Samstag, 20. April 2024

Archiv


Gensoja in Brasilien

Umweltorganisationen haben in Brasilien vor vier Jahren einen Prozess geführt. Der brachte das Verbot von Handel, Anbau, Einfuhr und Konsum gentechnisch veränderter Pflanzen und Organismen. Aber seit Jahren wird gegen dieses Verbot verstoßen. Im südlichen Bundesstaat Rio Grande do Sul soll zwischen 30 Prozent und 50 Prozent des Soja gentechnisch verändert sein. Das illegale Saatgut wird über die argentinische Grenze geschmuggelt. Wie es heimlich zu den Landwirten gelangt erklärt Landwirtschaftsberater José Maria Tardin aus Paraná:

Von Gudrun Fischer | 23.04.2003
    Die verbreitetste Methode und die am meisten Gen-Soja hereinbringt ist über nicht identifizierbare Verpackungen und Lastwägen, die nachts verkehren, die direkt die Landwirte besuchen. Es ist in Wahrheit ein Handel geworden, wo nicht möglich ist, an die Wurzel derjenigen zu gelangen, die das Saatgut liefern. Diese Varietäten, die über den Schmuggel nach Brasilien kommen, sind Varietäten aus Argentinien.

    In Argentinien wird zu fast 100 Prozent das Gen-Soja von Monsanto angebaut. Monsanto vertreibt mit dem Saatgut sein Herbizid Ruondup Ready. Umweltgruppen vermuten, dass Monsanto nichts gegen den Schmuggel nach Brasilien hat. Genausowenig hat das geschmuggelte Gen-Soja die letzte brasilianische Regierung Fernando Henrique Cardoso gestört. Es gab keine Kontrollen, es gab keine Strafen. Die neue Regierung Lula steht nun unter Druck. Lula versprach vor der Wahl lauthals, keine gentechnisch veränderte Organismen in Brasilien zuzulassen. Er plädierte für ein 5-jähriges Moratorium. In dieser Zeit könne wissenschaftlich untersucht werden, ob sie für Mensch und Umwelt ungefährlich seien. Aber nun handelt Lula ganz entgegen seinen Versprechungen. Für das Soja aus Rio Grande do Sul, das gerade geerntet wird und mit Gen-Soja verseucht ist, erließ er Ende März eine provisorische Richtlinie: Das Soja darf innerhalb des Landes verkauft werden. Nun hat der Bundesstaat Paraná gedroht, seine Landesgrenze gegen dieses Gen-Soja dicht zu machen. Paraná ist nämlich das einzige Bundesland in Brasilien, das absolut Wert darauf legt, sein Soja rein zu halten. Paraná exportiert nach Europa und Europa will kein gentechnisch verändertes Soja. Flavia Londres, Agraringenieurin aus Rio de Janeiro und Koordinatorin des "Komitees für ein Brasilien ohne gentechnisch veräderte Organismen" erklärt die Situation:

    Paraná ist der größte Sojaexporteur Brasiliens. Und heute wird 80 Prozent des Soja aus Paraná nach Europa ausgeführt. Daher haben sich die großen Soja-ProduzentInnen in Paraná bewusst gemacht, dass die Produktion von gentechnisch veränderten Organismen ihren Exportmarkt gefährden würde. Es gab einen Fall, der wurde in Brasilien von der Presse totgeschwiegen, aber uns wurde er bekannt. Vor zwei Jahren ist eine Ladung Soja von Paraná aus Europa zurückgekehrt. Denn es wurde Verschmutzung (mit Gen-Soja) festgestellt, als die Ladung in Europa ankam. Das war so was wie eine wichtige Warnung an die großen Produzenten. Daraufhin haben sich die großen Produzentinnen und Produzenten mit der Landesregierung zusammengetan und eine rigoroses Kontrollsystem gegen die Verunreinigung wurde eingeführt. Heute überquert keine einzige Sojabohne die Landesgrenze, ohne Dokument, das belegt, dass sie nicht gentechnisch verändert ist. Die Landesregierung hat 100 Prozent der Saatgutfelder untersucht und festgestellt, dass es keine Verschmutzung in der letzten Ernte gab. Die Landesregierung kontrolliert weitgehend die Felder. Die Landesregierung hat Daten, die sagen, dass in Paraná Gen-Soja komplett ausradiert ist.

    Die Anti-Gen-Soja Organisationen in Brasilien sind der Meinung, dass es möglich wäre, das genetisch veränderte Material aus der Landwirtschaft zu entfernen. Die Verunreinigung mit Gen-Soja sei umkehrbar, denn: Soja sei keine einheimisch Pflanze und das genetische Material hätte sich nicht in einheimische Wildtypen eingekreuzt. Diese Umkehrung verlange aber ein Verbot und eine rigide Kontrolle. Ob die Regierung Lula in den nächsten Wochen oder Monaten gentechnisch veränderte Pflanzen endgültig verbietet oder doch legalisiert ist offen. Die Umweltgruppen haben an Lulas Wahlversprechens geglaubt. Jetzt sind sie sich ihrer Sache nicht mehr so sicher.