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Gescheiterte Alstom-Übernahme
Siemens will fröhlicher Verlierer sein

Nach der Niederlage im Alstom-Übernahmekampf hofft Siemens wenigstens beim möglichen Verkauf von Teilbereichen des französischen Industriekonzerns zum Zuge zu kommen. Experten rechnen damit, dass die europäischen Wettbewerbshüter dem neuen Alstom-Eigner General Electric Auflagen machen werden - etwa beim Geschäft mit großen Gasturbinen und Generatoren. Siemens-Chef Joe Kaeser deutete sein Interesse an.

Von Michael Watzke | 23.06.2014
    Der Mont Blanc ist der höchste Berg der Alpen. An seinen 4.810 Höhenmetern scheitern nicht nur manche Bergsteiger, sondern auch Jo Kaeser, der Vorstandsvorsitzende des Siemens-Konzerns.
    "Diesen Berg haben wir nicht ganz erklommen", ließ Kaeser seine Siemens-Mitarbeiter per E-Mail wissen. Gemeint ist die gescheiterte Übernahme des französischen Energiekonzerns Alstom. Die wurde bei Siemens intern unter dem Namen "Montblanc" geführt. Kaeser versucht, die Niederlage als Ansporn zu nutzen: "Es gibt noch andere Berge als den Montblanc", schreibt er im Siemens- Intranet und fügt hinzu: "Auch höhere!"
    Tatsächlich hält sich bei Siemens die Enttäuschung über die verlorene Schlacht um Alstom in Grenzen. General Electric, so heißt es in München, müsse sich nun mit dem französischen Staat herumschlagen, der mit 20 Prozent bei Alstom eingestiegen ist. Außerdem, so Kaeser, werde GE mit der Übernahme der Franzosen auf Jahre hinaus beschäftigt sein. Diese Zeitspanne könne und müsse Siemens nutzen, um den Abstand zu den Amerikanern zu verkleinern. Vor allem bei der Umsatzrendite hinkt Siemens hinter General Electric her. Bisher. Mit seinem Restrukturierungs-Programm will Kaeser Siemens in den kommenden Jahren profitabler machen und die Marge erhöhen.
    Trotzdem kann auch Kaeser eine gewisse Enttäuschung nicht verbergen. Im Siemens-Management ärgert man sich, dass der französische Staat die Deutschen erst ermunterte, selbst ein Angebot abzugeben, sich am Ende aber doch auf die Seite der Amerikaner schlug.
    "Da sollte wohl der Preis für Alstom hochgetrieben werden", mutmaßt ein Manager aus der Führungsetage am Wittelsbacher Platz in München. Joe Kaeser zitiert immer wieder die Handlungsfähigkeit von Siemens. Soll heißen: Wir hätten es im Kreuz gehabt, Alstom zu übernehmen. Allerdings erwächst dem deutschen Industriekonzern nun in Europa – sozusagen vor der Haustür - ein mächtiger Gegner.
    Kaeser kontert: "Natürlich halten wir die Augen weiter offen", sagte der Siemens-Chef der BILD-Zeitung. "Besonders interessant ist und bleibt für uns der amerikanische Markt." Auch halte er an seinem Ziel fest, das eigene Bahngeschäft zu stärken. "Wir wollten nie unser Bahngeschäft verkaufen, sondern zusammen mit Alstom einen europäischen Champion mit globaler Durchsetzungskraft bauen. Das Ziel bleibt, der Weg dahin wird jetzt ein anderer."
    Noch ist unklar, was die Niederlage im Bieterwettstreit um Alstom für die Siemens-Standorte in Deutschland bedeutet. Die Folgen für die deutsche Belegschaft würden sich erst in den kommenden Wochen und Monaten konkretisieren, sagte ein Sprecher.
    Noch im Mai dieses Jahres hatten der Betriebsrat von Siemens und die Gewerkschaft IG Metall eine faire Standortpolitik für den Fall einer Übernahme von Alstom gefordert. Der Geschäftsführer der IG Metall in Mannheim, Klaus Stein, forderte nun, es müsse schnell dargelegt werden, was Siemens mit den deutschen Standorten plane und wie die organisatorische Entwicklung aussehe.