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"George Bush ist freundlicher geworden"

Der SPD-Politiker Karsten Voigt sieht eine enge Abstimmung zwischen Europäern und den USA im Atomstreit mit Iran. US-Präsident George Bush sei in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung zurückhaltender gewesen. Grund dafür sei vor allem, dass sich die Zustimmung in den USA für Militäreinsätze verringert habe, sagte der Koordinator für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit.

Moderation: Dirk Müller | 20.09.2006
    Dirk Müller: "Wir geben keinen Deut nach. Wir werden weiter kämpfen, bis wir den Terror besiegt haben." So George Bush vor gut einer Woche am 11. September in New York. Gestern am späten Abend der Schauplatz wieder New York, diesmal die Eröffnung der UNO-Vollversammlung. Erst hat der amerikanische Präsident seine Politik der Weltgemeinschaft vorgestellt und dann wenig später der iranische Präsident. Am Telefon ist nun der SPD-Politiker Karsten Voigt, Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Guten Morgen!

    Karsten Voigt: Guten Morgen Herr Müller!

    Müller: Herr Voigt, warum wird der Iran zunehmend selbstsicherer?

    Voigt: Ich glaube in der Fehleinschätzung der Lage, weil Herr Ahmadinedschad natürlich mit seinen Appellen gegen Israel, seinen Appellen an die islamische Welt, dort auf der Straße und auch bei einigen Regierungen, an Boden gewinnt, aber gleichzeitig muss man sagen, dass er dadurch, dass er bisher nicht konstruktiv genug auf die Vorschläge der Europäer eingegangen ist, die Wahrscheinlichkeit von Sanktionen erhöht, wenigstens solange er seine Haltung nicht ändert.

    Müller: Das heißt der Eindruck trügt, dass George Bush diplomatischer wird?

    Voigt: Nein. George Bush ist ganz eindeutig von dem Bemühen gekennzeichnet gewesen, in seiner Rede die Gemeinsamkeit mit den Europäern um eine friedliche Lösung zu unterstreichen. Er hat auch anders als in anderen Reden die Möglichkeit einer militärischen Option nicht erwähnt.

    Er hat umgekehrt die Lösung um eine friedliche Beilegung des Konflikts unterstrichen und er war auch in der Tonlage wesentlich zurückhaltender als in früheren Reden und dass er die Möglichkeit von Sanktionen erwähnt hat, das trennt ihn nicht von den Europäern, denn die schließen die auch nicht aus. Insofern ist die Rede von George Bush wenigstens in diesen Passagen, die den Iran betreffen, wie gesagt etwas, was ihn mit den Europäern eher verbindet, als dass es ihn trennt.

    Müller: Hat George Bush die militärische Option nicht mehr erwähnt, weil es in einem realistischen Szenario diese militärische Option nicht mehr gibt?

    Voigt: Ich glaube er hat sie auch deshalb nicht erwähnt, weil er weiß, dass das in den USA selber inzwischen ausgesprochen unpopulär ist. Wir haben ja auch bevorstehende "midterm elections" in den USA und er weiß natürlich auch, dass das etwas ist, was bei seinen europäischen Partnern schlecht ankommen würde.

    Man muss aber wissen, dass nicht nur er, sondern jeder amerikanische Präsident vom Prinzip her, auch wenn er es nicht erwähnt, eine solche Option nie grundsätzlich ausschließt. Aber umgekehrt, auch wenn er sie nicht grundsätzlich ausschließt, bedeutet das keinesfalls, dass entsprechende Vorplanungen oder erst recht Entscheidungen in einer solchen Richtung in den USA getroffen sind.

    Müller: Herr Voigt, um das noch mal klarzustellen. Umgekehrt gefragt: Es gibt also noch diese militärische Option?

    Voigt: Es gibt im Prinzip immer noch die Möglichkeit einer solchen militärischen Option, aber praktisch ist sie in den Hintergrund getreten und sie spielt natürlich bei den Europäern überhaupt keine Rolle.

    Müller: Musste George Bush europafreundlicher werden?

    Voigt: Er ist bereits freundlicher geworden. Auf jeden Fall ist er in seiner Politik jemand geworden, der sich in der Iran-Politik abstimmt mit den Europäern. Das ist schon seit den Vereinbarungen über eine solche Abstimmung in Mainz zwischen Gerhard Schröder und Bush der Fall, aber das ist in den nachfolgenden Jahren und Monaten und jetzt auch mit der neuen Bundesregierung noch intensiver geworden.

    Müller: Haben Sie den Eindruck, dass die Europäer dies wiederum wollen? Beispiel Paris.

    Voigt: Was meinen Sie jetzt damit, dass die Europäer eine Abstimmung mit den Amerikanern wollen?

    Müller: Genau. Wir konnten ja in den vergangenen Tagen lesen, dass der französische Staatspräsident gesagt hat, wir verhandeln mit dem Iran ohne Vorbedingungen. Zumindest wollen wir das. Also entgegen den Bedingungen, die Washington stellt.

    Voigt: Zumindest in den offiziellen Gesprächen kann man überhaupt nicht erkennen, dass es irgendwie Brüche in der westlichen Zusammenarbeit zwischen den Europäern und den Amerikanern gibt. Ich habe selber in meinem Leben manchmal Schwierigkeiten gehabt, Tonlagen, Äußerungen eigener deutscher Politiker immer im Einzelnen zu verstehen oder zu erläutern. Deshalb kann ich auch nicht jede Äußerung jetzt aus Paris auch in der Tonlage beurteilen. Aber in der Sache gibt es eine ganz enge Abstimmung zwischen den Europäern und den Amerikanern, auch zwischen den Europäern, auch mit den Franzosen.

    Müller: Aber es geht ja, Herr Voigt, auch um die Instrumente: Wie kann ich bestimmte Dinge durchsetzen gegenüber Teheran. Da ist immer von Sanktionen die Rede, was Washington zumindest als Option androhen will. Da gibt es auch Streit untereinander. Sind diese alten Risse, die es gegeben hat seit dem Irak-Krieg, denn immer noch sichtbar?

    Voigt: Ich glaube weniger, dass es Streit ist, als dass es Akzentunterschiede sind. Der französische Präsident hat ja nicht gesagt, Sanktionen seien prinzipiell ausgeschlossen. Er hat ja nur gesagt, wir sind jetzt gerade ein bisschen weiter vorangekommen mit dem Iran, deshalb sollte man sie gegenwärtig nicht erwähnen. Und dass die Amerikaner immer auf Sanktionen drängen, ein bisschen pushen, das ist einerseits ihre Haltung. Andererseits ist das natürlich auch etwas, wo beide Seiten des Atlantik sich auch wechselseitig ergänzen. Die einen verhandeln und die anderen drücken noch stärker.

    Müller: Inwieweit - Sie haben das eben kurz angesprochen - ist denn der Druck relativ groß in den Vereinigten Staaten auf den Präsidenten, moderatere Töne einzuschlagen?

    Voigt: Das ist ganz eindeutig der Fall. Die Ereignisse und die Entwicklungen der Konflikte im Irak haben die Zustimmung in der Bevölkerung und im Kongress für ein neues militärisches Vorgehen überhaupt nicht erhöht, sondern im Gegenteil dramatisch verringert. Darauf muss der Präsident Rücksicht nehmen; darauf nimmt er Rücksicht. Insofern hat auch die Veränderung der Stimmungslage in den USA Europäer und Amerikaner näher zueinander geführt.

    Müller: Der SPD-Politiker Karsten Voigt war das, Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Voigt: Auf Wiederhören!