Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Genmais-Debatte: "Der Verbraucher will es nicht"

Gerd Sonnleitner, der auch dem Bayerischen Bauernverband vorsitzt, hält das Genmais-Verbot der Bundesregierung für richtig. Die Zukunft der Landwirtschaft hänge von der traditionellen Züchtung ab. Gleichwohl zeigt sich Sonnleitner offen für weitere Forschungen im Gentechnik-Bereich.

Gerd Sonnleitner im Gespräch mit Silvia Engels | 15.04.2009
    Silvia Engels: ... Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Guten Morgen, Herr Sonnleitner!

    Gerd Sonnleitner: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: In Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Bayerischen Bauernverbandes – das sind Sie nämlich auch – haben Sie schon vor Wochen verlangt, die Maissorte MON 810 nicht mehr anzubauen. Begrüßen Sie nun auch als Bundesvorsitzender die Entscheidung von Frau Aigner?

    Sonnleitner: Meine Begründung lag immer wieder darin, dass noch Restrisiken bestehen, dass die noch nicht aufgeklärt sind. Und dies hat jetzt unsere Bundesministerin Frau Aigner bestätigt, dass noch Umweltschäden bestehen, dass die noch nicht ausgeräumt sind. Und damit war ihre Entscheidung richtig.

    Engels: Nun sind Sie als Bundesvorsitzender – deswegen habe ich nachgefragt – auch für die ostdeutschen Bauern ein Ansprechpartner, und dort ist ja nun der Schaden für die Bauern am größten, denn dort wurde bislang am meisten genveränderter Mais angebaut. Müssen Sie das Risiko selbst tragen?

    Sonnleitner: Nein, wir haben als Deutscher Bauernverband über alle Landesbauernverbände hinweg immer von gentechnisch veränderten Produkten den Anbau abgeraten. Zum einen, weil die Haftungsfrage negativ für die Landwirte ist, es gibt aber auch sehr wenige oder fast keinen ackerbaulichen Vorteil für die Bauern. Und was für uns viel, viel entscheidender ist, die enorme Zurückhaltung des Verbrauchers. Der Verbraucher will es nicht, der Verbraucher ist unser Kunde, ist damit unser König, und daran haben wir uns zu orientieren und daran haben wir uns zu richten.

    Engels: Gestern hat aber dann der Bauernverband verlangt, für die Kosten müsste jemand aufkommen, die Kosten für die Bauern, die nun auf der Aussaat sitzen bleiben, die sie nicht ausbringen dürfen. Wie passt denn das zusammen? Eigentlich könnte man ja sagen, wer Risiko geht, muss es auch selbst bezahlen.

    Sonnleitner: Ich kenne diese großen Maissaatzuchtfirmen, die verkaufen ja größtenteils oder ihr Hauptgeschäft ist ja der Verkauf von traditionellen Sorten. Das heißt, ich setze auf die Kulanz dieser Firmen, dass sie den Mais austauschen.

    Engels: Nun haben Sie eben, Herr Sonnleitner, mit unklaren Haftungsfragen argumentiert und mit dem Verbraucher, der bislang genveränderte Produkte ablehnt. Aber wie steht es prinzipiell? Halten Sie genveränderten Mais, genveränderte Pflanzen generell für eine gute Sache, weil er weniger Krankheiten und höhere Erträge bringt, oder für eine schlechte, weil die Folgen nicht absehbar sind?

    Sonnleitner: Da bin ich neutral. Ich möchte, dass die Wissenschaft und Forschung bei uns am Wissenschaftsstandort Deutschland weitergeführt wird, dass wir alle Argumente sammeln und alle Argumente auch abwägen. Aber man vergisst bei der heißen Diskussion, die momentan über gentechnisch veränderten Mais geführt wird, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und in Europa von der traditionellen Züchtung abhängt. Das heißt, die ist in den letzten Jahren vernachlässigt worden. Die meisten Gene sind ja traditionell gezüchtet oder weiterentwickelt worden, und Gentechnik betrifft ja nur ganz kleine Segmente, die anders sind wie in der traditionellen Pflanzung. Deswegen nochmals: Die Entscheidung für die deutsche und europäische Landwirtschaft ist die traditionelle Züchtung.

    Engels: Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter kritisiert aber das Verbot, Deutschland riskiere so die Spitzenposition des Forschungsstandorts Deutschland. Teilen Sie die Einschätzung?

    Sonnleitner: Nein, das wäre nur der Fall, wenn wir der Wissenschaft und der Forschung Fesseln anlegen dürften. Und deswegen hat der Deutsche Bauernverband und habe ich immer wieder betont, Wissenschaft und Forschung muss frei sein. Wir müssen erkennen, was in der Welt passiert, und zeitversetzt kommen vielleicht auch Produkte, die bei uns der Verbraucher akzeptiert.

    Engels: Dann werden Sie wahrscheinlich dem Vorschlag von Forschungsministerin Schavan etwas abgewinnen können, denn sie verlangt nun – sie befürwortet ja Gentechnik –, sie verlangt nun einen Runden Tisch zu diesem Thema, besetzt von Politikern und Wissenschaftlern.

    Sonnleitner: Ich finde das sehr gut. Wir sollten uns an den Runden Tisch setzen. Und nochmals: Mir ist auch sehr wichtig, wenn wir neue Technologien einführen, dass wir unseren Mitbürger, den Verbraucher auch mitnehmen. Wir können nichts gegen die Bevölkerung und gegen den Verbraucher machen.

    Engels: Schauen wir noch auf den politischen Hintergrund dieser Entscheidung. Landwirtschaftsministerin Aigner gehört der CSU an, Kritiker sagen nun, Frau Aigner habe sich dem Wunsch von Parteichef Seehofer gebeugt, der hatte ja vor einiger Zeit den Schwenk aufseiten der Genmais-Gegner gemacht. Ist das eine politisch motivierte Entscheidung im Zeichen des Europawahlkampfes?

    Sonnleitner: Ich will mich nicht in Parteipolitik und Wahlkämpfe einmischen. Ich kann immer nur darauf hinweisen, dass wir vom Deutschen Bauernverband und Bayerischen Bauernverband immer schon sehr reserviert waren gegen gentechnisch veränderte Produkte, eben aus Verbrauchergründen, aus gesellschaftlichen Gründen. Wir brauchen unsere Meinung nicht ändern. Wenn Parteien dies glauben tun zu müssen, ist das ihre Sache.

    Engels: Herr Sonnleitner, schauen wir noch auf ein anderes Thema, das eng mit der Frage Gentechnik verwandt ist, aber einen anderen Bereich betrifft, es geht um Gen-Patente. Heute soll beim Europäischen Patentamt Einspruch eingelegt werden, auch vonseiten des Bauernverbandes. Dabei geht es darum, dass ein Patent angemeldet wurde, was bestimmte genetische Eigenschaften von Schweinen betrifft, und Sie fürchten nun, dass dadurch die freie Züchtung von Schweinen beeinträchtigt wird. Inwiefern?

    Sonnleitner: Wenn dieses sogenannte Schweine-Patent genehmigt würde, wäre das ein riesiger Sündenfall, weil nämlich dann wären Gene und Genabschnitte plötzlich Eigentum eines Konzerns, aber nicht mehr Eigentum der ganzen Menschheit, sprich der Allgemeinheit. Und das würde in der Praxis dann bedeuten, bis jetzt kann jeder frei züchten mit den Genressourcen, die auf der Welt vorhanden sind. Dann müsste man aber zuerst diese Firma, den Patentinhaber fragen, darf ich mit diesem Gen weiter züchten. Und der kann es einem erlauben oder nicht. Oder man muss dafür hohe Gebühren oder Lizenzen bezahlen. Dies wäre ein Paradigmenwechsel und für mich eben ein Sündenfall.

    Engels: Das Europäische Patentamt argumentiert dagegen. Es sagt, dass ein Bauer nur Gebühren zahlen müsse, wenn er bei der Zucht eines betroffenen Schweines auf das patentierte Gentestverfahren der Firma zurückgreifen wolle, nicht bei der normalen Zucht. Stimmt das nicht?

    Sonnleitner: Wie möchte man das beweisen? Das würde ewige und endlose und sündhaft teure Rechtsstreite nach sich ziehen. Das ist unverantwortlich, traditionelle, normale Züchter in so ein Verfahren hineinzuhetzen. Wir greifen aber nicht nur das Schweine-Patent jetzt an, sondern generell die EU-Biopatentrichtlinie, die falsch und schwammig ausgelegt ist, die immer wieder dazu verführt, dass Patente genehmigt werden und die dann mit ganz langwierigen und teuren Einspruchsverfahren wieder dann für nichtig erklärt werden und korrigiert werden.

    Engels: Herr Sonnleitner, Sie haben eben gesagt, Sie stünden dem Thema Gentechnik neutral gegenüber. Wenn ich Sie so reden höre, scheinen Sie doch langsam auf die Seite der Skeptiker zu wandern, oder?

    Sonnleitner: Nein, ich bin kein Skeptiker, ich bin für alles offen. Aber hier geht es, bei dem Schweine-Patent, da geht es nicht um gentechnische Veränderungen, sondern da geht es um den Zugriff auf das Erbgut der Menschheit, und das will sich eine große Firma unter den Nagel reißen. Und da werden bei mir alle Sicherungslinien und die Firewall hochgezogen.

    Engels: Sehen Sie denn eine Perspektive, Sie fordern ja eine Änderung auf EU-Ebene, dass es dahin kommt?

    Sonnleitner: Ich setze darauf. Viele Menschen haben sich noch zu wenig damit beschäftigt, weil in der EU-Biopatentrichtlinie steht ja, es darf keine Patentierung von Lebewesen und Pflanzen geben. Aber genau mit diesem Schweine-Patent würde der Sprung generell Patentierung Lebewesen und Pflanzen gemacht. Und deswegen unser Einspruch und deswegen unsere harte politische Auseinandersetzung. Und ich bin mir sicher, dass wir diese Auseinandersetzung gewinnen werden.

    Engels: Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Sonnleitner: Danke, Frau Engels!