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Gentechnik
Hühner als Bioreaktoren zur Proteinherstellung

Genveränderte Hühner liefern medizinisch wirksame Proteine. Ein entsprechendes Verfahren haben Forscherinnen an der Universität Edinburgh entwickelt. Auch wenn das Vorgehen bald schon zur Medizinherstellung eingesetzt werden könnte, werden große Pharmakonzerne es wahrscheinlich nicht nutzen.

Von Lucian Haas | 27.02.2019
Hühnereier in einem Karton
Das humane Protein Cytokin aktiviert das Immunsystem und kann von genveränderten Hühnern produziert werden (imago / Ingo Schulz)
Das Roslin Institute an der University of Edinburgh hat schon öfter für Schlagzeilen gesorgt. Mit dem ersten Klonschaf namens Dolly zum Beispiel. Am Roslin Institute wird auch an genetisch veränderten Tieren geforscht. Kürzlich verkündete die Biochemikerin Lissa Herron einen Durchbruch:
"Wir haben Hühner genetisch so verändert, dass sie medizinisch wirksame Proteine in ihrem Eiweiß produzieren. Wir machen das, weil diese Proteine sehr wertvoll für die Forschung und die Medizin sind. Aber ihre Herstellung ist sehr teuer. Mit einer effizienten Methode zur Genveränderung bei Hühnern, die dann diese Proteine als Teil des Eiweißes in ihren Eiern liefern, können wir die Kosten hoffentlich langfristig senken."
Die speziellen Proteine aktivieren das Immunsystem
Die Proteine, mit denen Lissa Herron und Kollegen die Funktionsweise der Methode demonstrierten, sind Cytokine. Der menschliche Körper produziert sie als Signalstoffe, die zwischen Zellen ausgetauscht werden, um zum Beispiel das Immunsystem zu aktivieren. Biotechnologisch hergestellte Cytokine sind als Medikamente interessant, doch bei der konventionellen Produktion mit Zellkulturen in Bioreaktoren ist die Ausbeute gering. Lissa Herron nutzte Viren, um die Gen-Informationen für bestimmte humane Cytokine in Hühnerembryos einzuschleusen. Die Gene sind so präpariert, dass sie nur im Eileiter eines Huhns aktiv werden. Legt so ein genverändertes Huhn ein Ei, dann enthält dieses im Hühnereiweiß auch das gewünschte Cytokin.
Ein Gramm Humanprotein pro Liter Hühnereiweiß
Man muss es nur noch abtrennen und aufreinigen. Lissa Herron entwickelte die dafür nötigen Methoden, wie ihre Kollegin Helen Sang erklärt:
"Lissa Herron hat recht einfache Reinigungsmethoden für verschiedene Arten von Proteinen entwickelt. Das ist wichtig, weil dieser Schritt technisch skalierbar sein muss, um auch große Mengen Hühnereiweiß verarbeiten zu können und daraus möglichst viel der gewünschten Proteine zu gewinnen."
Ein Gramm Humanprotein pro Liter Hühnereiweiß, das ist derzeit die durchschnittliche Ausbeute. In Zukunft hoffen Helen Sang und Lissa Herron diesen Wert noch verzehnfachen zu können. Damit wären Hühner als Bioreaktoren zur Proteinherstellung weitaus effizienter als die heute von Pharmaunternehmen eingesetzten Zellkulturen, die teilweise sogar mit humanen Zellen arbeiten. In diesen kann man die Produktionsmengen nicht einfach so steigern. Helen Sang:
"Wenn man humane Proteine in humanen Zellen produziert, entfalten sie auch in diesen Zellen ihre Wirkung. Das unterdrückt dann manchmal die Produktion. Hühner sind nur sehr weit entfernt mit dem Menschen verwandt. Wenn wir Humanprotein in Hühnern herstellen, dann ist es in den Hühnern nicht aktiv. Das ist ein großer Vorteil."
Zusammenarbeit mit großen Pharmaunternehmen fraglich
Dass große Pharmafirmen ihre biopharmazeutischen Wirkstoffe künftig einfach von Hühnern werden legen lassen, ist damit aber noch längst nicht sicher:
"Die Pharma-Unternehmen haben viel Geld in ihre Produktionsverfahren investiert und diese als Standard auch zugelassen. Darum gehe ich davon aus, dass die großen Firmen kaum mit uns zusammenarbeiten werden, solange es für sie keine deutlichen Vorteile bringt. Wir werden eher mit kleinen Biotech-Unternehmen starten, die bislang keine eigenen Produktionsmöglichkeiten haben."
Dass Helen Sang so vorsichtig formuliert, hat auch historische Gründe. Schon vor zwölf Jahren hatte sie erstmals gezeigt, dass sich genveränderte Hühner zur Wirkstoffproduktion einsetzen lassen. Damals sorgte ihr Projekt auch schon für Schlagzeilen, wurde allerdings abrupt gestoppt, als das finanzierende Pharmaunternehmen, mit dem sie kooperierte, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. Erst Jahre später konnte sie die Entwicklung mit öffentlichen Forschungsgeldern wieder aufnehmen, was nun Erfolge zeigt. Lissa Herron arbeitet jetzt für das Biotech-Unternehmen Roslin Technologies, das dem Roslin Institute angegliedert ist, um das Verfahren zur Marktreife zu bringen.