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Genuss und Völlerei
Essen wie die Päpste in Rom

Papst Franziskus gibt sich betont bescheiden, auch beim Essen und Trinken. Das war im Vatikan nicht immer so. Ein jetzt in Italien erschienenes Buch erzählt die gastronomische Geschichte der Päpste zwischen Fasten und Völlerei.

Von Thomas Migge | 11.09.2015
    Polnische Köche bereiten im Jahr 2014 ein Weihnachtsmenü für Papst Franziskus vor.
    So essen Päpste: Polnische Köche bereiten im Jahr 2014 ein Weihnachtsmenü für Papst Franziskus vor. (picture alliance / dpa / Marcin Bielecki)
    Luca, Techniker in der vatikanischen Autoreparaturwerkstatt, traute zunächst seinen Augen nicht: Da erschien doch tatsächlich Papst Franziskus, völlig unangemeldet, mittags gegen 13 Uhr in der Mensa der Vatikanangestellten. Ein Kollege hat das mitgeschnitten.
    "Ein bisschen Reis bitte", sagt Luca und spricht dann den Papst an: "Heiliger Vater, was essen Sie heute Mittag? Auch Sie Reis mit ein bisschen Parmesan?"
    Franziskus nahm sich ein Tablett, Besteck und eine Papierserviette und stellte sich, wie die anderen auch, in einer Warteschlange am Buffet an.
    An einem Zehnertisch, mitten zwischen Kfz-Mechanikern, den Mitarbeitern der Müllabfuhr und anderen Angestellten seines Zwergstaates nahm der Papst sein Mittagessen ein: frittiertes Gemüse als Vorspeise, ein Risotto mit Parmesan, ein Quarkdessert, dazu stilles Mineralwasser und ein Gläschen Weißwein. Dann verschwand er wieder.
    Papa Francesco ist kein Feinschmecker wie viele seiner Vorgänger. Er mag es gern herzhaft, einfach und vor allem gesellig. Allein zu essen: ein Gräuel für den lebenslustigen Argentinier.
    Zwischen Radikalfasten und lustvoller Völlerei
    Päpste und Gastronomie, Päpste zwischen Radikalfasten und lustvoller Völlerei: Das ist das Thema zweier katholischer Geistlicher, die privat gern kochen. Paolo Sartor ist Direktor des nationalen Katechismusbüros in Mailand und Andrea Ciucci arbeitet beim päpstlichen Familienrat in Rom. Ihr erstes Buch "Zu Tisch bei Abraham. Kochen mit der Bibel" wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Auch das jüngste Werk der beiden Geistlichen wird sich sicherlich gut verkaufen: Es nimmt die Papstgeschichte gastronomisch unter die Lupe. Andrea Ciucci:
    "Die Idee zu diesen Büchern kam uns durch einen Zufall. Eine Freundin fragte uns, ob wir in der Bibel und in der Kirchengeschichte nie auf Rezepte und Hinweise auf Gerichte gestoßen sind, die man heute nachkochen kann. Das wurde dann zu einer Herausforderung. Erst haben wir uns die Bibel vorgenommen - und dann die Kirchengeschichte, immer unter gastronomischen Gesichtspunkten."
    "Essen wie Gott"
    Das neue Buch des Autorenduos "Mangiare da dio", "Essen wie Gott", enthält so manche pikante Geschichte. Papst Martin IV., er regierte die Kirche im 13. Jahrhundert für vier Jahre. Er ließ sich täglich frisch vom Bolsenasee nördlich von Rom Aale kommen. Er verschlang anscheinend so gern und so viele Aale, dass er an Völlerei gestorben sein soll. Italiens Dichterfürst Dante Alighieri bestrafte Martin IV. dafür - und versetzte ihn in seiner "Göttlichen Komödie" ins Fegefeuer. Andrea Ciucci:
    "Es gab gastronomisch heftige Zeiten in der Papstgeschichte. Zum Beispiel während des Konzils von Trient im 16. Jahrhundert oder während der Zeit der Renaissancepäpste, mit ihren aufwendig gestalteten Küchen für prächtige Bankette. In der Regel kann man sagen, dass an den Papsthöfen in der Vergangenheit der gleiche Aufwand betrieben wurde wie auch an anderen fürstlichen oder königlichen Höfen."
    Leo X., Papst von 1512 bis 1521, ein Sohn des üppig lebenden Florentiner Medici-Geschlechts, war berühmt für seine reichen Bankette, bei denen er massenweise Kuchen und Wild verzehrt haben soll. Der wahrscheinlich berühmteste Koch der Päpste war Bartolomeo Scappi. Er diente während der Renaissance zwei Päpsten. Andrea Ciucci:
    "Scappi gilt als einer der bedeutendsten Renaissanceköche. Er verfasste ein Kochbuch, das Rezepte nicht nur für seine Dienstherren enthält, sondern auch Rezepte für sämtliche klerikalen Ränge: für Kardinäle, Bischöfe, Monsignori und einfache Geistliche. Das heißt: Die Rezepte werden immer simpler."
    Süßigkeiten für das Kirchenoberhaupt
    Der erste Papst, der in der langen Papstgeschichte gastronomisch auffiel, war Gelasius. Der aus Afrika stammende Kirchenmann regierte von 492 bis etwa 496. Nicht ohne Grund, erklärt Don Ciucci, trägt er den Beinamen "der Heitere": Gelasius liebte Süßspeisen so sehr, dass ihm die Erfindung der Crepes zugeschrieben wird. Auch ein Papst des 20. Jahrhunderts löste eine gastronomische Mode aus - und zwar: Johannes Paul II.
    "Während seiner ersten Papstreise nach Polen erzählte er von einer Torte, die seine Großmutter oft zubereitet hatte, die 'papieska kremowka', ein zarter Blätterteigkuchen. Dieser Kuchen war in der Zwischenzeit aus der Mode gekommen. Heute sind die 'Papieska' aus Polens Bäckereien nicht mehr wegzudenken."