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Gefahr für Luftfahrt
Mehr Brandvorfälle an Bord durch Lithiumbatterien

Im März haben die amerikanische und britische Regierung ein Mitnahmeverbot elektronischer Geräte an Bord von Direktflügen aus bestimmten Flughäfen im Nahen Osten, Nordafrika und der Türkei erlassen. Denn die Zahl der Brände an Bord hat sich seit 2011 vervierfacht. In mindestens zwei Fällen haben Batteriefeuer an Bord zum Absturz von Frachtflugzeugen geführt.

Von Hans-Jürgen Maurus | 11.05.2017
    Eine Flugfrachtmaschine der deutschen Airline Lufthansa.
    Besonders gefährlich für Frachtflugzeuge ist das Phänomen des "Thermal Runaways": eine überhitzte Batteriezelle steckt dabei andere Zellen an. (Deutschlandradio / Hans-Jürgen Maurus )
    In den vergangenen Jahren hat die Zahl von Brandvorfällen in Flugzeugen, ausgelöst durch Lithiumbatterien, deutlich zugenommen. Der internationale Luftfahrtverband IATA warnt: Lithiumbatterien stellen eine Feuergefahr für Passagiermaschinen und Frachtflugzeuge dar. IATA Vizedirektor David Brennan sagte dem Deutschlandfunk, es habe bereits mehrere Brände an Bord von Maschinen gegeben.
    Nach Angaben der US-Luftfahrtbehörde FAA wurden seit März 1991 rund 138 Brandvorfälle allein in den USA dokumentiert. Vor allem in der jüngsten Zeit häuften sich Vorkommnisse: Waren es 2011 noch insgesamt sieben Feuer an Bord, stieg die Zahl 2016 bereits auf 31 Vorfälle – eine Vervierfachung. Grund für die Brände waren überhitzte Batterien in Laptops, E-Zigaretten, Ladegeräten für Kameras oder Mobiltelefonen.
    Auch das Luftfahrt-Bundesamt erklärt auf Anfrage des DLF: Zwischen 2014 und 2016 wurden insgesamt neun Lithiumbrände registriert – in Deutschland bzw. an Bord von in Deutschland registrierten Luftverkehrsgesellschaften. Vergleichszahlen liegen nicht vor.
    In immer mehr Geräten werden Lithiumbatterien verbaut - sie befinden sich beispielsweise in Smartphones, Computern, Laptops, Tablets, E-Zigaretten, Kamera-Akkus, Camcordern, MP3-Player, aber auch in Taschenlampen, Akkubohrern, Drohnen, E-Boards und elektrischen Rollstühlen. Das Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt schätzt, dass weltweit bis zu 2 Milliarden Batterien im Umlauf sind. Zugleich nehmen Passagiere immer mehr elektronische Geräte mit an Bord - die IATA hat deswegen eigenen Angaben zufolge entsprechende Richtlinien für Besatzungsmitglieder erlassen, wie potentielle Feuer an Bord zu bekämpfen sind – Details dazu werden unter Verschluss gehalten.
    Behörden warnen vor beschädigten Batterien
    Besonders gefährlich sind Lithiumbatterien, wenn sie beschädigt werden, weil sie dadurch in Brand geraten können, erklärt der Sprecher des Schweizer Bundesamts für Zivilluftfahrt, Urs Holderegger. Die IATA berichtet von Smartphoneschäden, wenn Passagiere die Rückenlehnen absenken und Mobiltelefone dabei zerquetscht werden. Urs Holderegger zufolge es vier mögliche Ursachen für Brände an Bord: Fehler bei der Herstellung der Batterien, mechanische Schäden, zu tiefe Entladung oder zu kalte Temperaturen.
    Besonders gefährlich für Frachtflugzeuge ist das Phänomen des "Thermal Runaways", sagt Lufthansa-Cargo-Sprecher Andreas Pauker im Gespräch mit dem DLF. Pauker spricht von einer "Kettenreaktion" - eine überhitzte Batteriezelle stecke andere Zellen an, dabei könne es eine Stichflamme geben und gefährliche Gase entstehen.
    Die IATA warnt zudem vor fehlerhaften Billigbatterien, die eine Brandgefahr sowohl in Passagierflugzeugen als auch in Frachtmaschinen darstellen. Laut IATA-Experte Brennan gibt es zwar Vorschriften, nach denen die Lithiumbatterien auf ihre Sicherheit hin getestet werden müssen. Doch offenbar halten sich daran nicht alle Hersteller.
    Zwei Flugzeugabstürze wegen Lithiumbränden
    In mindestens zwei Fällen haben Batteriefeuer an Bord zum Absturz von Frachtflugzeugen geführt. Am 3. September 2010 war eine UPS Maschine auf dem Weg nach Köln/Bonn in der Nähe des Flughafens von Dubai abgestürzt, nachdem sich eine Palette mit Lithium-Batterien selbst entzündet hatte. Beide Piloten kamen ums Leben.
    Am 28. Juli 2011 stürzte eine Boeing 747-400 der Fluggesellschaft Asiana vor der Küste Südkoreas nach einem Feuer im Frachtraum ins Meer. Auch diese Maschine hatte Lithium-Ionen Batterien an Bord.
    Am 24. September 2016 musste eine Delta-Airlines-Maschine auf dem Flug von Detroit nach Amsterdam in Manchester notlanden, nachdem die Besatzung einen brennenden Tablet-Computer in der Kabine bemerkt hatte.
    Lufthansa testet feuerhemmende Container
    Die Lufthansa hat seit Sommer 2015 den Transport großer Mengen Lithium-Batterien nicht nur im Frachtraum von Passagierflugzeugen, sondern auch in Frachtmaschinen verboten. Die Airline testet aktuell neue feuerhemmende Container. Es ist derzeit aber unklar, ob solche Container auch Lithiumbränden standhalten können – Ergebnisse liegen noch nicht vor. Seit 1. April 2016 sind Transporte von Lithiumbatterien im Frachtraum von Passagiermaschinen generell verboten.
    Passagieren wird empfohlen, lose Lithium-Ersatzbatterien nie im Gepäck oder zusammen mit Laptop, Notebooks oder anderen elektronischen Geräten aufzugeben. Lithiumbatterien sollte man in einer Plastiktüte verstauen und metallische Enden mit Klebeband isolieren. Zudem sollte man Markenprodukte kaufen und Billigbatterien oder etwa Imitate von Ladegeräten meiden.
    IATA fordert strenge Bestrafung von dubiosen Transporteuren
    Die IATA fordert von Regierungen, schärfer gegen zwielichtige Spediteure vorzugehen, betont deren Sprecher Brennan im Deutschlandfunk. Zudem sollten Transportrichtlinien stärker überwacht und bei Fehlverhalten härtere Strafen ausgesprochen werden. Es gebe Fälle, in denen Logistikunternehmen absichtlich Richtlinien umgangen und gelogen hätten, so Brennan. Es seien beispielsweise Frachtgüter als Telefonzubehör ohne Batterien falsch deklariert gewesen. Bei Kontrollen durch die Luftaufsichtsbehörden seien dann Verpackungen mit hunderten oder gar tausenden von Batterien zum Vorschein gekommen. In solchen Fällen sollten Regulatoren hart durchgreifen und auch Gefängnisstrafen verhängen, fordert die IATA. Man habe bei gewissen Transportunternehmen auch unsaubere Verpackungen erlebt, die bei Unfällen zu Lithiumbränden führen könnten.
    Laptop-Verbot für Handgepäck verschärft Lithiumgefahr an Bord

    Im März haben die amerikanische und britische Regierung ein Mitnahmeverbot von Laptops, iPads, Kameras und anderer elektronischer Geräte an Bord von Direktflügen aus bestimmten Flughäfen im Nahen Osten, Nordafrika und der Türkei erlassen. Damit sind nur noch Smartphones an Bord erlaubt, alle anderen elektronischen Geräte müssen im Gepäck aufgegeben werden. Betroffen sind Nonstop-Flüge in die USA von zehn Flughäfen in vorwiegend muslimischen Staaten. Konkret: Abu Dhabi, Amman, Casablanca, Doha, Dubai, Istanbul, Dschidda, Kairo, Kuweit City und Riad.

    Die britische Regierung hat ein ähnliches Verbot gegenüber sechs Ländern verhängt. Betroffen sind: die Türkei, Libanon, Jordanien, Ägypten, Tunesien und Saudi-Arabien. Die US Maßnahmen gelten für folgende Airlines: Royal Jordanian, Egyptair, Turkish Airlines, Saudi Arabian Airlines, Kuwait Airways, Royal Air Maroc, Qatar Airways, Emirates und Etihad Airways. In Großbritannien sind auch einheimische Luftfahrtgesellschaften betroffen wie British Airways, Easyjet, Jet 2, Monarch, Thomas Cook und Thomson.

    Sicherheitsexperten empfehlen eigentlich, Laptops, Notebooks, Tablets und andere elektronische Geräte mit Lithiumbatterien mit an Bord zu nehmen, weil bei Selbstentzündung die Besatzung mit Gegenmaßnahmen reagieren kann. Ein Batteriebrand an Bord ist schneller zu erkennen als im Frachtraum.