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Gentechnik-Baukästen
Frankensteins Labor im Hobbykeller

Ein dystopisches Szenario: Im dunklen Keller wird eine Killer-Bakterie entwickelt. Die Realität: Mit Gentechnik-Baukästen aus den USA können auch Hobby-Wissenschaftler oder Kinder genetisch veränderte Organismen herstellen. Doch inwieweit ist das private Gen-Basteln in Deutschland überhaupt erlaubt?

Von Nele Rößler | 10.08.2017
    Durch die neue CRISPR/Cas9-Technik lassen sich ganze Insekten-Populationen genetisch manipulieren
    Auch für Laien leicht anwendbar: Mit der Genschere "CRISPR/Cas" lässt sich die DNA von Lebewesen verändern. (imago stock&people)
    Die Werbevideos für Gentechnik-Baukästen klingen verlockend: "Was würdest du kreieren", fragt die Stimme in dem Werbe-Video auf Youtube aus den USA. Dazu sieht der Zuschauer einen Kühlschrank mit Orangensaft, Bier und einem mini kleinen Plastikbehälter. Dieser Behälter macht die Szene bemerkenswert: darin befindet sich die so genannte "Genschere" CRISPR/Cas. Viele Menschen setzen in die Genschere CRISPR große Hoffnungen. Sie kann die DNA von Lebewesen angeblich extrem zielgenau verändern. Und CRISPR ist so leicht anwendbar, das bereits von einer Demokratisierung der Gentechnik gesprochen wird.
    Selbst Hobby-Wissenschaftler können mit sogenannten Gentechnik-Baukästen mit genetisch veränderten Organismen arbeiten - dank CRISPR/Cas. Manche Baukästen bieten sogar die Möglichkeit, genetisch veränderte Organismen selbst herzustellen. Das können die Hobby-Wissenschaftler dann zu Hause im Keller oder in der Küche. Auch von Deutschland aus können diese Experimentier-Kästen bei Händlern aus den USA bestellt werden, ganz legal über das Internet. Kosten: 150 Dollar aufwärts.
    "Ein Gentechnik-Baukasten hat im Prinzip alles was man braucht zum experimentieren", erklärt Jens Kahrmann vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz BVL.
    "Ein paar Schutzhandschuhe, eine Pipette mit der man pipettieren kann, Nährlösungen, verschiedene Objekte, die man braucht, so Röhrchen und auch Platten, Schalen. Im Prinzip ein kleines Laborset, wenn man so will."
    Experimente daheim nicht erlaubt
    Kahrmann ist beim BVL für juristische Angelegenheiten im Bereich Gentechnik zuständig. Er erklärt die erstaunliche Rechtslage: In Deutschland ist es grundsätzlich erlaubt, diese Kits zu besitzen. Allerdings unter einer Voraussetzung: Die Kästen enthalten noch kein genetisch verändertes Bakterium - sondern normale Bakterien, die dann mittels der Genschere verändert werden. Gentechnik-Experimente am heimischen Küchentisch sind damit aber trotzdem verboten. Denn die Experimente fallen unter das Gentechnik-Gesetz, erklärt Kahrmann.
    "Wenn in diesen Gentechnik-Baukästen harmlose Organismen drin sind, die auch nicht gentechnisch verändert sind, dann darf man diese Baukästen durchaus besitzen, man darf sie halt nur nicht außerhalb eines speziellen Labors anwenden, um Gentechnik-Experimente zu machen."
    Diese speziellen Labors werden behördlich überwacht. Außerdem stehen sie unter der Aufsicht eines sachkundigen Projektleiters. Diese Labors gibt es an Universitäten und einigen Schulen. Wer dennoch zu Hause experimentiert, hat mit Strafen zu rechnen.
    "Das ist eine Ordnungswidrigkeit und die kann mit einer Geldbuße von bis 50.000 Euro geahndet werden und wenn nun diese gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt freigesetzt werden, dann ist das auch eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden können", sagt Jurist Kahrmann.
    Keine Gefahr für Mensch und Umwelt?
    Aber wie gefährlich sind die Baukästen wirklich? Damit hat sich die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit beschäftigt. Ein Expertengremium mit rund 20 Mitgliedern - unter anderem berät es das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu möglichen Gefahren durch Gentechnik. Das Gremium hat Informationen zur Datenlage der Kästen von den Verkäufern angefordert.
    "Und anhand dieser Unterlagen ist die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass von diesen Baukästen nach dem Stand der Wissenschaft keine Gefahr für Mensch oder Umwelt ausgeht," sagt Kahrmann.
    Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel von den Grünen sieht das anders. Er will die Gentechnik-Baukästen verbieten lassen.
    "Weil dabei Krankheitserreger entstehen können die am Ende in die Umwelt freigesetzt werden und Wirkungen entfalten können, die jemand, der das als Hobby betreibt ohne die entsprechende Sicherheitseinrichtung überhaupt nicht einschätzen kann, selbst in gentechnisch zugelassenen Laboren sind dafür Experten gefragt und niemand anders."
    Sets mit krankheitserregenen Bakterien
    Für Menschen, die an den Gentechnik-Baukästen Interesse haben, hat Jurist Kahrman vom BVL einen Tipp.
    "Da kann ich alle wirklich nur drum bitten, dass sie sich an die zuständige Landesbehörde wenden, da sind naturwissenschaftlich versierte Kolleginnen und Kollegen , die genau sagen können was möglich ist. Es gibt in Deutschland zum Beispiel sehr viele Schulen und akademische Einrichtungen, die über Labore verfügen, wo man unter Aufsicht Experimente legal durchführen könnte."
    Weder experimentieren noch besitzen dürfen Hobby-Wissenschaftler dagegen Baukästen, die von Anfang an gentechnisch veränderte Organismen enthalten. Außerdem hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Ende März Baukästen gefunden und beschlagnahmt: In den Sets einer US- Firma waren potenziell krankheitserregende Bakterien. Teilweise hatten sie sogar eine mehrfache Antibiotikaresistenz. Eindeutig illegal, urteilte die Behörde.