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Geplante Warhol-Versteigerung
"Müssen versuchen, einen Präzedenzfall zu verhindern"

Zwei Werke von Andy Warhol aus öffentlichem Besitz sollen versteigert werden. Die Direktoren vieler Kunstmuseen in Nordrhein-Westfalen wollen das verhindern. Denn wenn die öffentliche Hand damit anfange, Kunst zu versteigern, könnten es ihr notleidende Kommunen gleichtun, befürchtet Susanne Titz vom Museum Abteiberg in Mönchengladbach im DLF.

Susanne Titz im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 15.10.2014
    Burkhard Müller-Ullrich: Und jetzt kommt erst mal ein Zitat: „Das Land Nordrhein-Westfalen ist eine der wichtigsten kulturellen Regionen der Welt, ein Land mit einer weltweit unvergleichlichen Bedeutung für die Entwicklung hin zur heutigen internationalen Gegenwartskunst. Nach dem Verlust der Faktoren Kohle und Stahl droht nun der Verlust des Faktors Kultur. Die Versteigerung der Warhol-Werke ist ein Tabubruch." - So steht es in einem Brief an die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin und ihre ganze Regierung, den 26 Direktoren und Direktorinnen von Kunstmuseen unterzeichnet haben, darunter Sie, Susanne Titz, vom Museum Abteiberg in Mönchengladbach. Sagen Sie, drehen Sie da nicht ein bisschen auf? Soweit ich weiß, befinden sich die Warhols ja gar nicht in irgendeiner Ausstellung, sondern verstauben im Lager.
    Susanne Titz: Wir drehen bewusst etwas auf, weil wir den Eindruck haben, dass es wirklich fällig ist, über die Werke in öffentlichem Kulturbesitz, in öffentlichem Besitz zu sprechen, die unter Umständen in Gesellschaften von öffentlichen Trägern nun bedroht sind. Es ist ja so, dass wir dort schon beobachten können, es ist ein mittelbarer Landesbesitz, der da zur Versteigerung ansteht, und darüber weiß die Öffentlichkeit nichts, und darüber, wie man jetzt auch begründet, sich von solch kapitalen Kunstwerken zu trennen, wissen wir leider auch nicht wirklich.
    Müller-Ullrich: Sie sagen, kapitale Kunstwerke. Aber es sind ja nun mal zwei Bilder, um die es geht, und nicht etwa ganze Museumsinhalte. Warum dann gleich von einem Tabubruch reden?
    Titz: Weil es ein Präzedenzfall werden könnte. Das Problem ist ja, dass wir in den Kommunen, im Land, im Bund jetzt spüren, wie die problematischen Haushalte natürlich Druck ausüben auf alle möglichen Fragestellungen, wo kann man Geld bekommen, wie kann man irgendwo auch Schulden tilgen, und dies erzeugt natürlich ein großes Problem für den Kunstbesitz, weil die Frage ist naheliegend - und das hatten wir schon ein paar Mal -, die Frage ist dann naheliegend, ob man nicht mit dem Verkauf von Kunstwerken das eine oder andere Problem lösen kann.
    Müller-Ullrich: Ja! Und das wird ja auch schon gemacht. Ich meine, die öffentliche Hand verkauft Wohnhäuser und Bahnstrecken und Wasserwerke und was weiß ich noch. Warum nicht auch ein paar Bilder?
    Titz: Sie sollte das aber einmal öffentlich diskutieren und sollte auch nochmals darüber nachdenken, dass wir alle in der UNESCO entschieden haben, dass es sich für die Kunst ähnlich verhält wie für Denkmäler. Wir müssen begründen, warum wir ein Denkmal abreißen wollen, obwohl es geschützt ist. Wir müssen genauso auch gemäß der Regeln der UNESCO begründen, warum wir einen öffentlichen Besitz zu Geld machen wollen.
    Müller-Ullrich: Was steht denn da tatsächlich bei der UNESCO? Es ist ja nicht verboten, Werke zu verkaufen.
    Titz: Öffentliches Kulturgut genießt Schutz durch die öffentliche Hand und durch die Treuhänder. Das sind wir. Und dieser Kulturschutz macht sich zum Beispiel auch bemerkbar dort, wo es um den Export von nationalem Wert geht. Es gibt ja auch die Verhinderung von Exporten oder Verkäufen wichtiger nationaler Kulturgüter, ...
    Müller-Ullrich: Was bei Warhol ja wahrscheinlich nicht gegeben sein dürfte.
    Titz: Beim Warhol geht es sozusagen wieder in die Heimat. So kann man es auch sagen. Aber überlegen Sie einmal: Es ist ein Teil der grandiosen Sammlungsgeschichte von Nordrhein-Westfalen, die ja in den 60er-, 70er-Jahren, sicherlich auch beeinflusst durch die Sammlung Ludwig, daran ging, nicht nur für die Museen zu erwerben, sondern auch Kunst am Bau, Kunst im öffentlichen Raum, Kunst für öffentliche Gebäude zu erwerben, und dazu gehörte auch das Spielkasino Aachen, das damals eine grandiose Gesamtausstattung bekommen hat. Da sind ja noch andere Werke von hochrangigem Kaliber. Und das alles gehört genauso wie die Schulgrafik, von der ja auch viele gar nicht mehr wissen, dass das Kulturministerium sie anschaffte für Schulen in den 70er-Jahren - das waren Werke von Gerhard Richter, von Dieter Roth, von Bernd und Hilla Becher -, damit man auch in den Schulen sich mit Gegenwartskunst beschäftigt, im öffentlichen Raum.
    Müller-Ullrich Wenn Sie vom Erlös - und es ist ja von 100 bis 130 Millionen Dollar die Rede; das ist ja keine Kleinigkeit - was abbekämen, dann wären Sie zufrieden?
    Titz: Nein! Ich denke, dass wir versuchen müssen, einen Präzedenzfall zu verhindern, oder grundsätzlich eine Aufklärung darüber zu schaffen, dass es solch ein Präzedenzfall ist, weil nämlich in dem Moment, wo die öffentliche Hand beginnt, Kunstwerke aus dem öffentlichen Besitz zu versteigern oder zu verkaufen, natürlich auch Not leidende Kommunen und andere, die da öffentliche Träger sind, nicht mehr daran gehindert werden, genau das gleiche auch zu tun.
    Müller-Ullrich: Vielen Dank, Susanne Titz. - Das war die Direktorin des Museums Abteiberg in Mönchengladbach zu dem geplanten Verkauf von ein paar Warhols aus Landesbesitz. Am 12. November soll es steigen, in New York bei Christie's, zwei Bilder von Andy Warhol aus den Jahren 1963 und '66.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.