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Gerichtsentscheid zur Edeka-Tengelmann-Fusion
"Kein guter Tag für den Minister"

Nicht zuletzt mit dem Argument des Erhalts von Arbeitsplätzen hatte Wirtschaftsminister Gabriel im März die Sondererlaubnis zur Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka erteilt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat diese Erlaubnis jetzt gekippt. Der Vorsitzende der Monopolkommission, Achim Wambach, findet das Arbeitsplatz-Argument von Gabriel nicht stark genug, sagte er im DLF.

Achim Wambach im Gespräch mit Benjamin Hammer | 12.07.2016
    Neuer Vorsitzender der Monopolkommission, Achim Wambach
    Vorsitzender der Monopolkommission, Achim Wambach (Uwe Anspach/dpa )
    Benjamin Hammer: Das Bundeskartellamt in Bonn ist eine sehr mächtige Behörde. Wenn in Deutschland ein Konzern einen Konkurrenten übernehmen möchte, dann muss das Kartellamt prüfen, ob Markt und Wettbewerb die neuen Machtverhältnisse vertragen. Als die größte deutsche Supermarktkette Edeka sich anschickte, die Märkte von Kaiser's Tengelmann zu übernehmen, da lautete das Ergebnis der Prüfung: abgelehnt! Dann kam der Wirtschaftsminister ins Spiel. Sigmar Gabriel erlaubte die Fusion, begründete das mit der Sicherung von Arbeitsplätzen und stellte Bedingungen, wie diese erhalten werden sollten. Heute, mitten in den Verhandlungen zur Übernahme, ein Stoppsignal vom Oberlandesgericht Düsseldorf. Der Eilbeschluss ist noch nicht rechtskräftig.
    In Berlin mitgehört hat Achim Wambach, Professor und seit kurzem Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und ebenfalls Vorsitzender der Monopolkommission, einem Expertengremium, das die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen berät. Schönen guten Tag, Herr Wambach.
    Achim Wambach: Ja guten Tag!
    Hammer: Das Gericht hat den Wirtschaftsminister gewissermaßen zurückgepfiffen und mehrere Medien schreiben heute von einer Ohrfeige für Sigmar Gabriel. Sehen Sie das auch so?
    Wambach: Na ja, es ist zumindest kein guter Tag für den Minister. Es sind Verfahrensfehler kritisiert worden, aber es ist auch Kritik in der Sache geübt worden, und da sind die beiden Punkte, die Sie auch in Ihrem Vorspann angesprochen haben. Der eine ist die Frage kollektiver Arbeitnehmerrechte - stellen die einen Gemeinwohlgrund dar? Und da hat das Gericht gesagt, nein. Und das Zweite ist die Sicherung der Arbeitsplätze und auch hier hat das Gericht gesagt, wenn das erkauft wird möglicherweise durch Arbeitsplätze, die woanders verloren gehen, diese Abwägung muss getroffen werden und die ist nicht ausreichend getroffen worden.
    Hammer: Edeka mit rund 11.000 Märkten will Kaiser's Tengelmann übernehmen, 450 Märkte. Was spricht dagegen?
    Wambach: Das Kartellamt hat das ja untersucht und zwei Argumente gebracht. Das eine ist, der regionale Wettbewerb wird stark eingeschränkt. Da wo Kaiser's Tengelmann tätig ist, sind sie häufig einer der größeren Wettbewerber von Edeka, auch wenn die Zahl so klein wirkt. Aber in Bayern oder in Berlin ist das eine starke wettbewerbliche Kraft, und das war die eine Sorge des Kartellamts. Die andere ist auf den Beschaffungsmärkten, also da, wo Edeka einkauft und auch Kaiser's Tengelmann, und hier fehlt jetzt ein möglicher Kunde, der dann wegfallen würde, und auch hier ist die Sorge, dass die Dominanz, die ja im deutschen Einzelhandel existiert, dann noch stärker wird.
    Hammer: Herr Wambach, auch Sie und die Monopolkommission sprechen sich gegen eine Übernahme aus. Was sagen Sie jenen Arbeitnehmern von Tengelmann, die sich gerade große Sorgen machen, Sorgen, dass die 16.000 Arbeitsplätze bei Tengelmann nun bedroht sind?
    Wambach: Das Verfahren ist sicherlich nicht glücklich gelaufen. Die Unsicherheit, die jetzt sich weiter hinzieht, dafür sind die Arbeitnehmer auch nicht zu beneiden. Das ist sicherlich kein glücklicher Tag. Aus wettbewerblicher Sicht sind die Risiken klar vom Kartellamt artikuliert worden und aus Gemeinwohlsicht muss man sich die Frage stellen: Vollbeschäftigung ist ein Ziel, ein wirtschaftliches Ziel. Aber das heißt ja nicht, dass man Arbeitsplätze bei einem Unternehmen sichert, sondern dass Arbeitsplätze gesichert werden. Und wir haben im Moment einen boomenden Arbeitsmarkt. Der Wirtschaft geht es gut. Insofern war der Grund, jetzt in diesem spezifischen Fall Arbeitsplätze zu sichern, sicherlich nicht so gravierend wie in anderen Fällen.
    Hammer: Ihr Vorgänger der Monopolkommission als Vorsitzender, der ist zurückgetreten, auch weil Sigmar Gabriel die Empfehlung der Kommission ignoriert hat. Und Sie sagen heute auch, Edeka und Tengelmann sollten nicht fusionieren, und auch heute sieht Gabriel das anders. Liest der Mann Ihre Expertisen überhaupt?
    Wambach: Davon gehe ich aus, dass er sie liest. Er hat sich ja auch in seiner Stellungnahme dazu geäußert. Er legt auf die Arbeitnehmerrechte und auf die Arbeitsplätze sehr hohes Gewicht. Bei den Arbeitnehmerrechten hat die Monopolkommission gezweifelt, ob sie als Gemeinwohlgrund gelten. Wir reden ja von kollektiven Arbeitnehmerrechten und im Gemeinwohlgrund wäre das Argument, spielen wir Gewerke, spielen wir Arbeitsplätze, wo die Arbeiter in Tarifverträge eingebunden sind, aus gegen andere Arbeitsplätze. Da hat sich das Gericht dagegen geäußert. Das ist eine Streitfrage, der Minister sieht das anders. Und bei den Arbeitsplätzen, wie erwähnt: Man muss den gesamten Arbeitsmarkt im Auge haben und nicht den bei einem Unternehmen. Ich glaube, aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive ist der Druck eigentlich nicht da, diese spezifischen Arbeitsplätze jetzt so in den Vordergrund zu heben.
    "Wir diskutieren viel mit dem Ministerium"
    Hammer: Das Kartellamt trifft eine Entscheidung, die Monopolkommission spricht eine Empfehlung aus, ein Minister kann reingrätschen mit der sogenannten Ministererlaubnis. Sollte diese Ministererlaubnis Ihrer Meinung nach abgeschafft werden?
    Weber: Wir sehen auch in anderen Ländern, dass die Politik am Ende in Verfahren eingreifen kann. Das Kartellamt prüft nur die wettbewerblichen Konsequenzen, aber die anderen Gemeinwohlargumente, Effekte auf die Umwelt, auf Arbeitsplätze, auf die Bildung, also auf die anderen politischen Ziele, werden nicht in dem Verfahren geprüft. Und da ist eigentlich die Konstruktion in Deutschland ganz geschickt: Zuerst prüft das Kartellamt und anschließend können die Unternehmen eine Ministererlaubnis beantragen. In anderen Ländern ist es so, dass die Minister schon zwischendurch reingrätschen können, um Ihren Begriff zu nehmen, und da, glaube ich, ist diese Trennung, die wir hier in Deutschland fahren, ganz gut gewählt.
    Hammer: Ganz kurz noch: Fühlen Sie sich ernst genommen vom Minister als Kommission?
    Wambach: Wir diskutieren viel mit dem Ministerium und auch mit dem Minister und in vielen Dingen sind wir auch derselben Meinung. Hier hat der Minister anders entschieden, was sein gutes Recht ist. Hier sind wir anderer Meinung.
    Hammer: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann untersagt. Am Ende diplomatische Worte von Achim Wambach, ZEW-Präsident und Vorsitzender der Monopolkommission. Vielen Dank!
    Wambach: Gern geschehen. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.