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Geologie
Wandernde Steine bleiben rätselhaft

Im kalifornischen Death Valley geschehen gelegentlich Dinge, die besonders Geologen in Aufregung versetzen: Schwere Steine bewegen sich scheinbar wie von Geisterhand. Wie genau sie das machen, versuchen die Forscher seit Jahrzehnten herauszufinden.

Von Karl Urban | 01.04.2014
    Eingekeilt zwischen schroffen Berghängen aus dunklem Gestein liegt im Osten Kaliforniens eine kleines Tal. Diese Racetrack Playa, auf Deutsch "Rennbahn-Ebene", liegt auf dem Gebiet des Death Valley und ist das Bett eines ausgetrockneten Sees. Die gerade vier Kilometer lange Ebene ist so flach, dass ein Flugzeug auf ihr landen könnte. Auf dieser Racetrack Playa findet immer wieder ein merkwürdiges Naturschauspiel statt: ein Rennen von Steinen über eine Ebene ohne nennenswertes Gefälle. Die Steine bewegen sich irgendwie vorwärts und ziehen lange Spuren durch den feinen Sand – und das, obwohl sie Dutzende oder sogar Hunderte Kilogramm wiegen.
    "Es ist ein ungelöstes Rätsel. Hier gibt es diese Steine, die sich auf dem ausgetrockneten See bewegen – und niemand weiß, warum sie das tun oder wann genau."
    Steine bewegen sich etwa alle sieben Jahre
    Gunther Kletetschka von der Karls-Universität Prag ist einer von vielen Geologen, die sich an den wandernden Steinen die Zähne ausgebissen haben. Die Forscher überprüften schon viele denkbare Erklärungen: von schleimigen Algenmatten, auf denen die Steine rutschen könnten, bis zu den enormen Winterstürmen mit ungewöhnlich hohen Windgeschwindigkeiten. Und doch hat bis heute kein einziger Wissenschaftler einen Stein in Bewegung gesehen. Denn das Wetter im Death Valley lädt nicht immer zu Beobachtungen ein.
    "Die Steine haben sich in der Vergangenheit rund alle sieben Jahre bewegt – und genau in diesem Zeitintervall wollten viele Leute sie auch beobachten. Dann gab es aber einen Sturm. Sofort danach kamen sie zurück und mussten feststellen, dass sich die Steine gerade in ihrer Abwesenheit bewegt hatten. Es musste innerhalb von gerade zwei oder drei Tagen geschehen sein – und wieder hatte es niemand gesehen."
    Seit einigen Jahren beobachten automatische Kameras die Steine minutiös – doch gerade jetzt scheinen die ihre Bewegung eingestellt zu haben. Gunther Kletetschka besuchte zuletzt mit einer Gruppe US-amerikanischer Studenten das Death Valley und stellte jetzt eine weitere mögliche Erklärung vor: Am Ende des Winters wird die Ebene kurzzeitig mit Schmelzwasser der umgebenden Berge geflutet. Die Temperatur in dem Tal kann in Wüstennächten aber weit unter den Gefrierpunkt absinken – und das Gewässer entwickelt eine Eisdecke, die alle Steine umschließt.
    "Das Eis schließt den Felsen fest ein und mit der Zeit sickert von unten Wasser ein. Wie ein Eisberg im Meer hebt sich dann das Eis und trägt die Steine mit sich."
    Strömungen im flachen Wasser oder der Wind treiben die vom Eis emporgehobenen Felsbrocken dann über den flachen See. Erst wenn der Wasserpegel sinkt, beginnen die Steine auf dem Grund aufzusetzen, schleifen stärker und stärker über das Sediment, bis sie schließlich irgendwo liegen bleiben. So jedenfalls stellen sich die jungen Geologen um Gunther Kletetschka das Phänomen vor. Auch ihnen gelang es aber nicht, die Steine während des Wanderns zu beobachten.
    So dürfte das Racetrack Playa wohl auch in Zukunft ein ergiebiges Forschungsfeld für Geologen bleiben. Erschwert werden könnte ihre Arbeit allerdings durch den Stopp der Steinwanderungen: Vor neun Jahren haben die Felsen ihre Bewegung einfach eingestellt. Was genau dafür verantwortlich ist, bleibt bisher umstritten – und ist nun ein weiteres Rätsel, das gelöst werden muss.