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Geoengineering
Klempnern am Klima

Der Harvard-Forscher David Keith ist einer der führenden Wissenschaftler in einem Feld, das unter Klimaexperten für erhitzte Debatten sorgt: dem Geoengineering. Dabei handelt es sich um technische Methoden, mit denen der Mensch aktiv in das Klimageschehen eingreift. Rettung oder Risiko - am Geoengineering scheiden sich die Geister.

Von Anne Demmer | 07.01.2015
    Sonnenstrahlen durchbrechen eine Wolkendecke.
    Künstliches Verdunkeln des Himmels durch Schwefelpartikel ist eine Idee im Geoengineering. (Imago / Blickwinkel)
    Saba Abid, Studentin: "Geoengineering ist so neu. Es klingt wirklich revolutionär. Wenn das funktionieren würde, dann würde das unseren Blick auf den Klimawandel komplett verändern."
    Kippy Ingram, Student: "Das ist wirklich eine interessante Herausforderung für Ingenieure. Allein die Reichweite, die so eine Technik hätte, ist beeindruckend. Ich will mehr darüber lernen und sehen, was möglich ist."
    Saba Abid: "Es könnte sehr riskant sein, wir wissen nicht, welche Auswirkungen das haben würde, weder auf kurze noch lange Sicht."
    Saba Abid und Kippy Ingram kommen gerade aus einem Seminar, in dem sie lernen, wie sich die Erde künstlich abkühlen ließe, um die Erderwärmung zu stoppen. Die Faszination der Harvard-Studenten über das Potenzial der Technik überwiegt. Über die Risiken dieser Methoden, die ihnen Professor David Keith eben mit einem Beamer an die Wand geworfen hat, machen sie sich in diesem Moment kaum Gedanken. Climate-Engineering oder auch Geoengineering wird die Klimamanipulation im Fachjargon genannt. David Keith leitet das vermutlich weltweit erste Seminar dieser Art:
    "Es ist ein sehr spannendes Problem, das sich im Kern mit der Beziehung des Menschen zur Natur beschäftigt, die mir sehr am Herzen liegt. Es fasziniert mich, auch technisch. Was daran auch Spaß macht, sind die unterschiedlichen Menschen, die sich damit beschäftigen. Umweltaktivisten, die denken, dass es total falsch ist, sich darauf überhaupt einzulassen und Leute, die sagen: Lass es uns am besten morgen schon machen. Wir haben hier eine gesellschaftliche Debatte über die Zukunft unseres Planeten."
    Riskante Rettungsversuche
    Seit rund 25 Jahren treibt David Keith das Thema um. Mit seiner Technik kann er im besten Fall die Menschheit vor dem Klimawandel retten oder im schlimmsten Fall, "das Leben auf der Erde auslöschen". So formulierte er es selbst vor ein paar Jahren gegenüber dem US-Magazin "New Yorker". Inzwischen scheint er derartige Weltuntergangsszenarien lieber zu meiden.
    Das Büro des Harvard-Wissenschaftlers liegt nur ein paar Meter vom Seminarraum entfernt. Schmucklos, eine Etage über einem Sportbekleidungsladen. Die Hälfte seiner Arbeitszeit widmet er hier den Techniken zur Klimamanipulation. Unterstützt wird er von einem fünfzehnköpfigen interdisziplinären Forschungsteam, bestehend aus Ingenieuren, Physikern, Völkerrechtlern bis hin zu Politikwissenschaftlern. David Keith ist ein hagerer Typ, kurze rotbraune Haare, Bart, Brille mit silbernen Rahmen. Jemand, der auch mal in Trekkinghose einen Workshop leitet. Er ist gebürtiger Kanadier:
    "Ich bin in einer naturverbundenen Familie großgeworden, wir haben Vögel beobachtet und waren bis zu einem bestimmten Grad auch in der Umweltschutzbewegung aktiv. Mein Studium habe ich mit Physik begonnen, das hat mir wirklich Spaß gemacht, ich war gut darin, mit meinen Händen zu arbeiten."
    Schwefeldioxid soll Erderwärmung stoppen
    Jetzt will er Hand anlegen und nichts Geringeres, als das Weltklima retten. Seine favorisierte Methode: das sogenannte Solar Radiation Management. Das bedeutet nichts anderes als, im großen Stil Schwefeldioxid in die Stratosphäre zu sprühen. Die Schwefelpartikel können Sonnenlicht ins Weltall reflektieren und auf diese Weise die Temperatur auf der Erde senken. Die Natur hat es bereits vorgemacht: 17 Millionen Tonnen Schwefelpartikel schleuderte der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen 1991 in die Stratosphäre. Die Durchschnittstemperatur auf der Erde sank daraufhin um knapp ein halbes Grad. Bislang kühlt David Keith die Erde nur an seinem Rechner ab, mithilfe von Computermodellen.
    Öffentliche Gelder gab es für seine Geoengineering-Forschung nicht. Stattdessen wurden er und Fachkollegen vom Software-Milliardär Bill Gates mit einigen Millionen Dollar unterstützt. Mit Gates gründete er auch die Firma "Carbon Engineering". Das Unternehmen entwickelt Großtechnik, die CO2 direkt aus der Luft filtern kann. Kommt die Sprache darauf wird David Keith allerdings schroff. Er will nicht in die falsche Schublade gesteckt werden. Die Firma habe nichts mit seiner wissenschaftlichen Forschung zu tun, es gebe da eine klare Trennung.
    Immer wieder landen wütende E-Mails im Postfach des Harvard-Wissenschaftlers, in denen er als "Gefahr für die Menschheit" beschimpft wird. Zweimal bekam er Morddrohungen, erzählt Keith:
    "Die Menschen haben so eine Angst davor, warum lehnen sie es so sehr ab? Warum vermeiden sie es, genau hinzusehen und zu verstehen, was die Wissenschaft uns sagen will?"
    Auf dem Weg zum Feldversuch
    David Keith sieht sich in der Verantwortung. Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten die Methoden nicht zumindest zu überprüfen, findet er. Mit wohldosiertem Geoengineering könne man wertvolle Zeit gewinnen. Trotzdem sollten natürlich wie geplant die Treibhausgasemissionen drastisch gesenkt werden. Seine bisherigen Forschungsergebnisse am Computer ermutigen ihn, raus ins Feld zu gehen.
    "Modelle liegen oft falsch. Die Natur überrascht uns, und der einzige Weg zu überprüfen, ob diese Technik am Ende zum Scheitern verurteilt ist, sind Experimente."
    David Keith will einen Ballon aufsteigen lassen, der in rund 25 Kilometern Höhe Schwefelpartikel versprüht. Er will damit überprüfen, ob die Schwefeltröpfchen womöglich die Ozonschicht zerstören.
    "Die Auswirkungen dieses Experiments auf die Stratosphäre, wären mit einem einminütigen Flug eines normalen Passagierflugzeuges vergleichbar. "
    Wenn der Klimaingenieur über den Feldversuch spricht, ist er leicht reizbar. Er wählt seine Worte mit Bedacht, will nicht falsch verstanden werden. Das Thema ist heikel. Seine Pläne stoßen bei vielen seiner Kollegen auf Kritik, auch wenn sie ihn als Wissenschaftler schätzen, wie die meisten betonen. Für den Klimaforscher Alan Robock von der Rutgers Universität in New Jersey kommt der Feldversuch zu früh. Für ihn wäre es der Dammbruch für echtes Geoengineering, Versuche würden größer und größer. Er hat 26 Gründe aufgeschrieben, warum Geoengineering eine schlechte Idee ist. Einer davon: Die Methode könnte auch als Waffe, zu militärischen Zwecken missbraucht werden, sagt Alan Robock:
    "Ein anderer Grund ist: Wenn man einmal damit angefangen hat, besteht die Gefahr, dass multinationale Konzerne die Kontrolle übernehmen und aus Profitgründen einfach damit weitermachen. Dann würde es vielleicht so etwas wie eine BP-Geoengineering- oder eine ExxonMobil-Geoengineering-Corporation geben. Würde man denen trauen?"
    Gewinner und Verlierer
    Auch seine Simulationen am Computer haben ergeben, dass sich mithilfe dieser Methode die globale Durchschnittstemperatur grundsätzlich abkühlen ließe. Jedoch würde es Gewinner und Verlierer geben. Es besteht die Gefahr, dass der Sommermonsun beeinträchtigt wird. Robock:
    "Der ja eigentlich für Regen in Ländern wie Indien und China sorgt, die in hohen Maße von ihrer Landwirtschaft abhängen. Wir haben nun herausgefunden, dass das Schwefeldioxid in der Stratosphäre, die Niederschlagsmenge während des Sommermonsuns reduzieren würde."
    Millionen Menschen würden leiden. Und wer wird am Ende entscheiden, ob, wann und wer zu solchen Maßnahmen greifen darf? Die Auswirkungen sind grenzüberschreitend, Konflikte vorprogrammiert. Kritiker warnen vor dem Klimakrieg. David Keith sind all diese Risiken bewusst. Er bleibt dabei:
    "Es ist wichtig, dass wir uns damit beschäftigen. Auch wenn es ein total chaotischer und schmerzvoller Prozess sein wird. Aber am Ende werden wir eine kollektive Entscheidung treffen, es zu machen oder eben auch nicht. Für mich scheint es große Risiken und Vorteile zu geben. Wir müssen Klarheit bekommen."
    Ob die National Academy of Sciences das auch so sieht, wird sich in Kürze zeigen, wenn sie ihren Bericht vorlegt. Die Empfehlungen darin könnten wegweisend sein. Dann wird sich entscheiden, ob David Keith demnächst mithilfe von öffentlichen Geldern mit dem Klima experimentieren darf.