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DGB-Bilanz zum Bildungsgipfel
"Bildungsrepublik Deutschland bleibt ein gespaltenes Land"

Knapp zehn Jahre nach den Beschlüssen des Bildungsgipfels von Dresden 2008 zieht der Deutsche Gewerkschaftsbunds eine negative Bilanz. So gebe es es inzwischen zwar mehr Studierende. Doch noch immer zeigten sich soziale Unterschiede: Es profitierten vor allem Studierende aus Akademikerfamilien.

Von Stefan Maas | 08.09.2017
    Studenten sitzen in Heidelberg an der Universität bei der Begrüßung der Erstsemster-Studenten in einem Hörsaal.
    Mehr als die Hälfte der Studierenden kommt aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss hat (dpa / picture alliance / Uwe Anspach)
    Er sei kein Freund von Schulnoten, sagt der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm, der im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes die Beschlüsse des Dresdner Bildungsgipfels untersucht hat, aber wenn er eine geben müsste, dann sei es ein befriedigend.
    "Es gibt in der Tat Bereiche, wo die Ziele, die 2008 formuliert wurden, erreicht wurden. Also, wir haben in der Tat im Bereich der Studienanfänger deutliche Steigerung, da ist auch deutlich mehr dazugekommen als geplant war. Und wir haben im Bereich der Weiterbildung eine Zielerreichung."
    Die Zielquote von 50 Prozent beim Ausbau der Weiterbildung sei sogar schon 2014, also ein Jahr früher als geplant, überschritten gewesen, zeigen die Zahlen. Aber, sagt Klemm, es seien eben nicht die Arbeitslosen, jene ohne abgeschlossene Berufsausbildung und Menschen mit Migrationshintergrund, die davon profitiert hätten. Und auch in dem Bereich, in dem die Zielsetzung der Bundes- und Landespolitiker aus dem Jahr 2008 am deutlichsten übertroffen wurde, nämlich bei der Zahl der Studienanfänger, zeigten sich die sozialen Unterschiede.
    In vielen Bereichen Zielsetzung nicht annähernd erreicht
    40 Prozent eines Jahrgangs sollten 2015 den Weg an eine Hochschule finden. 58 Prozent waren es. Ohne Bildungsausländer immerhin noch rund 50 Prozent. Allerdings: Mehr als die Hälfte der Studierenden kommt aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss hat, aber nur ein Viertel aus einem Haushalt, in dem mindestens ein Elternteil eine Lehre oder eine Facharbeiterausbildung abgeschlossen hat.
    "Die vermeintliche Bildungsrepublik Deutschland bleibt also ein gespaltenes Land.", konstatiert Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Hinzu kommt: in vielen Bereichen wurde die Zielsetzung nicht annähernd erreicht.
    2008 wurde das Ziel gesteckt, die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss bis 2015 zu halbieren. Von damals großzügig aufgerundeten acht auf vier Prozent eines Jahrgangs. Ziel: Klar verfehlt. Deutlich gerissen haben die Bildungspolitiker die Latte auch bei dem Ziel, die Quote junger Erwachsener ohne Berufsabschluss zu senken. Von gut 17 Prozent sollte sie auf 8,5 Prozent sinken. 2015 lag sie bei 13,8 Prozent.
    DGB fordert nationale Bildungsstrategie
    Die Zahl der Krippenplätze für unter Dreijährige ist zwar deutlich gestiegen, die gesetzlich verankerte Zielmarke von 35 Prozent wurde 2015 aber verfehlt, was vor allem an den westdeutschen Bundesländern lag. Am deutlichsten wird die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit aber beim Geld, sagt Bildungsforscher Klemm.
    Damals sei von der Kanzlerin und allen Ministerpräsidenten das Ziel ausgegeben worden, die öffentlich und privat getragenen Bildungsaufgaben auf zehn Prozent des Bruttosozialprodukts anzuheben. Gelandet sei man bei 9,1 Prozent. "Wenn wir das erreicht hätten, 2015, dann hätten wir 2015 27 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung ausgegeben. Das ist eine Hausnummer."
    Der DGB fordert deshalb eine nationale Bildungsstrategie. Mehr Modernisierung und Neubau von Schulen, mehr Geld für Technik und Lehrpersonal, ein Kita-Qualitätsgesetz, einen Rechtsanspruch auf eine qualitativ hochwertige Ganztagsschule, eine Ausbildungsgarantie, den Ausbau des Bafög und eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen. Vor allem aber, sagte Elke Hannack: "Deshalb muss auch das Kooperationsverbot endlich weg."
    "Schulen zuerst ans Netz"
    Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) plädierte dafür, nach der Wahl wieder die Möglichkeit zu schaffen, dass der Bund mehr in Schulen investieren kann. Darüber hinaus sprach sich die SPD-Politikerin für eine generelle Gebührenfreiheit für Kitas, Schulen und Hochschulen aus.
    Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU-Ministerpräsidentin des Saarlandes, erklärte, der Schulwechsel zwischen Bundesländern müsse einfacher werden, die gemeinsamen Standards noch weiter ausgebaut werden. Vor allem aber müssten die Schülerinnen und Schüler besser an den technischen Entwicklungen teilhaben. Stichwort: Glasfaserausbau.
    "Schulen zuerst ans Netz. Das ist das Allererste, was wir brauchen, das ist die Grundvoraussetzung, damit es entsprechen weitergeht." Im Bereich der Weiterbildung sprach sich Kramp-Karrenbauer, die auch Volkshochschulpräsidentin ist, für eine nationale Weiterbildungsstrategie aus.