Dienstag, 19. März 2024

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Geplante Kürzungen beim Fulbright-Stipendium
"Versuch, Internationalismus zurückzudrängen"

Das US-Außenministerium hat angedroht, Kürzungen beim deutsch-amerikanischen Fulbright-Stipendium vorzunehmen. Für Oliver Schmidt, den Direktor der Stipendiums-Kommission, ist das Teil einer übergreifenden Kürzungskampagne des Ministeriums. Ob 71 Prozent des amerikanischen Anteils wirklich wegfallen, werde aber zunächst verhandelt, sagte er im Dlf.

Oliver Schmidt im Gespräch mit Jörg Biesler | 21.03.2018
    Sawsan Chebli, Staatssekretärin für Bürgerliches Engagement und Internationales, und Oliver Schmidt, Geschäftsführender Direktor der deutsch-amerikanischen Fulbright- Kommission, halten, gemeinsam mit Studenten und Wissenschaftlern gelbe und blaue Gasluftballons vor dem roten Rathaus in Berlin
    Oliver Schmidt, Geschäftsführender Direktor der deutsch-amerikanischen Fulbright- Kommission (4.v.l.), bei einer Ballon-Aktion gegen Kürzungen beim deutsch-amerikanischen Fulbright-Stipendium (dpa / Annette Riedl)
    Jörg Biesler: Gestern haben Sie hier vielleicht gehört im Radio, dass vor dem Roten Rathaus in Berlin Ballons aufgestiegen sind aus Protest gegen Kürzungen im Fulbright-Stipendium-Programm, das haben wir ja hier gegen Ende der Sendung gemeldet. Das Fulbright-Programm ist ein amerikanisches Programm, mit dem seit den 50er-Jahren mehr als 46.000 Stipendiaten zum Studium in das jeweils andere Land gegangen sind, also aus den USA nach Deutschland oder von Deutschland in die USA. Das gibt es auch noch für viele andere Länder. Es dient dazu, dass Studierende ein Semester, ein Jahr im anderen Land verbringen, aber auch Nachwuchswissenschaftler, Lehrer oder Hochschulexperten. Viele dieser Austauschstudenten haben anschließend Verantwortung getragen in ihrem Land als Abgeordnete, zum Beispiel Minister oder auch als Regierungschefs.
    Am Telefon ist jetzt Oliver Schmidt, der Direktor der deutsch-amerikanischen Fulbright-Kommission. Guten Tag, Herr Schmidt!
    Oliver Schmidt: Schönen guten Tag, Herr Biesler!
    Biesler: Das sind nicht die ersten Kündigungsandrohungen, die Ihnen sozusagen entgegengehalten werden. Das gab es schon mehrfach. Das letzte Mal konnte es durch eine Internetkampagne verhindert werden, dass Ihnen die Mittel gestrichen wurden. Wie ernst ist es diesmal?
    Schmidt: Nun, in den letzten 30 Jahren gab es drei Versuche, um genau zu sein: unter Clinton, unter Obama und jetzt bei der gegenwärtigen Regierung. Man denke, die ersten beiden Namen sind Demokraten, bei Clinton war es nicht so schlimm. Obama wurde tatsächlich dann mit einer internationalen Kampagne mit 20- bis 40.000 Einschreiben zurückgedrängt, und jetzt gab es im letzten Jahr und jetzt wieder den Versuch, Fulbright zu kürzen. Das ist richtig.
    "Teil einer Kürzungskampagne im Außenministerium der USA"
    Biesler: Was steht denn jetzt dahinter? Jetzt wäre es ja irgendwie logischer als man es vielleicht meinen würde bei Obama, dass Präsident Trump mit seiner "America first"-Politik sagt, jetzt kein Geld mehr für Ausländer.
    Schmidt: Nun, das ist jetzt die Frage, was die Strategie dahinter ist und wie man das interpretiert. Also ich selbst neige jetzt zu meinen, die ersten beiden Kürzungsversuche waren innenpolitisch und außenpolitischen Prioritäten geschuldet, da wollten Clinton und Obama einfach andere Prioritäten setzen. Jetzt bei Trump streitet man ja weithin seit eineinhalb Jahren darum, was steht hinter der ganzen Administration.
    Ich glaube, in unserem Falle ist es eine Mischung. Zunächst mal gilt die Kürzung nicht Fulbright im Speziellen, sondern dem State Department im Allgemeinen. 30 Prozent Kürzung, die auch von dem jetzt ausscheidenden Rex Tillerson akzeptiert werden. Er sagt, er kommt mit diesen 30 Prozent Kürzungen auch zurecht.
    Insofern ist Fulbright nur Teil einer insgesamten Kürzungskampagne im Außenministerium der USA, und ob "America first" damit gemeint ist oder nicht, ich denke, wenn man genau hinguckt, wird man sagen, dass das Fulbright-Programm auf eine perfide Art schon "America first" ist, also ein binationales Programm, bei dem die Hälfte mindestens, im deutschen Fall sogar zwei Drittel, von der anderen Seite jeweils getragen wird. Insofern werden viele von den amerikanischen Studenten, die nach Deutschland gebracht werden, auch von der deutschen Regierung und den Wissenschaftsministerien bei uns mitgetragen, sollte also ein Interesse der amerikanischen Regierung sein, dieses Programm weiterzuführen.
    "Was jetzt passiert, ist Routine"
    Biesler: Deshalb gibt es einen besonders intensiven Austausch mit Deutschland, weil die deutsche Seite besonders viel Geld dafür zur Verfügung stellt. Wenn ich jetzt lese, dass das bei Ihnen 71 Prozent sind, die vom amerikanischen Anteil wegfallen, könnte der denn ausgeglichen werden von der deutschen Seite?
    Schmidt: Na ja, die zweite Frage würde ich erst mal mit der ersten verknüpfen: Ist das wirklich sozusagen ein ernsthafter Vorschlag, diese 71 Prozent, und da sollte man einen Schritt zurückgehen und sagen, erst mal, was jetzt passiert, ist Routine. Das hängt jetzt nicht von dieser Administration ab, sondern das Weiße Haus macht einen Vorschlag zum Jahresbeginn, in dem Fall das OMB-Office of Management and Budget. Meistens ein radikaler Vorschlag …
    Biesler: Aber Sie nehmen ihn so ernst, dass Sie Luftballons steigen lassen.
    Schmidt: Das mindestens, und damit werden wir es auch verhindern, bestimmt, aber ich würde noch mal sagen, also dieser Vorschlag kommt, und jetzt erst geht es los mit der ganzen Verhandlung. In Amerika heißt es "it’s a long conversation". Das geht jetzt über sechs Monate zwischen Weißem Haus und dem Kongress hin und her, und Sie müssen nach wie vor daran denken, dass in den USA der Kongress über Fulbright, aber auch viele andere Programme bestimmt.
    Das letzte Wort hat der Kongress, und es ist ein congressional program, es wurde von dem Senator Fulbright gegründet, der das 25 Jahre persönlich betreut hat. Insofern gibt es nach wie vor viele Nachfolger für ihn im Kongress, die sich persönlich dieses Programmes annehmen, das heißt, für das Programm.
    Im Einzelnen sehe ich gar nicht so schwarz, wie es die 71 Prozent vermuten lassen, aber natürlich, sozusagen der Versuch im Außenministerium, Internationalismus zurückzudrängen, der ist ernst zu nehmen, aber es gibt nicht nur die 46.000 Deutschen und Amerikaner, die im Programm sind. Sie müssen sich vorstellen, 380.000 Fulbrighter und noch viele weitere Austauschprogramme mehr, also es gibt schon auch noch nach wie vor eine ganz große Gruppe, die man aktivieren kann, und heute, wie wir wissen, schneller denn je.
    Biesler: Oliver Schmidt, Direktor der deutsch-amerikanischen Fulbright-Kommission. Sie haben es gerade gehört: Drohungen gibt es, was Kürzungen betrifft, von der amerikanischen Regierung, aber er ist überzeugt davon, dass am Ende doch nichts dabei rauskommt und die Finanzierung weiterläuft. Vielen Dank!
    Schmidt: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.