die eine dauerhafte Prägung auf einen bestimmten Partner erleichtern oder erschweren.
    Diese Stellschrauben bilden die Basis des monogamen Verhaltens, das dann in jeder Art noch weiter ausgebaut wird. Bei den Wühlmäusen ist zum Beispiel das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin entscheidend, dass bei den Fischen oder Fröschen keine so große Rolle zu spielen scheint. Die Forscher aus Austin sind sich sicher: Würden sie die Genaktivität von den doch verhältnismäßig monogamen Menschen mit denen der Schimpansen vergleichen, sie würden ähnliche Einstellungen bei den uralten genetischen Stellschrauben finden.