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Gesang der Katzen

"50 Prozent aller Menschen hassen Katzen", glaubte Andrew Lloyd Webber. Dennoch begann der britische Komponist Ende der 70er Jahre damit, die Gedichte aus dem "Old Possum's Katzenbuch" zu vertonen. Ihm ging es um die anderen 50 Prozent, von denen er sich sicher war, dass sie Katzen liebten. Es entstand "Cats" - eines der erfolgreichsten Musicals der Welt.

Von Uwe Golz | 11.05.2011
    Katzen, überall Katzen. Da sind Gus, Bombalurina, Grizabella und natürlich Munkustrap, der die ganze Geschichte erzählt. Es war Montag, der 11. Mai 1981. Im New London Theatre hob sich der Vorhang für ein neues Musical von Andrew Lloyd Webber - die Erfolgsgeschichte von "Cats" nahm ihren Lauf. Webber erinnerte sich:

    "Wir wussten gar nicht, was wir da hatten, aber wir hofften natürlich, dass es etwas Außergewöhnliches sei. Ich selber hatte vorher ja nicht die großen Erfolge, einmal abgesehen von der Zusammenarbeit mit Tim Roth und einigen Showsongs."

    In nur fünf Wochen war das Musical auf die Bühne gebracht worden. Tag und Nacht hatten Sänger, Schauspieler und Tänzer geprobt. Ein Kraftakt auch für Choreografin Gillian Lynne und Regisseur Trevor Nunn. Für Nunn war "Cats" ein besonderes Wagnis. Er leitete die Royal Shakespeare Company und seine Arbeit an "Cats" erschien vielen Briten als Verrat an einem Nationalheiligen. Doch es war Nunn, der das Wunder vollbrachte. Er formte die Gedichte aus "Old Possum's Katzenbuch" des Literaturnobelpreisträgers T.S. Eliot zu einem Stück und spann den roten Faden zwischen den einzelnen Liedern. Die Idee dazu kam vom Komponisten. Das Buch zum Musical zitiert Andrew Lloyd Webber so:

    "Bereits 1977 habe ich die ersten Gedichte aus "Old Possum's Katzenbuch" von T.S. Eliot vertont. Einerseits, weil ich mich an dieses Buch aus meiner Kindheit mit großen Emotionen erinnerte, andererseits, weil ich einfach einmal schon fertige Verse vertonen wollte. Glücklicherweise sind die Verse von Eliot sehr musikalisch und rhythmisch, dann sind da aber auch irreguläre Metren und das fordert einen Komponisten einfach heraus."

    Zwar gehören die Katzen T.S. Eliots im englischsprachigen Raum zur Standard-Kinderliteratur und werden mit Lewis Carolls' "Alice im Wunderland" verglichen – eine Garantie für den Erfolg des Stücks war das noch lange nicht. Denn es hatte vorher in England noch nie ein Musical mit literarischen Texten gegeben – und außerdem war Eliots Vorlage im Ausland wenig bekannt. Eigentlich, bemerkte Lloyd Webber später in einem Interview:

    "...eigentlich war es die perfekte Voraussetzung für ein Desaster."

    Weshalb der Komponist mit einem anderen Argument auf die anfangs zögerlichen Sponsoren zuging:

    "Denkt daran, 50 Prozent aller Menschen hassen Katzen, 50 Prozent aber lieben sie. Mir reichen diese 50 Prozent."

    Die britischen Radio- und TV-Shows witterten so oder so eine Sensation und rissen sich schon vor der Premiere um die Beteiligten. Man bombardierte sie mit Fragen wie, ist es ein Pantomime für Kinder, ein Ballett oder eine Revueshow? Fragen die Lloyd Webber und seine Choreografin Gillian Lynne immer nur mit:

    "Oh, no, no, no”"

    beantworten konnten. Gillian Lynne erklärte schließlich im Fernsehen:

    ""Was dich in dieser Show packen wird, ist, dass es keine Jazzshow ist, keine Burlesque oder Modern Dance-Show. "Cats" ist alles zusammen und auch etwas, was zuvor nie gemacht wurde.”"

    21 Jahre lang lief "Cats" im New London Theatre Tag für Tag - erst am 11. Mai 2002, nach 9000 Vorstellungen, war Schluss. Da hatte "Cats" aber schon längst die Welt erobert, in Deutschland einen Musicalboom ausgelöst und weltweit mehr als 50 Millionen Menschen in den Bann gezogen.
    Der US-amerikanischer Theaterkritiker Richard Gilman schrieb:

    ""Solange diese Verse sowohl mit ihrem intellektuellen Spaß und dieser musikalischen Begeisterungsfähigkeit gesungen, getanzt und auf der Bühne präsent sind, solange ist "Cats" ein herausragendes Werk."