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Geophysik
Eine salomonische Erklärung für das Aussterben der Dinosaurier

War es ein Asteroid, ein Komet oder doch der Ausbruch der Dekkan-Flutbasalte in Indien, der vor 65 Millionen Jahren die Saurier aussterben ließ? Auf der Tagung der Geologischen Gesellschaft der USA wurde eine neue Möglichkeit vorgestellt, die einen seit Langem andauernden Disput schlichten könnte.

Von Dagmar Röhrlich | 22.10.2014
    Es war in der Nähe der umbrischen Stadt Gubbio, wo Walter Alvarez in etwa 65 Millionen Jahre alten Gesteinen eine dünne Iridiumlage ausmachte. Eine solche Anomalie ist ein Hinweis darauf, dass ein Asteroid oder Komet mit der Erde kollidiert ist. Und weil vor rund 65 Millionen Jahren auch ein Massenaussterben die Dinosaurier hinweg gerafft hatte, entwickelte Alvarez die Theorie, dass eben dieser kosmische Crash die Ursache war.
    "Als der Einschlag die Erde traf, lief jedoch gleichzeitig der Ausbruch der sogenannten Dekkan-Trapp-Basalte. Unsere neuen Datierungen zufolge erreichte dieser Ausbruch in einem Zeitraum von plus minus 100 oder 200.000 Jahren um den Einschlag sein Maximum und setzte gewaltige Lavaströme frei. Die Chancen, dass so etwas zufällig passiert, sind sehr gering."
    Derzeit liefen noch genauere Datierungen, erklärt Mark Richards von der University of California in Berkeley. Weil Lava jedoch eine Weile brauche, um aus der Magmakammer aufzusteigen und auszubrechen, passten die Zahlen recht gut.
    Gewaltige Lavaströme
    Was damals in Indien passierte, ist kaum vorstellbar. Über Hunderte Kilometer hinweg stieg Magma auf, Lava ergoss sich über das Land, und die Luft füllte sich mit tödlichen vulkanischen Gasen.
    "Das Dekkan-Trapp-System war damals das größte magmatische System, und der Ausbruch lief über vier oder fünf Millionen Jahre hinweg. Unseren Datierungen zufolge brachen zum Zeitpunkt des Einschlags 70 Prozent des insgesamt geförderten Magmas aus: Es sind die größten Lavaströme, die wir kennen, und der Zusammenhang ist schwer zu übersehen."
    Forscher hatten schon früh über eine Verbindung zwischen Einschlag und Ausbruch nachgedacht. Als dann jedoch der Einschlagskrater entdeckt wurde, der Chixculub, verschwand die Idee in der Versenkung: Unter anderem war er viel zu klein, um noch Tausende von Kilometern entfernt den Erdmantel schmelzen zu lassen. Nur zur Einordnung: Um das Material für die Basaltdecken dieser Dekkan-Trapps zu produzieren, muss im Erdmantel ein Volumen von 500 Kubikkilometern Gestein geschmolzen und als Lava gefördert worden sein.
    "Die Idee wurde dann für lange Zeit fallen gelassen", sagt Mark Richards. "Wir nehmen sie in gewisser Weise wieder auf, denn wir wissen, dass Erdbeben Vulkanausbrüche auslösen können. Und nach neuen Berechnungen dürften die seismischen Wellen des Chixculub-Einschlags ausreichen, um rund um die Erde Vulkane zu aktivieren - und auch dieses spezielle System der Dekkan-Flutbasalte, das unmittelbar nach dem Einschlag diese gigantischen Lavaströme förderte."
    Hat ein Einschlag den Ausbruch beschleunigt?
    Obwohl die Magmakammer der Dekkan-Basalte sehr viel tiefer lag und um ein Vielfaches größer war, als die eines normalen Vulkans, könnten die seismischen Wellen sie regelrecht aufgeschüttelt haben. Mark Richards:
    "Allerdings sind wir in einer Zwickmühle, wenn wir den Prozess genau benennen sollen. Denn der Einschlag hat den Flutbasaltausbruch an sich ja nicht ausgelöst, sondern den bereits laufenden Ausbruch beeinflusst, und zwar so, dass sich der Aufstieg der Schmelzen zur Oberfläche beschleunigte."
    Die Berechnungen der Forschergruppe, zu der auch Walter Alvarez gehört, stimmen mit den Ergebnissen geochemischer Analysen überein. Die belegen, dass das Magma schnell an die Oberfläche aufstieg, ohne die übliche Zeit, um mit der Umgebung zu reagieren.
    "Unsere Ergebnisse könnten vielleicht ein meiner Meinung nach sehr wichtiges, wissenschaftliches Dilemma schlichten, nämlich warum wir mindestens vier Massenaussterben haben, die klar mit Flutbasaltausbrüchen verbunden sind - und nur eines, bei dem wir Ausbruch und Einschlag haben." Denn es könnte eine Verbindung geben, glaubt Mark Richards.