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Georgien
"Wir haben alle Tests der Demokratie bestanden"

Georgien will in die NATO und Mitglied der EU werden. Gewaltausbrüche wie in der Ukraine seien ausgeschlossen, sagte die georgische Außenministerin Maia Panjikidze im Deutschlandfunk. Dank gravierender Reformen sei Georgien anders als 2008 reif für die EU und das Militärbündnis - trotz massivem Druck aus Russland.

Maia Panjikidze im Gespräch mit Friedbert Meurer | 31.01.2014
    Die georgische Außenministerin Maia Panjikidze
    Die georgische Außenministerin Maia Panjikidze (dpa / picture-alliance / Alexander Imedashvili)
    Friedbert Meurer: Heute beginnt in München die Internationale Sicherheitskonferenz. Aus der einstigen Wehrkundetagung ist längst ein ziemlich bedeutendes Forum geworden. Ein solch internationales Treffen gibt es sonst an keinem anderen Tag im politischen Jahreskalender Deutschlands.
    Also viel Prominenz bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Aus den USA kommen Außen- und Verteidigungsminister, vielleicht aus der Ukraine Oppositionsführer Vitali Klitschko. Zu den Teilnehmern gehört auch die Außenministerin Georgiens, Maia Panjikidze. Sie ist schon in München eingetroffen. Ich habe vor der Sendung mit ihr gesprochen. Guten Morgen!
    Maia Panjikidze: Guten Morgen!
    Meurer: Georgien ist ja ein kleines Land, Frau Panjikidze, weniger als fünf Millionen Einwohner. Haben Sie da überhaupt bei der Konferenz eine Chance, sich Gehör zu verschaffen?
    Panjikidze: Ich glaube schon. Das ist nicht das erste Mal, dass Georgien an dieser Konferenz teilnimmt. Für mich ist das die sechste oder siebte Teilnahme sogar. Ich war drei Jahre Botschafterin in Berlin und alle dreimal war ich dabei und schon das zweite Mal als Außenministerin, und letztes Jahr habe ich sogar eine Rede in einer Panel-Diskussion gehalten und ich glaube schon, dass wir, vertreten mit dem Ministerpräsidenten, mit dem Verteidigungsminister und ich bin auch dabei, wir haben wirklich was zu sagen hier.
    "Die europäische und euro-atlantische Integration ist sehr wichtig für uns"
    Meurer: Georgien will in die NATO und in die Europäische Union, also wie die Opposition in der Ukraine Mitglied der EU werden will. Werden wir in Georgien darüber ähnliche Auseinandersetzungen und sogar Gewaltausbrüche erleben wie in der Ukraine?
    Panjikidze: Nein. In Georgien ist das ausgeschlossen. In Georgien ist es ganz klar, was die außenpolitischen Prioritäten des Landes sind, und das seit der Unabhängigkeit. Seit zwei Jahren verfolgen wir diesen Kurs. Die europäische und euro-atlantische Integration ist sehr wichtig für uns und nicht nur für die Regierung, sondern auch für das Volk.
    Meurer: Ihre Sympathie gilt damit den pro-europäischen Kräften in der Ukraine. Wie wichtig ist für Georgien die weitere Entwicklung?
    Panjikidze: Sehr wichtig, weil Ukraine ist ein befreundetes Land. Wir sind diesen Weg gemeinsam gegangen. Wahrscheinlich wissen Sie noch, dass in Bukarest 2008 gesagt wurde, dass die Ukraine und Georgien Mitglieder der NATO werden. Dann sind wir gemeinsam in die Ostpartnerschaft eingezogen und leider hat Ukraine diesen Weg verlassen. Wir hoffen sehr, zunächst einmal, dass es ohne Gewalt auskommt in der Ukraine, dass die Opposition und die Regierung einen Weg zum Dialog finden, und dass letztendlich die Ukraine auf diesen Weg zurückkehrt.
    "Ich glaube, die Europäische Union kann vermitteln"
    Meurer: Was soll die Europäische Union tun gegenüber der Ukraine? Sanktionen?
    Panjikidze: Das weiß ich nicht. Das ist vielleicht zu übertrieben. Ich glaube, die Europäische Union kann vermitteln und die beiden Seiten zueinander bringen und dazu beitragen, dass alles am Tisch entschieden wird und nicht auf der Straße.
    Meurer: Sie sagen, Frau Panjikidze, Georgien will in die Europäische Union, in die NATO. Russland wird da auch eine Rolle spielen. Russland wird vorgeworfen, die Annäherung der Ukraine zur EU hintertrieben zu haben. Blüht das Ihrem Land vielleicht auch?
    Panjikidze: Russland hat in Georgien praktisch alle Instrumente zur Geltung gebracht, um Druck auszuüben. 20 Prozent unseres Territoriums sind okkupiert, zwei Gebiete von Georgien sind als unabhängige Länder anerkannt. Mehr Druck ist kaum vorstellbar. Aber vielleicht gibt es noch andere Mittel, irgendwie Druck auf uns auszuüben. Aber was ganz sicher ist: Die Regierung und das Volk sind sich einig, das ist der Weg, den wir gehen wollen, und wir hoffen sehr, dass dieser Druck ausbleibt. Vielleicht lernen alle aus dem Fall der Ukraine.
    Meurer: Welche anderen Mittel kann sich da Moskau einfallen lassen? Gaslieferungen?
    Panjikidze: Wir sind nicht mehr so abhängig von Moskau, was die Gaslieferung anbetrifft, und auch das Handelsembargo kann unserem Land nicht mehr so schaden, wie es 2006 geschadet hat.
    Meurer: Was könnte Ihnen denn blühen?
    Panjikidze: Ich weiß es nicht. Da sind der Kreativität wahrscheinlich keine Grenzen gesetzt. Jetzt sind bald die Olympischen Spiele in Sotschi. Wir hoffen sehr, dass wir keine Überraschungen da sehen werden, zum Beispiel abchasische oder südossetische Delegationen als offizielle Delegationen oder Ähnliches.
    Meurer: Sie selbst, Georgien schickt keine offizielle Delegation zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi. Sotschi liegt ja für Sie gleich um die Ecke. Warum keine offizielle Delegation?
    Panjikidze: Wir haben keine diplomatischen Beziehungen mit Russland. Daher ist das gar nicht möglich. Aber unser olympisches Team wird nach Sotschi reisen, das ist ein kleines Team. Wir sind nicht so gut in Winterspielen. Aber ich hoffe trotzdem, dass wir erfolgreich sind.
    "Wir sind sogar bereit, mit Russland zusammenzuarbeiten in Sicherheitsfragen"
    Meurer: In Sotschi will sich Russland ja als ein modernes Land präsentieren, als ein Staat, der solche gewaltigen Spiele stemmen kann. Welchen Effekt erwarten Sie von den Olympischen Spielen in Sotschi?
    Panjikidze: Zunächst einmal hoffe ich, dass alles friedlich ausgeht und dass das wirklich friedliche Spiele werden und sie nicht politisiert werden. Das ist zunächst einmal mein Wunsch. Wir sind sogar bereit, mit Russland zusammenzuarbeiten in Sicherheitsfragen. Leider ist Russland auf unser Angebot nicht zurückgekommen. Daher weiß ich nicht, wie das alles dort ablaufen wird. Aber ich hoffe sehr, dass es für die Teilnehmer, für die Delegationen und für alle ein Erfolg wird.
    Meurer: Jetzt ist es ja so, Frau Panjikidze, dass Deutschland vor einigen Jahren Georgien ausgebremst hat; auf dem Weg in die NATO war das. Das war nach dem August 2008, als Georgien mit Truppen nach Süd-Ossetien einmarschiert ist. Das hat die EU verurteilt und das hat dafür gesorgt, dass Berlin damals unter Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ziemlich missgestimmt war gegenüber Georgien. Hat sich das verändert?
    Panjikidze: Zunächst einmal würde ich sagen, dass Georgien nicht mit den Truppen nach Süd-Ossetien einmarschiert ist. Das ist eine lange Geschichte, so einfach ist das nicht gesagt.
    "Wir haben sehr viel Gutes getan in den letzten Jahren"
    Meurer: Wurde damals in einem Untersuchungsbericht der EU so formuliert.
    Panjikidze: Es ist nicht so ganz, so ungefähr vielleicht, aber nicht ganz und nicht hundertprozentig. Aber was die NATO-Integration von Georgien anbetrifft, da war nicht nur Deutschland, sondern auch die anderen Länder waren der Meinung, dass Georgien noch nicht reif war für den NATO-Beitritt. Aber jetzt sind schon einige Jahre nach 2008 vergangen. Wir haben sehr viel Gutes getan in den letzten Jahren und besonders im letzten Jahr. Das sind gravierende Reformen, die durchgeführt worden sind. Das ist eine sehr erfolgreiche Präsidentschaftswahl, was einige Monate zurückliegt. Ich glaube, wir haben alle Tests der Demokratie bestanden, und jetzt hoffen wir sehr, dass beim nächsten NATO-Gipfel dieser Progress, den Georgien erzielt hat, auch entsprechend gewürdigt wird.
    Meurer: Und in Sachen EU-Beitritt - im August soll unterzeichnet werden ein EU-Assoziierungsabkommen. Haben Sie da die volle Rückendeckung aus Berlin?
    Panjikidze: Absolut! Ich glaube, die Europäische Union sieht das auch als einen Erfolg, dass Georgien dieses Abkommen paraphiert hat in Vilnius. Alle EU-Länder und Brüssel sind sich einig, dass Georgien und Moldau im August dieses Abkommen unterzeichnen werden.
    Meurer: Was hat die Europäische Union davon, mit Georgien ein Assoziierungsabkommen abzuschließen, auch auf die Gefahr hin, damit Russland zu verprellen?
    Panjikidze: Ich glaube, es ist im Interesse der EU, den Rahmen der Demokratie, der Stabilität, zu erweitern, und durch dieses Assoziierungsabkommen wird genau das gemacht. Außerdem besteht der Reiz von Europa in der Einheit von Vielfalt, und zu dieser Vielfalt kann auch Georgien beitragen.
    Meurer: Ich habe mal den Amnesty-Jahresbericht gelesen über Georgien. Da heißt es beispielsweise, dass die Polizei bei der Auflösung von Demonstrationen exzessive Gewalt einsetze. Ist Georgien wirklich reif, Mitglied im demokratischen Verbund der EU zu werden?
    Panjikidze: Das war vor Jahren und das war während der früheren Regierung. Jetzt ist eine andere Regierung an der Macht in Georgien und es sieht jetzt ganz anders aus.
    "Es wurden Menschenrechte in Georgien verletzt"
    Meurer: Was ist an dem Vorwurf, dass jetzt die Vertreter der alten Regierung juristisch verfolgt würden in Georgien?
    Panjikidze: Ja, eben! Sie haben ja gerade gesagt, es wurden Menschenrechte verletzt, und wahrscheinlich ist das für alle verständlich, dass wenn Menschenrechte verletzt werden, muss der Staat entsprechende Maßnahmen ergreifen.
    Meurer: Das ist also die gerechte Strafe und keine politische Abrechnung?
    Panjikidze: Auf keinen Fall ist das eine politische Abrechnung. Alle sind vor dem Gesetz gleich und die Gerichte werden entscheiden, wer schuldig ist und wer nicht.
    Meurer: Maia Panjikidze, die Außenministerin Georgiens nimmt heute und morgen an der Münchner Sicherheitskonferenz teil. Sie war jetzt bei uns im Deutschlandfunk im Gespräch. Ich bedanke mich bei Ihnen. Auf Wiederhören, Frau Panjikidze.
    Panjikidze: Danke schön und auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.