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Georg Friedrich Händel
"Händel ist der größte Komponist, der je gelebt hat"

"Händel ist der größte Komponist, der je gelebt hat. Ich würde mein Haupt entblößen und an seinem Grabe niederknien", sagte einst einer, der es wissen muss: Ludwig van Beethoven. Händel zählt bis heute zu den berühmtesten und wichtigsten Komponisten des Barockzeitalters. Er komponierte mehr als Bach und Beethoven zusammen und verschrieb sich dem Göttlichen in der Musik.

Von Burkhard Reinartz | 25.12.2014
    Eine Statue von Georg Friedrich Händel in seiner Geburtsstaat Halle an der Saale.
    Eine Statue von Georg Friedrich Händel in seiner Geburtsstaat Halle an der Saale. (imago/Westend61)
    "Georg Friedrich Händel unternahm es, das große wunderbare Geheimnis der Religion in Tönen zu verkünden." (E.T.A. Hofmann)
    "Die religiöse Dimension zeigt sich bei Händel natürlich am meisten in der Kirchenmusik, die er mehr oder weniger sein ganzes Leben über geschrieben hat. Er hat sie zuerst für den lutherischen Gottesdienst in seiner Heimat geschrieben, dann während seiner Jahr ein Italien für die römische und schließlich englische Kirchenmusik für den anglikanischen Ritus."
    Der Dirigent Peter Neumann hat mit den Ensembles Kölner Kammerchor und Collegium Cartesianum etliche Werke des Komponisten aufgeführt und auf Tonträgern veröffentlicht – darunter viele Oratorien.
    Georg Friedrich Händel zählt neben Johann Sebastian Bach zu den berühmtesten Komponisten des Barockzeitalters. Seine Opern, die Oratorien, die vielen geistlichen und andere Werke stehen bis heute weltweit auf den Spielplänen der großen Konzerthäuser. Joseph Haydn, Christoph Willibald Gluck und Ludwig van Beethoven zählten zu seinen Bewunderern. Letzterer schrieb: Händel ist der größte Komponist, der je gelebt hat. Ich würde mein Haupt entblößen und an seinem Grabe niederknien.
    Händel, der gebürtige Hallenser
    Georg Friedrich Händel kommt am 23. Februar 1685 in Halle, an der Saale zur Welt - im gleichen Jahr wie Johann Sebastian Bach. Seine Mutter Dorothea ist eine lutherische Pfarrerstochter, sein Vater Georg ein wohlhabender Wundarzt, der beim Herzog von Sachsen-Weißenfeld als Hofchirurg angestellt ist. Im Gegensatz zu anderen Komponisten hat Händel kaum schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen. Auch die Biografien enthalten nur vage Informationen zu seiner Kindheit. Bereits mit sechs Jahren soll Händel das Spiel am Clavicord erlernt haben.
    Sein musikalischer Werdegang beginnt, als Herzog Johann Adolf I. den achtjährigen Knaben in Weißenfels Orgel spielen hört. Gegen den Widerstand des Vaters, der den musikalischen Ambitionen seines Sohnes misstraut und auf eine akademische Laufbahn hofft, erkennt der Herzog das große Talent des Jungen.
    Beginn als Organist
    Er überzeugt den Vater, seinen Sohn den Weg des Musikers gehen zu lassen. Händel erhält Unterricht bei dem Komponisten Friedrich Wilhelm Zachau, der auch Bach beeinflusste. Bereits mit siebzehn Jahren ist Händel ein begnadeter Cembalo- und Orgelspieler und genießt einen Ruf weit über Halle hinaus.
    Von Halle an das Tor zur Welt - Hamburg
    Er tritt eine auf ein Jahr befristete Stelle als Organist der reformierten Dom- und Schlosskirche in Halle an. Dort soll er - ganz in der Tradition eines lutherischen Kantors - jede Woche eine Kantate geschrieben haben. Die Gemeinde ist eine Gründung protestantischer Glaubensflüchtlinge aus Frankreich. Sie beruft sich also nicht auf Martin Luther, sondern auf den Genfer Reformator Johannes Calvin. In den Akten der Kirche heißt es dazu: Das lutherische Subjekt Händel wird jetzt diesen Dienst vollziehen.
    Peter Neumann: "Ich nehme an, dass sich da schon seine Offenheit gegenüber Konfessionen zeigt. Händels Mutter stammt ja aus einem lutherischen Pastorengeschlecht. Sie wird mit ihrem Sohn regelmäßig die Gottesdienste ihrer Pfarrkirche besucht haben, wo er Liturgie und Grundsätze des lutherischen Glaubens aufgenommen hat. An diesen hat er zeitlebens festgehalten."
    Im Jahr 1703 verlässt Händel Halle und zieht für drei Jahre nach Hamburg, wo einige Jahre zuvor das erste deutsche Opernhaus eröffnet hat. In dessen Orchester spielt er Violine und später Cembalo. Dort und in allen weiteren Stationen seiner musikalischen Wanderschaft werden ihn die Erfahrungen seiner Kindheit und Jugend entscheidend prägen, betont der Dirigent Peter Neumann: "Händel hat immer diesen Blick in die Tiefe der Zeiten, also in seine Kindheit, zurück beibehalten und hat sich seiner musikalischen Erfahrungen erinnert. Er hat die Choräle, die er erlebt hat, zum Teil dann später wieder zitiert."
    Im Januar 1705 wird Händels erste Oper Almira mit großem Erfolg in der Hamburger Oper am Gänsemarkt aufgeführt. Er freundet sich mit Georg Philipp Telemann an, schreibt weitere musikdramatische Werke - und erkennt seine Begrenzungen. Um ein wirklicher Meister zu werden, wird er vier Jahre nach Italien, ins Ursprungsland der Oper, gehen.
    Im Lande der Oper - Italien
    Im Sommer 1706 trifft Händel in Rom ein. Dort nimmt Marchese Francesco Maria Ruspoli, einer der reichsten Männer Italiens, ihn in seinen Haushalt auf. Als Gegenleistung verpflichtet sich Händel, Musik für die Abendgesellschaften im Hause Ruspoli zu komponieren. In der Nachbarschaft befinden sich die Villen der Kardinäle Pamphili, Colonna und Ottobini, die schnell Kontakt zum "Sassone", dem aufstrebenden Sachsen suchen.
    Lutherschem Glaube bleibt er treu
    Schon bald schreibt dieser auch Sakralmusik für die römisch-katholische Messe. Die Kardinäle schmücken sich mit ihm und fördern ihn nach Kräften. Auch in Rom behält Händel seine überkonfessionelle Religiosität bei - ohne seine lutherische Herkunft aufzugeben. Peter Neumann: "Das ging dann weiter in Rom, wo er ohne mit der Wimper zu zucken katholische Kirchenmusik geschrieben hat und man ihm dann nahe gelegt hat, doch dem lutherischen Glauben abzuschwören. Doch da hat er dann gesagt, er wolle als Glied der Gemeinde leben in dem Glauben, in dem er aufgewachsen ist."
    Mit 22 Jahren der erste Psalm
    Im Januar 1707 gibt Händel ein viel beachtetes Konzert auf der größten römischen Orgel in San Giovanni in Laterano. Er ist in Rom angekommen. Peter Neumann: "In Rom hat er die römische Kirchenmusik kennengelernt, Scarlatti und Porpera, und schreibt dann in deren Stil, aber doch anders, weil viel feuriger und jünger - er ist 22 Jahre - seinen ersten Psalm, den Dixit Dominus, den 110. Psalm. Das ist ein absolutes Meisterwerk. Ich weiß nicht, ob irgendein anderer Komponist ein so enormes Werk geschrieben hat. Selbst bei Mozart habe ich da meine Zweifel. Das ist gleich im ersten Satz von umwerfenden Feuer."
    Man muss lernen, was zu lernen ist, und dann seinen eigenen Weg gehen.
    Beiname: il Sassone, der Sachse
    Während der vier Jahre, die Händel in Italien verbringt, lebt er in Rom, Neapel, Florenz und in Venedig. Dort markiert seine Oper "Agrippina" im Jahr 1709 den Durchbruch zu einem eigenen Opernstil. In Rom darf er keine Opern auf die Bühne bringen. Eine päpstliche Verordnung hatte nach dem Erdbeben von 1702 die Aufführung von Opern in Rom untersagt.
    Mit mehreren Oratorien, dem berühmten "Dixit Dominus" und einigen Opern begründet Händel in Italien seinen internationalen Ruhm. Er begegnet den Größen der damaligen italienischen Musik. Händel, der meistens nur "il Sassone, der Sachse", genannt wird, lernt unter anderem Arcangelo Corelli und die Scarlatti-Brüder kennen.
    Um 1640 schrieb Giacomo Carissimi in Rom die ersten bedeutenden Oratorien. In der Regel sind es Geschichten aus dem Alten Testament in lateinischer Sprache. Es sind kurze meist 20 bis 25- minütige Werke, oft mit einem sogenannten Historicus, der die Geschichte erzählt wie später Bachs Evangelist - immer mit eindrucksvollen Chören. Später hat sich dann die italienische Sprache durchgesetzt.
    In Rom hat Händel diese Art des Oratoriums besonders durch Alessandro Scarlatti kennengelernt. Später versteht man unter einem Oratorium eine opernähnliche Musikform - mit Rezitativen, die die Geschichte erzählen und Arien, die die Affekte darstellen und die Befindlichkeiten der verschiedenen Menschen verkörpern - das Ganze in mehreren Akten und immer in bewegende Chorsätze eingebettet.
    La Resurezziones Uraufführung mit 45 Musikern
    Peter Neumann: "Er hat dann 1708 in Rom sein erstes geistliches, in dem Fall christliches Oratorium "La resurezzione" geschrieben. Es ist die bekannte Ostergeschichte aus dem Neuen Testament, erweitert um ausgedehnte Dialoge zwischen einem Engel und Luzifer, die beide um den Körper Christ streiten. "La Resurrezione" ist ein großer Wurf des 23-jährigen Händel und übertrifft seine italienischen Vorbilder in allen Belangen."
    La Resurezzione ist ein aufwendiges Werk. Bei der Uraufführung in Rom besteht das von Arcangelo Corelli geleitet Orchester aus 45 Musikern. Die besten Solisten Roms singen die fünf Solostimmen. Die Partie der Maddalena ist nicht - wie damals oft üblich - mit einem Kastraten besetzt - sondern mit einer Frau, was zu einem Skandal führt. Der Papst droht mit der Absetzung des Stückes, wenn die Partie der Maddalena weiter mit einer Frau besetzt würde. Frauen durften damals weder in Kirchen noch auf Bühnen als Sängerinnen auftreten.
    Händels Lehr- und Reisejahre in Italien haben ihn kosmopolitisch geprägt, seine Erfolge europaweit bekannt gemacht. Schon bald wird er in England dem Höhepunkt seines Schaffens zustreben. Doch zuerst geht er von Italien nach Hannover und übernimmt als Nachfolger von Agostino Steffani die Position des Hofkapellmeisters. Dienstherr ist Georg Ludwig von Hannover. Er erhält ein üppiges Jahresgehalt und als Bonus eine großzügige Urlaubsregelung. In dem Vertrag heißt es:
    Er kann, wenn er es verlange, auf zwölf Monate oder länger, verreisen, wohin er wolle.
    Italienische Oper auf die Briten zugeschnitten
    Wovon Händel reichlich Gebrauch macht. Besonders interessiert ihn das kulturelle Leben Englands mit den aufklärerischen Denkern Isaac Newton und John Locke. Seit dem frühen Tod von Henry Purcell stagnierte die Form einer nationalsprachigen englischen Musikgattung. Das wird sich durch Händel schon bald ändern, der ein großer Bewunderer Purcells war. Peter Neumann: "Henry Purcell ist vielleicht der größte der englischen Komponisten. 30 Ich glaube, Henry Purcell war für Händel sehr wichtig als englischer Komponist, der die englische Sprache vertont hat, auch in Bezug auf Kirchenmusik. Purcell war sehr, sehr sensibel und fein, Händel dann mehr ins Große gesteigert."
    England wird seine neue Heimat
    Um die populäre Gattung der italienischen Oper in England durchzusetzen, fehlt ein Werk, das speziell auf London zugeschnitten ist. Alle Hoffnungen ruhen auf Händel, die dieser nicht enttäuscht. Während seines ersten halbjährigen Aufenthalts schreibt er 1711 das Kreuzritterdrama "Rinaldo", das einen Tag nach seinem 26. Geburtstag im Haymarket Theatre uraufgeführt wird.
    "Rinaldo", mit Händels wohl bekanntesten Arie, "Lascia ch'io pianga", markiert den entscheidenden Wendepunkt in seinem bis dahin schon sehr erfolgreichen Leben. Das Werk wird begeistert aufgenommen, allein in der ersten Saison 15 Mal gespielt und bis 1917 mehrfach wiederholt.
    Bevor Händel nach London umgezogen ist, ist er in England angekommen. Er kehrt zwar im Sommer des folgenden Jahres noch einmal an den Hannoverschen Hof zurück, aber die Entscheidung, künftig in England zu leben, ist längst gefallen. 1712 lässt er sich in London nieder wo er - abgesehen von verschiedenen Reisen - den Rest seines Lebens verbringen wird.
    Als Königin Anne, die keine Erben hat, 1714 stirbt, wird Händels Hannoveraner Dienstherr Georg Ludwig von Hannover als George I. König von England. Dieser verdoppelt Händels Bezüge und sonnt sich in dessen Ruhm.
    Händel wird Opernunternehmer
    Peter Neumann: "Die Dogmatik der verschiedenen Konfessionen hat ihn offensichtlich wenig interessiert. In einer Londoner Zeit besuchte er regelmäßig die anglikanischen Gottesdienst in St. George. Aus seinen englischen Oratorien spricht allerdings mehr eine Art Deismus, der Glaube an einen allmächtigen Gott, wie er damals in England sehr verbreitet war."
    Händel wird in London noch zahlreiche Opern schreiben - darunter "Giulio Cesare" und "Alcina" als seine vielleicht bekanntesten - und über die Gründung der "Royal Acadamy of Music" selber zum Opernunternehmer werden. Er ruft im Laufe der Jahre verschiedene Opernakademien ins Leben.
    Man kann sich heute kaum noch vorstellen, was für ein hitziges, von allen Seiten leidenschaftlich betriebenes und diskutiertes gesellschaftliches Ereignis die Oper im London und in anderen europäischen Großstädten des Barockzeitalters gewesen ist. In einem Rat an Christoph Willibald Gluck, dem großen Opernkomponisten der nächsten Generation, spottet Händel über die musikalischen Vorlieben des Londoner Publikums:
    Sie haben sich mit ihrer Oper zu viel Mühe gemacht. Hier in England ist das wahre Zeitverschwendung. Was die Engländer lieben ist, ist etwas, wozu sie Takt schlagen können, etwas was geradezu mitten ins Trommelfell einschlägt.
    Händels letzte Operm Imeneo und Deidamia haben kaum noch Erfolg. Er gerät vorübergehend in wirtschaftliche Schwierigkeiten und erleidet einen gesundheitlichen Zusammenbruch, wahrscheinlich einen Schlaganfall mit Lähmungserscheinungen. Händel erholt sich jedoch überraschend schnell und wendet sich fortan englischsprachigen Oratorien zu. In rascher Folge komponiert er die ersten Oratorien "Saul" und "Israel in Egypt". Sie werden 1739 am Haymarket Theatre aufgeführt. Peter Neumann hält Saul für Händels größtest musikdramatisches Werk
    Peter Neumann: "Schon die große Einleitung, eine viersätzige Symphonie, mit einem nachfolgendem fünfsätzigen Vokalteil, in dem der Kampf von David und Goliath beschrieben wird, ist ganz außerordentlich." "Israel in Egypt ist eine Zusammenstellung von kurzen Bibelstellen und schildert den Durchzug durchs Rote Meer. Vielleicht muss man sagen, dass es das Chorwerk von Händel ist mit den höchsten Choranteilen. " Das Oratorium war bei seiner Uraufführung nicht so erfolgreich wie Saul. Der hohe Choranteil schien das Publikum zu irritieren, das mehr solistische Nummern gewohnt war.
    1741 komponiert er "Messias"
    In den folgenden dreizehn Jahren schreibt Händel pro Jahr ein bis zwei neue Oratorien - meist komponiert nach alttestamentarischen Vorlagen. 1741 komponiert er sein wohl bekanntestes Werk, das Oratorium Messias. Die Uraufführung der in einem 23 Tage dauernden Schaffensrausch entstandenen Komposition findet in Dublin zugunsten von Schuldgefangenen und Armenkrankenhäusern statt. Händel achtet in der Folge stets darauf, dass der Erlös sämtlicher Aufführungen des Werkes armen und notleidenden Menschen zugutekommt.
    Stefan Zweig hat in den "Sternstunden der Menschheit" in einer der Erzählungen die Entstehung des Messias so beschrieben: Endlich, nach drei Wochen war das Werk vollendet. Alles war geschrieben, in Melodie und Aufschwung gestaltet, nur ein Wort fehlte noch, das letzte des Werkes: "Amen". Diese zwei knappen Silben fasste Händel nun, um aus ihnen ein klingendes Stufenwerk bis in den Himmel zu bauen. Den einen Stimmen warf er sie zu, in wechselndem Chor, er dehnte sie und riss sie immer wieder auseinander, um sie immer wieder neu und noch glühender zu verschmelzen. Und wie Atem fuhr seine Inbrunst in dieses Ausklangswort seines großen Gebetes, dass es weit war wie die Welt und voll ihrer Fülle.
    Peter Neumann: "Seine einmalige Bedeutung hat der Messias wohl vor allem dadurch, dass es eine überkonfessionelle Vertonung der ganzen christlichen Heilsgeschichte ist. Die biblischen Texte sind zum großen Teil aus dem Alten Testament übernommen und so zusammengestellt, dass die Verheißung der Propheten und Psalmisten indirekt das Leben von Jesus Christus erzählt. Nur in der Engelsbotschaft der Weihnachtsgeschichte wird kurz Lukas II zitiert. Natürlich gibt es wunderbare Musik im Messias, aber die Palme gebührt eher den großen Handlungsoratorien: Saul, Jephta, Theodora, Solomon."
    Solomon eröffnet die Reihe der letzten Oratorien Händels. Dem Text liegt das alttestamentarische Buch der Könige zugrunde. Bei der Uraufführung im Convent Garden steht den acht Solisten ein achtstimmiger Chor gegenüber. Peter Neumann: Das grandioseste Stück in Solomon ist der Chor "Praise the Lord" wo Händel sich einmal erinnert an einen Luther-Choral aus Jesaja, dem Propheten. Da kommt eine Zeile: "Heilig ist der Gott Zebaoth". Und die setzt auf dem Höhepunkt der ohnehin schon sehr mitreißenden Entwicklung ein. 43 Das Ganze ergibt dann den außerordentlichsten himmlischen Jubelchor, der nur mit Bachs Sanctus aus der h-Moll-Messe verglichen werden kann.
    Im Schatten von Bach
    Georg Friedrich Händel hat im Laufe seines Lebens mehr komponiert als Bach und Beethoven zusammen. Peter Neumann: "Händel war wirklich erstaunlich produktiv. Man glaubt es ja nicht, dass er für eine Oper oder eine Oratorium weniger als einen Monat gebraucht hat, um Musik von einer Dauer von über drei Stunden nieder zu schreiben. Den Messias sogar noch kürzer. Das schafft man, wenn man nicht denkt, sondern nur schreibt. Das war nur bei Mozart so ähnlich."
    Der Komponist stand sehr lange im Schatten von Bach, dessen Vollkommenheit und Perfektion in der Komposition - von der Polyfonie bis zu den Fugen - Händel so nie angestrebt hat. Bachs Fugen wirkten schulbildend bis in die Akademien des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts. Peter Neumann: "Johann Sebastian Bach ist wie Mozart ein unbegreifliches Genie der Menschheitsgeschichte. Man könnte sage: Niemand hat wie er Geist und Seele in eine so vollendete musikalische Balance gebracht. Händels Genie ist von ganz anderer Art. Ihm ging es vor allem um die Darstellung menschlicher Seelenzustände: Trauer, Klage, Lebensfreude. Und diese bringt er mit seiner Begabung für dramatische Spannung, Pathos, Grandiosität in einer Weise zum Klingen, dass seine Musik uns auch heute noch direkt erreicht. Er hat für manche Regungen und Zustände der Seele dann musikalische Möglichkeiten gefunden, die sonst niemand gefunden hat. Nehmen wir die Klagearien, die Klagechöre."
    Peter Neumann: "Die größte Ausdehnung haben ja seine Opern und Oratorien. Und trotzdem denke ich, dass Händel ganz sicher ein religiöser Mensch gewesen ist und dass dieses durch seine ganze Musik hindurch scheint. Man könnte sagen, dass Händel zwischen weltlich und religiös changiert, aber ich glaube, dass in dem Weltlichen das Transzendente nicht aufgehört hat zu existieren und das es manchmal mehr oder weniger durchscheint. Sicher ist ein Beispiel das "Ombra mai fu" aus Giulio Cesare, wo man den Schatten eines Baumes besingt und man trotzdem das Gefühl hat, wahrscheinlich ist in den Gedanken von Cesar noch etwas, was auch einen religiösen Inhalt hat."
    Während der Arbeit an "Jephta" beginnt Händel 1751 zu erblinden, was ihn allerdings nicht daran hindert, als Organist und Dirigent die Bühnenfassungen seiner Oratorien zu leiten. Noch eine Woche vor seinem Tod spielt er bei einer Aufführung des "Messias" die Orgel. Georg Friedrich Händel stirbt am Karsamstag, den 14. April 1759 mit 74 Jahren in seiner Wohnung und wird in der Westminster Abbey beigesetzt. In seinen wenigen erhaltenen Notizen findet sich der Satz:
    Mag schwinden das Leben, mag nahen der Tod. Wir können nicht sinken, denn der Helfer ist Gott.