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Geschenk an die Milliardäre?

Nicht dem Land, sondern den Banken, die zum Teil Milliardärsfamilien gehören, werde mit dem Hilfspaket für Griechenland geholfen, sagt Bert Flossbach. Der Vermögensverwalter war in Griechenland und hat dort mit Firmenvertretern gesprochen.

Bert Flossbach im Gespräch mit Silvia Engels | 04.05.2010
    Silvia Engels: Nun also einmal das Thema Griechenland-Krise aus einem etwas anderen Blickwinkel. Bert Flossbach ist Vorstand der Vermögensverwaltung Flossbach & von Storch. Seine Firma verwaltet vorwiegend große Privatvermögen und betreut zurzeit ein Kundenvermögen von rund drei Milliarden Euro. Vor einigen Tagen hat Bert Flossbach Griechenland bereist, um dort in Gesprächen mit Banken- und Firmenvertretern sich selbst einen Überblick zu verschaffen. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Flossbach.

    Bert Flossbach: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Welchen Eindruck der griechischen Finanzmisere haben Sie dort gewonnen?

    Flossbach: Einen Eindruck, der im Prinzip mein von vornherein schon relativ skeptisches Bild noch verstärkt hat. Sowohl seitens der Unternehmen, mit denen ich gesprochen habe, der Handelskammern, aber auch Professoren, VWL-Professoren und Unternehmern, ist mir eigentlich ein Bild bestätigt worden, das wenig Aussicht auf Erfolg bietet, und am beeindruckendsten waren die Gespräche eigentlich mit den Banken. Hier wurde noch mal gezielt im Vorfeld der Rettung – ich war interessanterweise genau an dem Freitag in Athen, als die Regierung ihr Hilfsgesuch einreichte -, indem die Banken zuvor gezielt griechische Staatsanleihen gekauft haben, um auf eine Rettung durch die EU und den IWF zu spekulieren. Das sind also auch genau diejenigen, denen wir jetzt mit dem Rettungspaket helfen. Das sind Banken, die zum Teil Milliardärsfamilien gehören wie Herrn Lazis, der 40 Prozent an der EFG-Eurobank hält, und der alleine erhält praktisch ein Geschenk von 1,5 Milliarden Euro durch die Rettung der EU und des IWF.

    Engels: Nun hat andererseits ja der Internationale Währungsfonds lange Erfahrung, die Umsetzung von Sparprogrammen mit strengen Kontrollen zu begleiten. Glauben Sie, dass die IWF-Kontrolleure das hinbekommen in Griechenland?

    Flossbach: Die Erfahrungen des IWF sind durchaus gemischt. Es gibt sowohl positive als auch negative Beispiele in der Vergangenheit. Es gibt aber kein Beispiel, bei dem ein Land – und das ist eigentlich der wichtigste Punkt bei Griechenland – einen so hohen Schuldensockel hat, wie das bei Griechenland der Fall ist. Wir haben uns gestern im Detail die Vorschläge des IWF, des Maßnahmenpakets angeschaut. Interessanterweise sind von den gut 30 Milliarden Einsparungen, die bis Ende 2014 erreicht werden sollen, über zehn Milliarden nicht näher definiert. Das sind also im Prinzip noch Kaninchen, die Griechenland aus dem Hut zaubern muss, die aber noch nicht ex ante präzise definiert sind.

    Engels: Was halten Sie also von den staatlichen Garantien?

    Flossbach: Die staatlichen Garantien werden nicht reichen. Das Loch ist viel größer, als man das ursprünglich gedacht hat. Die IWF-Pläne wie gesagt sind nur zu zwei Dritteln wirklich faktisch untermauert. Dazu kommen noch weitere Einmalzahlungen, die man dort eingebaut hat, wie eine Lotterielizenz für eine dreiviertel Milliarde, die aber für 20 Jahre gilt. Wir kommen in einem Basisszenario, wenn wir also unterstellen, dass die Mehrheit der Maßnahmen durchgesetzt wird, aber nicht alles, auf ungefähr 130 Prozent Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt als Niveau oder Plateau, von dem das Land kaum noch runterkommt, und nur im aller- allerbesten Fall würde Griechenland Ende 2014 etwa 120 Prozent Verschuldung im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt haben und dann nach Auslaufen der EU-Maßnahmen, der IWF-Maßnahmen in die freie Wildbahn entlassen, und das würde dann nicht mit den bis dato von uns angenommenen knapp fünf Prozent Zinsen gehen, sondern dann würde die Zinslast das Land erdrücken, was ja ohne die Hilfe der EU jetzt praktisch schon passiert wäre.

    Engels: Nun ist es ja so, dass viele unterstellen, dass die Bundesregierung auch deshalb geholfen habe, weil große deutsche Banken sehr stark in griechischen Staatspapieren engagiert sind. Sie vertreten nun große Privatvermögen. Ist das bei denjenigen, die Sie vertreten, nicht das Problem und haben Sie deshalb ein Problem mit den Staatshilfen?

    Flossbach: Zunächst einmal vertreten wir auch kleine Privatvermögen, das heißt im Prinzip alle Vermögen, auch über Fonds, und wir würden sagen, wenn man die Problematik im Bankenbereich sieht, dann ist das ganz klar ein griechisches Phänomen. Es gibt in Deutschland nur ganz wenige Banken, die ein problematisches Engagement haben, das von der Größenordnung möglicherweise einer Eigenkapitalinjektion bedarf. Aber – und jetzt mal die Frage – warum um Himmelswillen müssen deutsche Banken griechische Staatsanleihen kaufen? Heute Morgen war zu lesen, dass die Bad Bank der West-LB mit einer weiteren Milliarde an Griechen-Anleihen bestückt wird. Was treibt also letztlich diese Institute dazu, Griechen-Anleihen zu kaufen? Die Antwort kann ich auch gleich mitgeben. Sie leihen sich das Geld für ein Prozent bei der EZB, kaufen Anleihen für fünf oder sechs, sieben Prozent, legen im Prinzip die Papiere als Pfand zurück zur EZB, trotz schlechten Ratings, wie gestern gehört, auch in der Zukunft möglich, und das ist natürlich das, was die Branche als einen sehr lukrativen "carry trade" bezeichnet. Insofern sind die Maßnahmen, die von den Banken angekündigt worden sind, diese freiwilligen Beteiligungen, letztlich mehr eine Art Marketing-Gag.

    Engels: Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Sie sagen "Marketing-Gag". Sie sagen auf der anderen Seite auch, dass dieses System derzeit auch die Banken wieder zu Verdienern macht. Wie kann man dort regulieren, damit diese Auswüchse eben nicht geschehen?

    Flossbach: Im Prinzip ganz einfach. Die Beteiligung der Banken erzielen sie dadurch, dass sie diese Hilfe in der Form nicht durchführen. Damit würden sie auch das gesamte Problem des "Moral Hazard", das wir bei der Finanzkrise gesehen und auch relativ frühzeitig erkannt haben damals, also diese moralische Verwerfung, dass jemand darauf spekuliert, Geld zu verdienen, weil jemand anders gezwungen oder erpresst wird, dieses Land oder diese bestimmte Bank damals zu retten, genau das würde man unterbinden und auch genau das würde dazu führen, dass, was die Politik immer wieder fordert, eine Beteiligung der Banken, sehr elegant erreicht würde. Man würde gleichzeitig zukünftigen "Moral hazard" die Schranken weisen und würde den Investoren oder Spekulanten sagen, Vorsicht, so sicher ist es nicht mit der Spekulation auf Griechenland. Und die Spekulanten, die immer so als ominöse, diffuse Masse von den Politikern bezeichnet werden, diese Spekulanten sind ja genau die letztlich, die die Anleihen in den letzten Monaten gekauft haben, glaubend und vertrauend darauf, dass wir Griechenland aus der Patsche helfen, beziehungsweise die Schulden letztlich übernehmen. Unser Vorschlag wäre eine geordnete Insolvenz. Geordnete Insolvenz heißt, der IWF gibt einen Kredit, der vorrangig zu bedienen ist, um die nächsten Monate sauber zu überbrücken, die nächsten sechs bis zwölf Monate, und dann muss sich jeder, wie das früher bei Staatspleiten üblich war, auf einen Schnitt seiner Forderungen einstellen, sei es die Hälfte oder 40 Prozent, irgendwo in der Größenordnung. Nur so kann Griechenland langfristig über den Berg kommen. Mit 120, 130, 140 Prozent Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt steht Griechenland in zwei oder drei Jahren genauso schlecht da wie heute.

    Engels: Griechenland und das Hilfspaket – sorgen Sie sich mittlerweile generell um die Stabilität des Euro?

    Flossbach: Ja. Auch das war ein Bärendienst für den Euro. Wer glaubt, er würde dem Euro helfen, indem er dieses Griechenland-Paket zusammenschnürt, der täuscht sich. Das haben auch die Kapitalmärkte recht deutlich gezeigt. Der Euro hat verloren nach der Ankündigung beziehungsweise nach dem öffentlichen Hilfsgesuch bis heute. Es war keine Stabilisierung, sondern eher eine Schwächung. Und eines ist ja klar: wir haben unser Pulver jetzt weitgehend für Griechenland verschossen. Wir können nicht noch weitere Länder ohne weiteres retten. Portugal wäre ein möglicher Kandidat. Die anderen Länder würden durch eine solche geordnete Insolvenz sicherlich auch zu mehr Sparwillen angereizt, den sie jetzt vielleicht in der Form nicht haben und sich eher zurücklehnen. Eine geordnete Insolvenz hätte man durchaus durchführen können. Und wir hören immer wie so einen Pawlowschen Reflex der Politik dann sofort, dann gehen alle Banken Pleite; das ist definitiv nicht der Fall. Es gibt nur wenige Institute außerhalb Griechenlands, die wirkliche Probleme hätten. Die Probleme wären bei den Griechen-Banken, die bewusst mit Riesen Summen spekuliert haben, dass die EU und der IWF zahlen, und dort werden also Milliardärsfamilien durch unsere Mittel unmittelbar begünstigt, und das ist der eigentliche Skandal dieser Rettung.

    Engels: Stimmen zu Griechenland von Bert Flossbach, Vermögensverwalter der privaten Vermögensverwaltung Flossbach & von Storch. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Flossbach: Ja! Vielen Dank, Frau Engels.