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Wettmanipulation
Malta blockiert Bekämpfungsabkommen

Vier Milliarden Euro setzten die Deutschen jedes Jahr bei Sportwetten ein. Viel Geld, das Betrüger anlockt. Doch der internationale Kampf gegen Wettmanipulation im Sport ist ins Stocken geraten. Ausgerechnet von der EU wird ein in Europa initiiertes Abkommen blockiert.

Von Mareike Zeck | 30.08.2019
Ein Mann steht vor einem Bildschirm mit einer Seite eines Anbieters für Sport-Wetten.
Ein internationales Vorgehen gegen Wettmanipulation scheitert an Malta (Carsten Rehder/dpa/picture alliance)
Heute tritt ein durch den Europarat initiiertes Abkommen in Kraft, das die Staaten bei ihrem gemeinsamen Vorgehen gegen Sport-Wettbetrüger entscheidend voranbringen sollte. Die sogenannte Macolin-Konvention.
Mit der Macolin Konvention wollten sich 38 Staaten dazu verpflichten, im Kampf gegen Sport-Wettmanipulation ihre Gesetze zu vereinheitlichen und ein Netzwerk für ihre Experten zu schaffen. Doch das, was sich jetzt in der Europäischen Union abspielt, nennt Sylvia Schenk von Transparency International ein "Trauerspiel":
"Man hatte ursprünglich große Hoffnung, dass mit dieser Konvention jetzt relativ schnell was in Gang gebracht wird und das auch über Europa hinaus strahlt, weil Kanada, Japan und andere auch Interesse hatten. Also das wäre so das Referenzdokument weltweit geworden. Und es gibt jetzt auch noch Interesse da. Und das ist alles ins Stocken geraten durch diesen Prozess innerhalb der EU."
Sylvia Schenk, Sportbeauftragte Transparency International (30.05.2013)
Sylvia Schenk, Sportbeauftragte Transparency International (dpa / picture-alliance / Hannibal Hanschke)
Ausgerechnet Malta, das kleinste EU-Mitglied, blockiert die Ratifizierung des Abkommens in den EU-Staaten. Denn auf Malta haben viele Wettanbieter ihren Sitz, holen sich ihre Lizenzen und zahlen Steuern. Bestimmte Wettgeschäfte könnten durch Details im Abkommen jedoch illegal werden, fürchtet Malta. Problematisch sind die Geschäfte auf jeden Fall, sagt Staatssekretär Dr. Markus Kerber vom deutschen Bundesinnenministerium. Man wolle jetzt diplomatischen Druck aufbauen:
"Da muss es eben mit sauberen Mitteln zugehen. Und ich glaube, dass Sportwetten anfällig sind für Betrug. Und da muss Malta ein gehöriges Maß an Sensibilität entwickeln, dass eventuell sich dort ansiedelnde Firmen Schaden in anderen EU Mitgliedstaaten hervorrufen. Und das können und werden wir nicht dulden."
Porträt Markus Kerber.
Markus Kerber ist Staatssekretär im Bundesinnenministerium. (dpa-Zentralbild)
Portugal und Italien haben das Abkommen trotz Maltas Blockade einfach ratifiziert. Doch Deutschland will nicht gegen die EU-Grundsätze verstoßen, die hier ein gemeinsames Handeln vorsehen. Weil es mit Malta aber nicht vorwärts geht, setzt das Bundesinnenministerium eine wichtige Forderung des Abkommens jetzt trotzdem um. Es hat eine Plattform für den Austausch zwischen Behörden, Politikern, Sportverbänden und Wettanbietern ins Leben gerufen. Im Juni war das erste Treffen, auch Sylvia Schenk von Transparency International war dabei:
"Das war sehr spannend, war auch sehr fruchtbar. Und der Austausch hat auch gezeigt: Es wäre schön gewesen, man hätte schon vor zwei, drei Jahren damit angefangen. Dann wären wir schon ein ganzes Stück weiter."
"Es müssen Experten geschaffen werden"
Das erste Treffen des neuen Gremiums hat außerdem gezeigt, dass immer noch nicht alle Bundesländer spezialisierte Ermittler für Wettmanipulation im Sport haben. Es haben nämlich nur aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen erfahrene Staatsanwälte teilgenommen. Deswegen müsse nicht nur die internationale Zusammenarbeit verbessert, sondern erst einmal das nationale Netzwerk der Ermittlungsbehörden ausgebaut werden, fordert Michael Bahrs. Er ist Kriminalhauptkommissar in Bochum und Europas wohl bekanntester Ermittler im Bereich der Sportwettmanipulation.
"Weil ich eben ständig aus anderen Bundesländern angerufen werde und werde da gefragt: ‚Wie sollen wir jetzt vorgehen? Hast du eine Idee?‘ Was ja grundsätzlich super ist. Genau das wäre jetzt mal der richtige Schritt in die richtige Richtung. Man muss natürlich dieses Wissen weiter geben können. Und es müssen Experten irgendwo geschaffen werden."
"Ressourcen ergeben sich normalerweise automatisch"
Im Bundesinnenministerium hofft man, dass jetzt, wo es im Gesetz die beiden neuen Straftatbestände "Wettbetrug" und "Spielmanipulation" gibt, nach Bochum und Osnabrück auch in anderen Teilen Deutschlands Staatsanwaltschaften zu größeren Erfolgen im Kampf gegen Sportwettmanipulation kommen. Und dann würden auch automatisch mehr Staatsanwälte für das Thema abgestellt, meint Kerber:
"Je mehr Fälle publik werden, desto mehr erregt sich die Öffentlichkeit zurecht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dieses Phänomen des Sport-Wettbetrugs relativ schnell an Bedeutung und an öffentlicher Aufmerksamkeit gewinnen wird. Und dann ergeben sich normalerweise die Ressourcen automatisch, um es zu bekämpfen und auszumerzen."
"Ein bestehendes kriminelles Netzwerk"
Kriminalhauptkommissar Michael Bahrs war 2009 am bislang größten Schlag gegen die hiesige Wettmafia maßgeblich beteiligt: allein damals wurden 200 verschobene Fußballspiele in Europa aufgedeckt. Dass es jetzt erst noch weitere große Fälle brauchen soll, damit Staatsanwälte und Ermittler für den Bereich Sportwettmanipulation abgestellt werden, kann er nicht verstehen:
"Das bestehende kriminelle Netzwerk, das gab es ja schon vor Einstieg unserer Ermittlungen damals. Das ist ja jetzt nicht von der Bildfläche verschwunden, weil wir damals ein paar Haftstrafen generieren konnten. So, und wenn man jetzt vom Ministerium auch noch diese Aussage macht: ‚Es muss erst was passieren, damit man handelt oder damit der Fall noch weiter in die Öffentlichkeit getragen wird.‘ Dann frage ich mich: Seit zehn Jahren werden Fälle immer wieder in die Öffentlichkeit getragen."
"Nicht alibimäßig treffen, sondern konkrete Sachverhalte"
Das internationale Macolin-Abkommen und die neue nationale Plattform gegen Wettmanipulation hält Bahrs für eine wichtige Chance. Wenn die Behörden, die Politik, die Sportverbände und die Wettanbieter im Anschluss an ihre Treffen auch handeln:
"Diese Nationale Plattform halte ich für das Größte, was bisher dagewesen ist. Jetzt kommt es aber darauf an, da die richtigen Hausaufgaben zu machen. Man muss sich nicht alibimäßig treffen, sondern man muss konkret sich an Sachverhalten orientieren. Denn die Möglichkeiten, da jetzt wirklich was zu schaffen, die sind so groß wie noch nie zuvor."
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