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Genpflanzen und konventionelle Sorten
In guter Nachbarschaft

Beim Anbau von genveränderten Pflanzen müssen in Deutschland unter anderem Mindestabstände zu anderen Feldern eingehalten werden. Ein von der EU gefördertes Projekt untersuchte jetzt, unter welchen Bedingungen ein Nebeneinander genveränderter und nicht genveränderter Kulturen möglich ist. Fazit der Forscher: Die Koexistenz ist machbar.

Von Susanne Kuhlmann | 08.04.2015
    Symbolisch steht ein Schild mit der Aufschrift "Genfood" vor einem gentechnisch veränderten Maiskolben auf einem Feld nahe Ramin im Landkreis Uecker-Randow.
    In Europa haben bisher nur zwei transgene Pflanzen eine Anbauzulassung erhalten: Mais Mon 810 und die Stärkekartoffel Amflora. (picture-alliance / ZB)
    Zwei Jahre lang untersuchten Forscher um den Agrarökonom Justus Wesseler in Spanien, Tschechien und Deutschland, unter welchen Bedingungen sich transgener, also gentechnisch veränderter Mais und konventionelle Sorten nebeneinander anbauen lassen. Justus Wesseler ist Professor an der Universität Wageningen in den Niederlanden. Die Technische Universität München leitete das Projekt. Die Wissenschaftler probierten auf kleinen Flächen in Spanien aus, wie sich zwölf Meter breite Pufferzonen zwischen zwei Feldern auswirken.
    "Die Pufferzone besteht aus nicht-transgenem Mais. Und die stellt sicher, dass der Grenzwert von 0,9 Prozent, der den Schwellenwert zur Kennzeichnung darstellt, unterschritten wird."
    Lebensmittel aus Mais- oder Sojarohstoffen müssen in der EU nicht gekennzeichnet werden, wenn sie weniger als 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen enthalten. Das gilt für den Fall, dass die transgenen Bestandteile zufällig hineingekommen sind oder das technisch unvermeidbar war. Werden sie absichtlich beigemischt, muss das immer gekennzeichnet werden. Die Pufferzonen haben sich bewährt.
    "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Pufferzonen sehr erfolgreich eingesetzt werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass Mindestabstandsregeln häufig nicht verhältnismäßig sind. Das heißt, man kann die Regeln, falls gesetzliche Mindestabstandsregeln vorliegen, dahingehend abwandeln, dass man diese flexibler ausgestaltet und damit zu einer praktikableren Lösung kommt, die den Anforderungen der Landwirte gerecht wird."
    In Deutschland gelten Mindestabstände von 150 Metern zu konventionellen und 300 Metern zu Bioanbauflächen. Als hier noch transgener Mais auf Feldern wuchs, zeigten einige Versuche, dass Abstände von 15 bis 50 Meter ausreichend sind. Die Pufferzonen sind nur zwölf Meter breit.
    In der aktuellen Studie testeten die Forscher neben Pufferzonen auch Maissorten, die keine Pollen produzieren.
    "Die sind steril. Das ist auch eine Möglichkeit, um Koexistenz sicherzustellen. Worauf man dabei aber achten muss, ist, dass man eine Pflanze braucht, die den Mais befruchtet. Dafür muss man nicht-transgenen Mais als Befruchter in den transgenen Mais mit einsetzen. Da war die Frage: Wie viel von dem nicht-transgenen Mais brauchen wir in dem transgenen Mais, damit die Ertragsleistungen noch gewährleistet bleiben."
    15 Prozent nicht-transgener Mais im Feld reichen aus, damit es mit der Befruchtung klappt; so das Ergebnis.
    Entscheidungshilfen für die EU-Regierungen
    Erprobt wurde noch eine dritte Methode: unterschiedliche Aussaatzeiten mit einer Verschiebung von drei bis vier Wochen.
    "Das hat zur Folge, dass der transgene Mais zu einem anderen Zeitpunkt blüht als der nicht-transgene Mais und dann keine gegenseitige Befruchtung stattfindet. Das ist nur eine Lösung in den Regionen, wo es wirklich möglich ist, mit unterschiedlichen Aussaatzeitpunkten zu arbeiten. Das ist hauptsächlich in Südeuropa der Fall, während in Deutschland aufgrund der klimatischen Bedingungen dies keine praktikable Lösung darstellt."
    Knapp 1.500 Landwirte in Deutschland, Spanien, Portugal und Großbritannien wurden im Laufe des Projekts zu ihrer Haltung befragt. Viele sagten, es mache ihnen keine Probleme, für Pufferzonen zu sorgen.
    Die Studienergebnisse bieten zum einen Entscheidungshilfen für die EU-Regierungen. Es profitieren aber auch Landwirte, die für das Label "ohne Gentechnik" produzieren, erklärt Projektleiter Justus Wesseler.
    "Um diese Kennzeichnung sicherzustellen, ist es erforderlich, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine Trennung zwischen transgenen und nicht transgenen Rohstoffen stattfindet. Die Ergebnisse helfen den Landwirten, die unter einem solchen Label produzieren, da sie zum Beispiel mit ihren Nachbarn Absprachen treffen können, um Grenzwerte einzuhalten."
    Aber auch für erklärte Gegner jeglichen Anbaus transgener Pflanzen seien die Studienergebnisse nutzbar:
    "Es mag auch interessant sein für Umweltschutzorganisationen, die sich zum Beispiel mit der Ausweisung von Naturschutzgebieten beschäftigen. Da ist es zum Beispiel eine sinnvolle Strategie, dass man Pufferzonen einrichtet, wenn es darum geht, dass in der Nachbarschaft BT-Mais angebaut wird, um den Eintrag von BT-Pollen zu verhindern."
    Fazit der Forscher: Die Koexistenz transgener und konventioneller Pflanzen ist machbar, auch im Rahmen aktuell geltender EU-Gesetze.