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Geschafft!

Endlich in Rente, mehr Zeit für die Enkelkinder und viel Ruhe - aber so stellen sich längst nicht mehr alle ihren Ruhestand vor. Immer mehr Senioren möchten sich fortbilden und gehen als Gasthörer an Universitäten. Vor zwei Jahren wurde in Horn-Bad Meinberg das "Europäische Zentrum für universitäre Studien der Senioren" gegründet. Der erste Jahrgang hat das Studium nun erfolgreich absolviert.

Von Miriam Grabenheinrich | 25.08.2008
    Die ersten Absolventen der Seniorenuni in Horn-Bad Meinberg sind zwischen 50 und 80 Jahre alt, vorwiegend Rentner. Für das zweijährige Studium haben sie 2400 Euro bezahlt. An zwei Tagen pro Woche gab es Vorlesungen und Seminare. Für das Abschlusszertifikat mussten die Studierenden Hausarbeiten schreiben, Referate halten und eine 30-seitige Abschlussarbeit vorlegen. Elisabeth Schuster aus Detmold hat das Studium erfolgreich absolviert. Die 67-Jährige hat sich in ihrem Leben ständig fortgebildet, war erst Krankenschwester, dann Stationsleiterin und nach einem Studium der Gesundheitswissenschaften im Pflege-Management tätig. Als Rentnerin wollte sie etwas Neues lernen.

    "Ich war berufsbezogen Fachidiot. Ich kenne mich sehr gut aus in meinem Beruf, aber drum herum habe ich sehr viel verloren oder es ist viel auf der Strecke geblieben und ich hab das Bedürfnis, einfach auch mal ein bisschen Breitenbildung zu haben. Mal was zu lernen von Kunst, Philosophie, Religion, Naturwissenschaften ... und das ist wirklich dabei rumgekommen. "

    Die Senioren haben ein Studium Generale mit 15 Fächern absolviert. Alle paar Wochen mussten sie sich auf eine neue Disziplin einlassen. Für Elisabeth Schuster genau das Richtige:

    "Es war durch die Bank immer sehr interessant ... Es war zum Teil so was von spannend, dass ich sogar mal ne Verabredung mit meiner Enkeltochter, sieben Jahre alt, vergessen hab ... und das war ne Mathematik-Vorlesung, wo ich gedacht habe, was wird das sein und das war wirklich hoch spannend. "

    Die Dozenten kamen von verschienen deutschen Hochschulen. Für die meisten war der Umgang mit den Senior-Studenten etwas völlig Neues. So auch für den Religionswissenschaftler Heinrich Schäfer von der Universität Bielefeld.

    "Leute, die Bürgermeister waren oder in der Verwaltung tätig waren oder Lehrer waren, bringen ja selber auch ein gewisses Standing mit. Die haben was mitgemacht in ihrem Leben und die lassen sich auch nicht mehr so leicht beeindrucken von einem Professor, der da steht und was sag. Sondern die bringen auch ihre eigene Meinung zur Geltung. "

    Und mit den verschiedenen Meinungen hat der Theologie-Professor in seinen Seminaren dann auf eine ganz spezielle Art gearbeitet.

    "Was mir immer großen Spaß gemacht hat war Leute einfach aufeinander zu hetzen. Wenn Leute unterschiedliche Meinungen haben, dann diese Meinungen zu polarisieren und die beiden, drei, vier verschienen Pole dann aufeinander reagieren zu lassen und dann dieses Gewitter sich vollziehen zu lassen und nachher zu sagen, so jetzt schauen wir uns mal genauer an, was ist denn hier abgelaufen. "

    Die Studierenden wollten keinen Frontalunterricht und haben sich von den Dozenten Diskussionsrunden eingefordert. So auch Gerhard Häckel aus Paderborn. Der 67-Jährige ist als Ingenieur mehr als dreißig Jahre beruflich durch die Welt gereist. Die hitzigen Diskussionen in den Seminaren waren für ihn aus einem ganz bestimmten Grund so wichtig.

    "Ältere Menschen wollen sich gerne profilieren, das ist ja ne ganz alte Geschichte. Starrsinn geht damit einher und das haben wir durchbrochen. Durch die Aktivität mit dem Professor in Kontakt zu kommen, waren wir auch gezwungen, nicht mehr starr unsre Meinung anzubringen, sondern sie beweglich zu gestalten, so dass der Professor die Möglichkeit hatte, sie zu korrigieren. "

    Gerhard Häckel hat seine Abschlussarbeit über Globalisierung geschrieben. Danach hat er einem Ingenieurwissenschaftler der Universität Paderborn seine Hilfe angeboten. In dem Institut möchte er jetzt gerne seine Auslandserfahrungen als Ingenieur einbringen, zum Beispiel durch eine Veröffentlichung. Ohne das Studium hätte er diesen Schritt nicht gewagt.

    "Es gibt ja bei uns in der Gesellschaft mehr oder weniger die Situation, dass der Ältere abgeschrieben ist. Und wie kannst du dagegen arbeiten? Indem du besser bist. Dann muss ich mich mit den neusten Technologien auseinandersetzen und mit den neusten Erkenntnissen aus den einzelnen Fachgebieten, damit ich mitreden kann. "

    Gerhard Häckel möchte ehrenamtlich im Berufsleben mitmischen. Rund 15 seiner Kommilitonen werden sich noch weiterbilden. Für sie bietet das "Zentrum für universitäre Studien der Senioren" jetzt ein einjähriges Aufbaustudium an. Der Schwerpunkt: Weserrenaissance - also etwas für richtige Spezialisten.