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Gentechnik
Noch nicht bereit für CRISPR

Ende Juli hat der Europäische Gerichtshof entschieden: Pflanzen, deren Erbgut mit dem neuen Gentechnik-Werkzeug „CRISPR/Cas“ modifiziert wurde, gelten als gentechnisch verändert. Die Frage nach der Kontrolle solcher Lebensmittel bringt das Bundeslandwirtschaftsministerium allerdings immer noch in Verlegenheit.

Von Philip Banse | 18.10.2018
    Ein Schritt des CRISPR/Cas9-Verfahrens ist in einem Labor am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in vielfacher Vergrößerung auf einem Monitor zu sehen.
    Im Gegensatz zur "klassischen" Form der Genmanipulation, der Mutagenese, können mit "CRISPR/Cas" gezielt einzelne Teile des Erbguts bearbeitet werden. (picture alliance / Gregor Fischer/dpa)
    Eins vorweg: In Deutschland wachsen noch keine Pflanzen in freier Wildbahn, die mit diesem neuen, mächtigen Werkzeug "CRISPR/Cas" verändert wurden, sagt Jochen Kumlehn vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung. Im Labor allerdings ließen sich mit dem neuen Werkzeug zur Veränderung des Erbguts schon sinnvolle Pflanzen erstellen:
    "Wir haben Pflanzen, die resistent gegen Viren sind, kürzlich generiert. Mit den pilzresistenten Pflanzen, daran arbeiten wir noch. Wir arbeiten auch an morphologischen Merkmalen, dass wir meinetwegen pro Ähre einen höheren Kornertrag bekommen können. Das sind alles gewaltige Vorteile für den landwirtschaftlichen Anbau."
    Zumal dann, wenn der Klimawandel Pflanzen durch Dürren und Starkregen mehr fordert als heute, so der staatliche Forscher. Doch durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sind die Pflanzen quasi von heute auf morgen zu Gefahrgut geworden, zu gentechnisch manipulierten Organismen, die jetzt nicht mehr in die freie Wildbahn dürfen ohne aufwändige Zulassung:
    "Solche Lösungen sind in absehbarer Zeit nicht möglich zugelassen zu bekommen, weil das bestenfalls große Konzerne machen könnten. Wir arbeiten aber hier vorranging mit kleinen und mittleren Züchtern zusammen, die sich diese Prozeduren gar nicht leisten können."
    Neue Technik, alte Bedenken
    Bislang werden Pflanzen per induzierter Mutagenese gezüchtet. Dabei werden Pflanzen bestrahlt. Die elektromagnetische Strahlung verändert das Erbgut nach dem Zufallsprinzip. Aus den mutierten Pflanzen wählen Züchter dann jene aus, deren Eigenschaften sie brauchen. Mit neuen Zucht-Werkzeugen wie CRISPR/Cas lassen sich viel gezielter einzelne Teile des Erbguts wegschneiden oder austauschen. So lassen sich Pilze kreieren, die keine braunen Flecken mehr bekommen. Kritiker warnen vor unerforschten Risiken. Doch Forscher Jochen Kumlehn sagt, der Effekt von CRISPR/Cas auf Pflanzen sei gut vorhersehbar:
    "Das heißt also, wir können diese Veränderungen bei der neuen Technologie viel, viel besser beurteilen als bei der induzierten Mutagenese und sie sind nicht so schwerwiegend. Deswegen ist es unlogisch zu sagen, die neue Technologie birgt ein höheres Risiko als das, was wir bisher gemacht haben. Es ist genau umgekehrt."
    "Das sehen wir deutlich anders", sagt Friedhelm von Mering, vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, einem Lobbyverband, der sich für gentechnikfreie Lebensmittel einsetzt. Das Gericht habe Techniken wie CRISPR/Cas zu Recht als Gentechnik eingestuft:
    "Ich kann diese Techniken mehrfach einsetzen, ich kann sie in Kombination mit anderen Techniken einsetzen und ich kann damit sehr, sehr tief und sehr, sehr intensiv in das Genom eingreifen und das ist eben ein ganz, ganz anderes Risikopotential als ich das bei dieser klassischen Mutagenesetechnik habe."
    Kontrolle bisher ungeklärt
    Durch das EuGH-Urteil gilt jetzt eine bestimmte Soja-Bohne, die mit diesen neuen Techniken gezüchtet wurde, als Gentechnik. Diese Sojabohne wird in den USA, Kanada und Brasilien bereits angebaut, hat aber in der EU keine Zulassung. Ein Import wäre illegal.
    "Wie stellt die Bundesregierung denn sicher, dass Produkte aus diesen Pflanzen nicht nach Deutschland kommen?"
    Diese Frage stellte gestern im Bundestag der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner dem Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Hans-Joachim Fuchtel. Der gestand, dass bisher nicht mal klar ist, wie Kontrolleure Produkte dieser neuen Gentechnik erkennen sollen:
    "Sie haben das ja selber zugestanden, dass es eine sehr komplexe Frage ist, nämlich die, wie man diese Methoden erkennen kann. An diesen Fragen wird gearbeitet, aber sie sind noch nicht zum Abschluss gebracht."
    Das Aufspüren dieser neuen Gentech-Produkte wird erschwert, weil nach Auskunft des Staatsekretärs in der EU noch nicht geklärt ist, ob und wie Proben der Produkte in die zuständige UN-Datenbank eingespeist werden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium konnte gestern auf Nachfrage des Deutschlandfunks nicht erklären, was die Bundesregierung macht, um das Urteil umzusetzen.
    "Und da sehen wir schon mit einer gewissen Sorge, dass wir solche Bemühungen nicht wirklich wahrnehmen", sagt Friedhelm von Mering, vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. "Wir haben so ein bisschen das Gefühl: Ja, das Urteil ist zur Kenntnis genommen worden, aber es wird noch nicht umgesetzt."