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Gentherapie für Schmetterlingskinder

Medizin. - So genannte Schmetterlingskinder haben eine seltene Hautkrankheit, bei der die Haut so sensibel wird ist wie die Flügel eines Schmetterlings. Bei geringstem Druck entstehen schmerzhafte Risse und Blasen. Die Ursache ist ein fehlendes Struktureiweiß in der Haut. Bisher hat sich die Behandlung auf die Linderung der Leiden beschränkt. Jetzt gibt es den ersten Beweis, dass eine ursächliche Therapie möglich ist.

Von Maria Mayer | 16.05.2007
    Er hatte sich keine großen Hoffnungen gemacht, als er sich vor eineinhalb Jahren als medizinisches Versuchskaninchen zur Verfügung stellte. Jetzt ist der 37-jährige Informatiker Claudio - zumindest stellenweise am Unterschenkel - als erster weltweit von der Epidermolysis bullosa geheilt. Der italienische Biochemiker Michel de Luca von der Universität Modena und Reggio Emilia hat bei der kombinierten Stammzell-Gentherapie auf seine 20-jährigen Erfahrungen zurückgegriffen:

    " Jetzt haben wir versucht Stammzellen der Oberhaut genetisch zu korrigieren, auf viele Arten, zum Beispiel durch spezifische Vektoren mit denen wir spezifische Gene ins Genom der Stammzellen einbringen. "

    Im Fall Claudio hat es geklappt. Das ist ein erster Beweis, dass es im Prinzip funktioniert. Vom "proof of principle" zu einer etablierten Therapie ist aber noch ein weiter Weg. Doch die Aussichten sind gut: Bei Claudio hat sich an den behandelten Stellen - auch bei starkem Druck auf die Haut - bisher keine einzige Blase gebildet. Die behandelte Partie ist ungefähr 500 Quadratzentimeter groß.

    " Das behandelte Stück Haut ist tatsächlich geheilt, aber wir haben zwei Probleme. Das eine ist, dass wir die Haut eines Patienten nicht auf einmal austauschen können, weil der chirurgische Eingriff zu groß ist. Das zweite Problem ist, dass wir erst bestätigen müssen, dass das System auch bei anderen Patienten mit derselben Erkrankung funktioniert. "

    Das Vorgehen hört sich simpel an, aber die Tücken liegen im Detail. Zuerst wird dem Patienten durch eine Biopsie ein Stückchen Haut entnommen. Daraus werden drei Wochen lang die Stammzellen vermehrt. Das fehlende Gen wird aus einem Stückchen der viralen DNA in die Stammzellen eingebracht. An die benötigten Gene ist leicht heranzukommen: Sie lassen sich künstlich im Labor herstellen, es gibt sie auch zu kaufen. Das fertige Transplantat wird dann in einer Operation aufgetragen

    " Chirurgisch ist der Eingriff nicht sehr schwierig, wir müssen nur entscheiden, welche Stelle wir behandeln wollen. Dort muss dann die eigene Oberhaut komplett entfernt werden, hinunter bis zur Lederhaut. Das Aufnahmebett für das Transplantat ist eine blutende Lederhaut. Darauf tragen wir das Transplantat auf. Wenn es zu keinen Infektionen kommt, ist das Transplantat nach 8 Tagen angewachsen und der Patient kann heimgehen. "

    In einem Fall in Frankreich ist infolge einer Gentherapie bei einem schweren kombinierten Immundefekt eine Leukämie aufgetreten. Dieses Problem habe mit der Art des verwendeten Gens und mit der enorm hohen Anzahl der transplantierten Stammzellen zu tun gehabt, sagt de Luca und schließt die Entstehung von Krebs durch Gentherapie bei Schmetterlingskindern aus. Im Gegenteil: Die Gentherapie könnte Krebs vorbeugen. 80 Prozent der Schmetterlingskinder entwickeln im Lauf ihres Lebens Hautkrebs.

    " Ich glaube nicht, dass wir mit dieser Art Gentherapie Krebs auslösen. Das einzige Problem, das ich sehe, ist, dass durch die jahrelange Spirale von Wunden, Heilung und neuerlichen Wunden die Haut sehr strapaziert ist und das könnte ein Problem für das Anwachsen des Transplantats sein. Die Präparation muss also sehr gut gemacht werden. "

    Sollte tatsächlich etwas schief gehen, kann das Transplantat jederzeit entfernt werden. Noch kommt die Gentherapie nur für eine ganz bestimmte Gruppe von Schmetterlingskindern in Frage, nämlich diejenigen Patienten, die von der Epidermolysis bullosa junktionalis betroffen ist. Michel de Luca :

    " Wir betrachten die Schmetterlingskinder als Modell, um zu zeigen, dass die Gentherapie für die Haut funktioniert. Aber nach diesen Ergebnissen ist es denkbar, dass in Zukunft auch andere Formen und andere genetische Hauterkrankungen mit Gentherapie geheilt werden könnten. "

    Noch im Laufe dieses Jahres soll eine europaweite Studie zu Genttherapie bei Schmetterlingskindern starten, an der neben Italien auch Deutschland, Österreich, Frankreich und die Niederlande beteiligt sind.