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Geologie
Neue Messmethode soll menschgemachte Erdbeben begrenzen

Erdbeben lassen sich weder vorhersagen, noch verhindern. Einige Forscher sind nun aber immerhin den verschiedenen Ursachen menschgemachter Erdbeben auf der Spur. Und sie haben nun einen Prozess entdeckt, der solche Erschütternungen potenziell kontrollierbar machen könnte.

Von Karl Urban | 12.06.2015
    Ein Mitarbeiter steht in Insheim (Rheinland-Pfalz) in einem Geothermiekraftwerk neben einem großen Ventilator.
    Auch Erdwärmebohrungen haben in der Vergangenheit mehrfach kleine Erdbeben ausgelöst. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Wer Wasser in die Erde pumpt, kann Erdbeben auslösen. Das zeigte sich unter tiefen Erdwärmekraftwerken in Landau und Basel. Aber auch die immensen Abwassermengen aus dem Fracking werden in den USA in der Tiefe entsorgt und dafür mit hohem Druck in Bohrlöcher gepumpt. Und auch das verursacht regelmäßig spürbare Erschütterungen. Was im Gestein dabei genau passiert, versuchte Yves Guglielmi herauszufinden.
    "Wir haben eine natürliche Störung im Gestein aktiviert. Dafür haben wir Wasser hineingepumpt und dann beobachtet, wie genau sich das Gestein daraufhin bewegt und wann es Erdbeben gibt."
    In einen 280 Meter tiefen Tunnel in Südfrankreich bohrten die Geologen von der Universität Aix-Marseille direkt in eine geologische Störung, also die Grenze zwischen zwei aneinander liegenden Gesteinsblöcken, die unter Spannung stehen. Durch den Wasserdruck wurden diese Blöcke auseinandergepresst – und das Gestein begann sich ruckhaft weiterzubewegen: Es bebte. Gefährliche Erdbeben waren bei diesem Versuch aber ausgeschlossen.
    "Nein, wir wollten das Gestein nur zu ganz kleinen Bewegungen anregen, maximal einige Millimeter. Und die dabei gemessenen Erschütterungen waren dementsprechend so winzig, dass nur sehr exakte Messgeräte sie nachweisen konnten. Kein Mensch hat diese Beben gespürt."
    Wenn sich das Gestein nur langsam bewegt, sind Erdbeben unwahrscheinlich
    Die Geologen stellten dabei fest, dass die Erde gar nicht sofort bebt. Das eingepumpte Wasser drückte das Gestein zwar auseinander – aber zunächst fing es an, völlig ruhig zu gleiten. Ein Erdbeben war erst der zweite Schritt. Für den nicht beteiligten Forscher Francois Cornet von der Universität Straßburg ein ermutigendes Ergebnis: Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Beben nach Erdwärmebohrungen,.
    "Bisher haben wir geglaubt: Wenn wir Wasser in die Tiefe pumpen, verursachen wir dabei immer leichte Erdbeben. Immer. Das Ergebnis zeigt jetzt: Die Reibung im Gestein hängt davon ab, wie schnell es sich bewegt. Das ist gut: Wir müssen zukünftig also nur sicherstellen, dass sich das Gestein möglichst langsam bewegt, wenn wir Flüssigkeiten hineinpumpen. Und dann gibt es auch keine Erdbeben."
    Damit das gelingt, müssten alle Anlagen besser überwacht werden, wo Flüssigkeiten und Gase in die Tiefe gepresst werden. Denn dabei werden bisher nur Erdbeben aufgezeichnet, nicht aber die winzigen Gleitbewegungen des Gesteins zuvor.
    "Ich glaube schon, dass wir zusätzlich zu diesen seismischen Messungen auch die erschütterungsfreien, nicht-seismischen Bewegungen des Gesteins aufzeichnen könnten. Das wäre wichtig, um solche Erdbeben vorherzusagen. Und man könnte diese Messwerte verwenden, um zu berechnen, wie viel hinabgepumpte Flüssigkeit das Gestein noch aushält, bevor es bebt."
    Ob sich die Messgeräte der Forscher auch in der Realität einsetzen lassen, ist noch unklar. Denn sie müssen winzige Bewegungen des Gesteins wahrnehmen, was mehrere Messstellen mit eigenen teuren Bohrlöchern erfordert. Und die Forscher müssen erst einmal zeigen, dass das Verfahren auch einige Kilometer tief funktioniert, wo Geothermiebohrungen oder Entsorgungsbrunnen für Abwasser aus der Gasförderung arbeiten. Hier ist der Gesteinsdruck vielfach höher als im Experiment der Forscher – und es gelten vielleicht andere Gesetze.