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Geschäfte mit Gewebe

Das Transplantationsgesetz regelt in Deutschland die rechtlichen Rahmenbedingungen für Spende, Entnahme und Übertragung von Organen. Nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums soll an dessen Stelle künftig aber das Gewebegesetz treten, das auch den Umgang mit menschlichen Geweben wie Knochen, Haut und Stammzellen berücksichtigt. Gegen den Gesetzentwurf regt sich aber massive Kritik.

Von Jacqueline Boysen | 19.01.2007
    Wird künftig schwunghaft Handel mit menschlichen Herzklappen oder Knochen, Haut oder Blutgefäßen, Augenhornhaut oder gar Keimzellen getrieben? Das im ersten Entwurf scharf kritisierte neue Gewebegesetz gibt Anlass, ein solches Szenario zu zeichnen. Mediziner befürchten, dass sie gezwungen werden, künftig nach kaufmännischen Aspekten operative Eingriffe vorzunehmen.

    Gilt für Herzklappen, Hornhaut oder Knochenmark derzeit das Transplantationsgesetz, so soll menschliches Gewebe, das zu Transplantationszwecken entnommen wird, rechtlich künftig als Arzneimittel betrachtet werden. Wer Gewebe zum käuflichen Gut erkläre, setze die Transplantationsmedizin einer gefährlichen Kommerzialisierung aus, so die Sorge von Roland Hetzer, Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin:

    " Ich fürchte, dass eine Reihe von segensreichen Geweben wie Herzklappen dann nicht mehr verfügbar sein werden. Wenn ich mir vorstelle, dass jetzt potentiell auch Organe für gewerbliche Zwecke genutzt werden, wird das negative Auswirkungen auf die Organtransplantation und die Spendenbereitschaft haben. "

    Nach massiver Kritik unter anderem der Bundesärztekammer räumt der Gesetzentwurf nun der Organspende Vorrang vor der Nutzung von einzelnen Gewebeteilen ein: Wird ein Herz entnommen, so soll dieses nicht gewinnbringend in Teilen weiterverkauft werden dürfen, sofern ein Patient auf ein komplettes Transplantat angewiesen ist. Kliniker und Gewebebanken monieren zudem, dass ihnen für Lagerung und Nutzung, Zulassung und Versicherung ihrer Gewebe unangemessen hohe Kosten drohen. So sind für den Umgang mit diesen Geweben unter den Bedingungen der Arzneimittelherstellung beispielsweise Reinraumbedingungen erforderlich. Seit langem erfolgreich operierenden chirurgischen Krankenhäusern drohen hier hohe Investitionskosten, die letztlich auf Kassen und Patienten abgewälzt würden. Vor allem aber sei der Entwurf des Gewebegesetzes aus ethischen Gründen in seiner derzeitigen Fassung abzulehnen, befinden Mediziner, Ethiker und Gesundheitspolitiker unisono. Um unlautere Geschäfte mit Gewebe zu unterbinden, müsse der Schutz von Personen, die ihr Einverständnis zu Organentnahmen selbst nicht oder nicht mehr geben können, klarer gefasst werden. Der Mediziner Eckhard Nagel sieht zudem die Gefahr, dass künftig aus wirtschaftlichem Interesse an fötalem Gewebe Abtreibungen befürwortet werden.

    " Natürlich muss man befürchten, dass diese Zellen Verwendung finden können, dass dann eine solche Instrumentalisierung des Schwangerschaftsabbruchs stattfindet. Ich habe Schwierigkeiten, das nachzuvollziehen, weniger im Einzelfall als vielmehr gesellschaftlich-mental, bei der Haltung, die wir zum Schwangerschaftsabbruch haben. "

    Nagel, Mitglied des Nationalen Ethikrates, sieht grundsätzliche Differenzen zwischen der deutschen Rechtsnorm und dem Verständnis der EU. Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet. Und angesichts der vielstimmigen Kritik sei es unwahrscheinlich, dass künftig beispielsweise fötales Gewebe so gehandelt werden darf, wie es der jetzige Entwurf erlauben würde, befindet der Gesundheitsexperten der Union, Hubert Hüppe.

    " Kann es dann sein, dass der, der die Frau berät und das Todeskriterium des Fötus feststellt, dann auch an der in Anführung Weiterverwertung des "Materials" beteiligt ist oder an Weiterverwertung verdient?! Da kommen dann kommerzielle Interessen ins Spiel. Da habe ich noch keine Antworten, da muss das Gesetz noch präzisiert werden. "