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"Genug Wasser auf diesem Planeten"

Umwelt. - Wasser ist die zentrale Ressource des Lebens, und nach Expertenansicht gibt es grundsätzlich genug davon auf der Erde. Allerdings hapert es, so hieß es auf der zentralen UN-Veranstaltung zum Weltwassertag in Nairobi, an der Qualität. Die Wissenschaftsjournalistin Kristin Raabe berichtet im Gespräch mit Katrin Zöfel aus der kenianischen Hauptstadt.

22.03.2010
    Zöfel: Frau Rabe, warum haben die UN zum Weltwassertag 2010 nicht die Wasserknappheit in den Mittelpunkt gestellt?

    Raabe: Ja, der Grund ist ganz einfach der: Wasser ist nicht knapp. Wir haben genug Wasser auf diesem Planeten, um alle Menschen mit Trinkwasser zu versorgen. Wir verlieren Wasser eigentlich auch nicht, jedenfalls nicht durch die natürlichen Kreisläufe. Die Art und Weise, wie wir Wasser verlieren, ist dadurch, dass wir es verunreinigen, dass es nicht mehr trinkbar ist, dass es so dauerhaft verunreinigt ist, dass auch die Selbstreinigungskräfte von Flüssen, Seen und Meeren einfach nicht mehr ausreichen. Also macht es absolut Sinn, die Wasserqualität in den Mittelpunkt stellen.

    Zöfel: Die UN hat es heute einen Bericht vorgelegt mit dem Titel "Sick Water" (PDF-Dokument), also krankes Wasser. Das klingt düster. Wie steht es denn weltweit um die Wasserqualität?

    Raabe: Ja, es steht nicht besonders gut. Das Wasser ist definitiv krank. Und das liegt daran, dass wir einfach soviel Abwasser produzieren. Etwa zwei Milliarden Tonnen Abwasser täglich gelangen in die Flüsse, das muss man sich einmal vorstellen. Das sind enorme Mengen. Und 90 Prozent der Abwässer, die in die Ozeane fließen, werden vorher nicht gereinigt. Diese Abwässer in den Ozeanen, die verursachen regelrechte Todeszonen, und die haben mittlerweile ein Ausmaß von 245.000 Quadratkilometer. Todeszonen, wo kein Leben mehr herrscht, weil da kein Sauerstoff ist, weil da zu viele Giftstoffe sind, das ist eine Fläche, die ist genauso groß wie die Fläche der Korallenriffe weltweit. Aber das Wasser ist nicht nur selbst krank, es macht natürlich auch Menschen krank. Etwa die Hälfte aller Krankenhausbetten weltweit sind belegt durch Menschen, die an Wasser erkrankt sind. Und viele sterben auch. Also, es gibt mehr Todesfälle durch Wasser als durch Gewalteinwirkungen und alle Kriege weltweit zusammengenommen.

    Zöfel: Wie kommen diese Daten zustande?

    Raabe: Ja, die UN hat natürlich immer die globale Perspektive und muss deshalb auch weltweit Daten sammeln. Und da hat sie verschiedene Projekte, wo solche Daten gesammelt werden, eben auch zu Wasser. Es gibt ein Projekt beispielsweise zur Wasserqualität, wo weltweit an über 3000 Stationen in 92 Ländern Daten gesammelt werden. Und die Forscher, die diese Art von Forschung machen, in Beziehung setzen wieder zu anderen Daten, beispielsweise es gibt Daten aus Gesundheitsstatistiken, das ist eine enorm wichtige Aufgabe, die sehr kompliziert ist, wenn man das gut machen will. Sie haben aber immer wieder die Schwierigkeit, dass sie nicht die richtige Strukturen für die Kommunikation haben. Nicht unbedingt Geldmangel, es ist Bürokratie, es sind die Strukturen, die nicht da sind, die teilweise fehlen, die den Forschern dieser Art von Arbeit erschweren. Es sind selbst nicht immer die Industrieländer, die da irgendwie besonders gut bei wären. Ein Land, das ganz weit vorne ist, und vorbildlich mit diesen Forschern zusammengearbeitet hat, das hat mir der Leiter dieses Projektes erzählt, das war beispielsweise Südafrika, ein Entwicklungsland.

    Zöfel: Welche Lösungsvorschläge können Wissenschaftler machen?

    Rabe: Also Wissenschaftler sind natürlich gerade die, die sagen können: 'Wir haben hier eine Idee, wie wir das Wasser wieder sauber kriegen können.' Es sind aber nicht unbedingt die technischen Lösungen, auf die man hier gucken kann, also Kanalisation, Filteranlagen, Kläranlagen. Sondern es sind Methoden, einfach auch Analysen, die sie gemacht haben, und man hat festgestellt beispielsweise, wie wichtig bestimmte Ökosysteme für die Wasserreinigung und die Wasserqualität sind. An den Küstengebieten beispielsweise die Mangrovenwälder, die sind enorm wichtig für die Reinigung der Küstengewässer. Und wenn man die erhält, dann hat man vielleicht viel mehr geschafft, als wenn man eben nur eine neue Filtermethode entwickelt. Häufig ist es aber auch so, dass solche Lösungen nicht so einfach zu finden sind. Ein Beispiel: Eine Wissenschaftlerin hat heute eine Studie vorgestellt, wo sie untersucht hat, welche Krankheitserreger in Abwässern vorkommen. Das sind Krankheitserreger von Salmonellen über Typhuserreger, Amöbenarten, die Durchfall erzeugen, Virenarten, die gefährliche Durchfälle erzeugen können beispielsweise, die kommen bei uns auch in den Abwässern vor, aber teilweise in den Entwicklungsländern in hunderttausendfacher Konzentration. Also viel häufiger, in viel größeren Mengen als bei uns. Es gibt eine Studie in Jakarta, wo man das untersucht hat, in Indonesien, und da hat man festgestellt, dass ganz massiv die Wasserqualität in Umland herabgeht, also immer weiter absinkt, je mehr sich die Stadt ausbreitet, je mehr Land von der Stadt beansprucht wird, desto mehr sinkt die Wasserqualität. Das sind Messungen, die über zwölf Jahre gemacht worden sind.

    Zöfel: Aus der globalen Perspektive nach Deutschland geguckt, hat auch Deutschland ein Problem mit krankem Wasser?

    Raabe: Wir haben auch ein Problem, wie viele andere Industrieländer auch. Allerdings ist das natürlich ganz anders geartet. Bei uns ist das Problem, dass die chemische Industrie und die Pharmaindustrie vor allem immer neue Substanzen entwickeln, die ins Abwasser gelangen. Und wir können diese Substanzen noch nicht nachweisen. Es gibt keine Messmethoden, mit denen wir diese neuen Substanzen im Abwasser messen können. Und natürlich auch keine Methoden, wie wir sie herausfiltern können. Und es gibt Studien, die mittlerweile belegt haben am Beispiel von Steroiden, von Substanzen, die wie Hormone wirken können, oder auch teilweise selbst richtige Hormone sind, das sind vor allem Substanzen aus der Pharmaindustrie, die vor allem natürlich auch Tiere beeinflussen.