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Geschichte aktuell: Abschied von der "Politik der Stärke"

Am 15. Juli 1963, zwei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer, hielt Egon Bahr, damals Pressesprecher des Berliner Senats und enger Mitarbeiter von Willy Brandt, in der Evangelischen Akademie Tutzing eine denkwürdige Rede. Sie sollte die Ostpolitik der späteren sozialliberalen Koalition prägen.

Von Norbert Seitz | 15.07.2013
    "Das Ganze ist nur rückgängig zu machen durch Krieg. Und Krieg will niemand."

    Egon Bahr zitiert Präsident John F. Kennedy aus seinem Antwortbrief an Willy Brandt. Dieser hatte in seiner Empörung über den Mauerbau nach Washington geschrieben, der Worte seien nun genug gewechselt. Damit sollte sich der Regierende Bürgermeister beim mächtigsten Mann der Welt einen schmerzhaften, aber folgenreichen Korb einfangen. Herbst 1961, Berlin nach der Teilung der Stadt.

    "Wir haben dann gedacht: Das wird sehr, sehr lange dauern, ehe man wieder davon reden oder denken kann, dass die Stadt mal zusammengefügt werden könnte oder dass Deutschland zusammengefügt werden könnte."

    Auf den 13. August 1961, den Tag der Abriegelung West-Berlins vom Ostteil der Stadt, folgte die "große Desillusion". Man musste sich von Vorstellungen einer "Befreiung" oder eines "Anschlusses" des unfreien Ostteils der Stadt verabschieden. Das "Dogma der Stärke" war partiell gescheitert. Entspannung und Abrüstung waren angesagt, abgekoppelt von der im Westen immer mehr als leidig empfundenen deutschen Frage.

    "Es war klar, niemand würde uns helfen, diese Mauer wegzukriegen. Also mussten wir überlegen: Was kann man tun? Man kann eigentlich nur zu dem Ergebnis kommen: Man muss mit der anderen Seite verhandeln."

    Bestärkt wurden solche Überlegungen von ersten Entspannungssignalen aus den USA, wo Präsident Kennedy vor der American University in Washington eine "Strategie des Friedens" proklamierte. Darin führte er aus:

    "Beide, die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten sowie die Sowjetunion und ihre Verbündeten, haben ein gemeinsames tiefes Interesse an einem gerechten und wirklichen Frieden und einer Einstellung des Wettrüstens. Abkommen, die zu diesem Ziel führen, sind im Interesse der Sowjets wie auch im unsrigen. Selbst bei den feindlichsten Ländern kann man damit rechnen, dass sie solche vertraglichen Verpflichtungen akzeptieren und einhalten, die in ihrem eigenen Interesse sind."

    Die stille Losung lautete: herunter vom Podest der moralischen, militärischen und politischen Überlegenheit. Professor Christian Hacke, Politologe und früherer außenpolitischer Berater der CDU:

    "Hier sehen nun Brandt zum ersten Mal und sein Mitarbeiter Bahr die Chance, die neue amerikanische Strategie der Initiative, der Detente gegenüber der Sowjetunion auf deutscher Ebene zu untermauern."

    Gelegenheit dazu, die neue Politik programmatisch zu entwickeln, gab es im Juli 1963 am beschaulichen Starnberger See. Und Anlass war der zehnte Jahrestag des "Politischen Clubs" der Evangelischen Akademie in Tutzing:

    "Wir waren konfrontiert mit der Bitte der Akademie in Tutzing, Brandt sollte eine seiner außen- und sicherheitspolitischen Überlegungen entwickeln. Hat er dann auch gemacht. Und als das geschehen war, rief dieser Direktor der Akademie an und hat mich um einen kleinen Diskussionsbeitrag gebeten. Und ich wusste nicht mehr, was ich noch sagen sollte, denn das war ja alles in der großen Rede von Brandt drin. Bis ich auf die Idee kam, ich werde einen Punkt aus der Rede nehmen und werde daran zeigen, was das für die beiden deutschen Staaten bedeutet."

    Am Ende sollte Egon Bahr mit seinem Beitrag seinen Herrn und Meister übertreffen, der eigentlich als Hauptredner vorgesehen war.

    "War nicht in Ordnung. Er war auch ein bisschen brummig. Aber er hat es ja doch akzeptiert."

    In der Tat war Brandt nicht gerade erfreut über seinen eigenmächtigen Pressesprecher, der seine Rede zuzuspitzen versuchte und damit seinem Bürgermeister in der Wirkung die Show stehlen sollte. Im Rückblick nach fünfundzwanzig Jahren stellte sich für Brandt 1988 der Verlauf in Tutzing etwas anders dar als in der Erinnerung Bahrs nach fünfzig Jahren.

    "Also da ist ein Regiefehler passiert, damals in Tutzing. Geplant war, dass ich erst reden sollte, es war auch nicht falsch, was ich gesagt hätte, denn beide Reden waren aufeinander abgestimmt. Aber etwas konventioneller, nicht so weit vorpreschend, abwägender. Und Bahr sollte am nächsten Tag nachstoßen. Aus irgendwelchen technischen Gründen kam ich aber verspätet. Und die haben den Bahr schon vorgezogen, sodass eigentlich die Regie nicht mehr stimmte. Aber beide Reden waren miteinander abgestimmt."

    So heißt es deckungsgleich in der Rede Brandts, die in Anlehnung an Heinrich Heines Wintermärchen "Denk ich an Deutschland in der Nacht" betitelt wurde:

    "In Wirklichkeit geht es um die simple Erkenntnis, dass es keine andere Aussicht auf die friedliche Wiedervereinigung unseres Volkes gibt als den nicht erlahmenden Versuch, die Erstarrung der Fronten zwischen Ost und West aufzubrechen. (…) Eine solche Konzeption kann zur Transformation der anderen beitragen. (…) Es gibt eine Lösung der deutschen Frage nur mit der Sowjetunion, nicht gegen sie."

    Bei der moderaten Beschreibung der Motivlage der ostdeutschen Machthaber gelangte Bahr zu jener Formel, die von nun an über Tutzing hinaus zum geschichtsträchtigen Titel der Ost- und Entspannungspolitik aufsteigen sollte:

    "Die Mauer ist ein Zeichen der Schwäche, man könnte auch sagen, sie ist ein Zeichen der Angst und des Selbsterhaltungstriebes des kommunistischen Regimes. Die Frage ist, ob es nicht Möglichkeiten gibt, diese durchaus berechtigten Sorgen dem Regime graduell so weit zu nehmen, dass auch die Auflockerung der Grenzen und der Mauer praktikabel wird, weil das Risiko erträglich ist. Das ist eine Politik, die man auf die Formel bringen könnte: Wandel durch Annäherung. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Selbstbewusstsein genug haben können, um eine solche Politik ohne Illusionen zu verfolgen, die sich außerdem nahtlos in das westliche Konzept der Strategie des Friedens einpasst, denn sonst müssten wir auf Wunder warten, und das ist keine Politik."

    Doch jener Titel "Wandel durch Annäherung" war Brandt zunächst nicht ganz geheuer:

    "Ich war nicht ganz überzeugt damals von seiner Formel. Aber ich habe gesagt: Es ist ganz gut diesmal."

    Der Grund für Brandts Zweifel?

    "Dass es missverstanden werden könnte: als ein sich selbst in grundsätzlichen Positionen Wandeln-Wollen, was ja nicht gemeint war. Was gemeint war, aber häufig durch ganz knappe Formeln nicht hinreichend rüberkommen kann, nämlich, dass durch mehr Kontakt, mehr Zusammenarbeit die Verhältnisse sich im anderen Teil Europas rascher verändern können, als wenn die von uns abgetrennt blieben. Also Gorbatschow haben wir, um ehrlich zu sein, auch damals nicht vorausgesehen."

    Allen anfänglichen Zweifeln zum Trotz sieht sich Bahr aber im Rückblick als erfolgreicher Spiritus Rector bestätigt.

    "Wandel durch Annäherung war eine Formel, die mir da eingefallen war. Und mein Vertreter im Presseamt hat das drübergesetzt und es hat unglaublich gewirkt. Und wir waren beide überrascht. Wir waren dem Denken der Öffentlichkeit weit voraus."

    Und auch dem in der eigenen Partei:

    "Also auf meinen kleinen Beitrag hat Herbert Wehner geantwortet: Das ist ba(h)rer Unsinn. Das heißt, er war gar nicht begeistert. Und das Gleiche konnte man sagen von einem Teil der Berliner Partei. Viele haben nicht begriffen, dass der Höhepunkt des Kalten Krieges gleichzeitig der Beginn seines Endes war."

    Bahr wurde wegen seines Redebeitrags in Tutzing scharf attackiert, sodass Brandt sich genötigt sah, ihm in der Sache beizuspringen, auch wenn er Vorbehalte gegen die medialen Alleingänge seines Pressesprechers anmeldete:

    "Über die Tutzing-Polemik müssen wir noch reden. Ich wusste nicht, dass Du Deine Rede über den Pressedienst vertreiben lassen würdest, und halte dies auch (…) für nicht zweckmäßig. Hoffentlich sind wir uns in der Sache einig, dass wir uns den Holzköpfen stellen müssen, dies aber nicht der Punkt der von uns gewünschten großen Auseinandersetzung ist."

    "Wandel durch Annäherung" stand fortan für eine trickreiche, mitunter auch subversiv anmutende Ostdiplomatie, die ihre Ambivalenzen und Paradoxien in dialektische Formeln zu kleiden verstand. So war die Rede

    "von der militärischen Fixierung des Status quo, um ihn politisch zu überwinden",

    Oder …

    "von der Überwindung des Status quo, indem er zunächst nicht verändert werden soll".

    Schließlich das semantische Kunststück aus der ersten Regierungserklärung Willy Brandts 1969, in der es hieß:

    "Die Bundesrepublik und die DDR sind zwei Staaten, die füreinander nicht Ausland sind."

    Diese ambivalente Mischung aus Anerkennung des Status quo und mehr oder minder latenter Veränderungsabsicht begründete ein "System der kommunizierenden Röhren". Christian Hacke dazu:

    "Die Dialektik dieses Ganzen ist, dass Brandt und Bahr sagen, in dem Maße, in dem die andere Seite, also Ostberlin, aber auch nachher Osteuropa und Moskau, die Qualität der Grenzen verbessert, also durchlässig macht, und in dem Maße, in dem auch Ostberlin mit der Sowjetunion die Mauer durchlässiger macht, in dem Maße könnten wir bereiter sein als bisher, auch die Qualität der Grenzen und vielleicht auch die Souveränität verbessern oder aufwerten. Und das ist dieses System der kommunizierenden Röhren."

    Zur ersten Nagelprobe dieser neuen Politik kam es bei dem Passierscheinabkommen des Berliner Senats mit Behörden der DDR Ende 1963. 1,2 Millionen Menschen aus dem Westen konnten zwei Jahre nach dem Mauerbau während der Weihnachtstage erstmals ihre Verwandten im Osten wieder besuchen.

    "Im Moment macht mich jemand darauf aufmerksam, hier vom Deutschen Roten Kreuz, dass von der anderen Seite Menschen herüberkommen aus dem Ostsektor. Sie haben dort Ihre Familie besucht. Ist die Abfertigung schnell gegangen? – Sehr schnell, sehr schnell, ja, fünf Minuten hat`s nur gedauert. - Auch auf dem Hinweg war`s nicht länger? – Genauso schnell, genauso schnell. – Und die Freude war groß auf beiden Seiten? – Das können Sie sich ja wohl denken. Viele Tränen, aber alles Freudentränen, ja alle."

    Mutig nahm der Berliner Senat einen offenen Dissens mit der CDU-geführten Bundesregierung in Kauf.

    "Die CDU hat damals gesagt: Mit Gefängniswärtern verhandelt man nicht. Brandt hat gesagt: Kleine Schritte sind besser als große Worte."

    Unter dieser Devise wurde dann auch die neue Ost- und Entspannungspolitik mit Beginn der sozialliberalen Koalition 1969 in die Wege geleitet, begleitet von schlimmsten Befürchtungen der Opposition. So gab es um die Entspannungspolitik und ihr Vertragswerk die wohl heftigsten Kontroversen in der Geschichte der alten Bundesrepublik. Christian Hacke, damals auch wissenschaftlicher Berater des CDU-Außenpolitikers Walther Leisler Kiep, erinnert daran:

    "Es ging nicht um präzise Argumente dagegen, die man hatte, sondern es waren oft Unterstellungen, Verleumdungen, also es war ein zum Teil sehr aufgeheiztes, bitteres Klima, was entstand, natürlich zum Teil auch getragen von Sorgen der Konservativen wie von der CDU. Das darf man auch nicht vergessen."

    Der Moskauer Vertrag von 1970 war ein Gewaltverzichtsabkommen auf der Basis der seit 1945 entstandenen Realitäten. Der Warschauer Vertrag aus dem gleichen Jahr erkannte die Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze an. Und der Grundlagenvertrag mit der DDR strebte nach "gutnachbarlichen Beziehungen" - wie im Artikel 1 fixiert war. Bei der Paraphierung des Abkommens im November 1972 zeigte sich der DDR-Verhandlungsführer Michael Kohl zufrieden:

    "Ein Vertrag muss die Interessen und legitimen Wünsche beider Seiten berücksichtigen. Aber es war ja gerade unser Bestreben, hier etwas Solides zu schaffen. Das ist eigentlich wohl auch gelungen."

    Und der bundesdeutsche Verhandlungsführer Egon Bahr lobte die Gegenseite:

    "Wir wollen auch nicht verkennen, dass die DDR einen beträchtlichen Weg zurückgelegt hat, damit der heutige Vertragsabschluss möglich geworden ist."

    Doch davon konnte hinterher kaum mehr die Rede sein, wie selbst der SPD-nahe Historiker Heinrich Potthoff feststellen musste. Denn die DDR…

    "perfektionierte die Selbstschussanlagen an der Grenze, beschloss eine kompromisslosere Anwendung der Schusswaffen, stockte die Stasi von 1970 bis 1975 um 37 % Personal auf und erhöhte die Mindestumtauschsätze für Tagesbesuche drastisch."

    "Die Verträge haben vielleicht weniger Normalisierung gebracht, als Brandt und Bahr erhofft haben, vielleicht auch die Bevölkerung."

    Und als die Triebkraft der Entspannung, wie sie Bahr vorschwebte, bereits vor dem Kanzlerrücktritt Willy Brandts zu erlahmen schien, trat Fraktionschef Herbert Wehner auf den Plan, um die Lösung humanitärer Fragen über den Weg seiner "guten" Kontakte zu Erich Honecker ins Spiel zu bringen. Hieraus entwickelte Egon Bahr den bis heute aufrechterhaltenen "Verrats"-Vorwurf gegen den "Kärrner" der SPD:

    "Und da bekamen wir über unseren direkten Kanal aus Moskau die Einschätzung über Wehner und seine Gespräche in Moskau: Das ist ein Verräter."

    Auch wenn Wehner außer seinen "guten" Kontakten zu alten Weggefährten kein Entspannungskonzept auf Lager hatte, halten selbst Wehner-Kritiker die "Verrats"-Polemik Egon Bahrs für einen reinen Schuldabwehrvorwurf, nachdem dieser in den 1980er-Jahren seinerseits allzu starr am Status quo festgehalten hatte. Christian Hacke:

    "Wehner, der Taktiker, der auch die Hoffnungslosigkeit sieht und der nun sagt: Mit diesen Stalinisten da in Ostberlin – das ist Illusion. Und wenn man was erreichen kann, dann muss man mit diesen Kerlen – er kannte sie ja teilweise noch aus Moskau, das traute er sich zu - da kann man mit denen auch persönlich sprechen."

    Das dialektische Prinzip "Wandel durch Annäherung" war mithin aufgebrochen. Die alte Ost- und Deutschlandpolitik hatte sich zu Beginn der 1980er-Jahre mit dem Aufkommen der osteuropäischen Dissidenz überlebt. Für Timothy Garton Ash sind "Stabilität und Stabilisierung" zum "Zweck verkümmert", nachdem sie doch zunächst als Mittel zur Liberalisierung der kommunistischen Systeme verstanden worden waren. Der britische Historiker stellt sich die Frage,

    "ob zu diesem Zeitpunkt nicht eine andere Politik möglich und angemessen gewesen wäre, die innere Reformen wirklich angemahnt, Dissidenten nicht allein gelassen, die Achtung der Menschenrechte stärker akzentuiert und dafür mit dem Lockmittel größerer finanzieller Leistungen der Bundesrepublik geworben hätte."

    Die Historiker mögen sich weiterhin streiten, ob nun die Entspannung den Niedergang des Sowjetimperiums und der kommunistischen Ideologie beschleunigt oder einen irreversiblen Prozess nur verlangsamt hat. Für den Politologen Christian Hacke steht jedoch fest, dass Bahrs "Wandel durch Annäherung" ein historisch verdienstvolles Projekt war, auch wenn sich damit bis zur Deutschen Einheit nicht alle Wünsche erfüllt haben:

    "Kein CDU-Politiker, ich sehe keinen einzigen, der, wenn er an der Macht gewesen wäre in den sechziger Jahren oder auch Anfang der siebziger Jahre, mit diesem Mut, dieser Kühnheit, zum Teil mit dieser Tollkühnheit von Brandt und Bahr diese Ostpolitik und Deutschlandpolitik initiiert hätte."

    Doch die Politik des "Wandels durch Annäherung" sollte gerade im magischen Jahr 1989 gehörig in die Kritik geraten. Als die Massenflucht aus der DDR einsetzte, warf CDU-Generalsekretär Volker Rühe den Sozialdemokraten vor, ihre Politik sei zum Prinzip "Wandel durch Anbiederung" degeneriert, weil sie

    "die Stabilisierung totalitärer Parteien und die Schwächung freiheitlicher Bewegungen in Kauf genommen hat, in der DDR genauso wie in Polen."

    Aber auch in der SPD machte sich Unbehagen breit. Erhard Eppler hielt das SED-Regime in seiner Rede zum 17. Juni wegen erwiesener Reformunfähigkeit für erledigt. Und Norbert Gansel riet seiner Partei zu einer Politik des "Wandels durch Abstand":

    "Fototermine mit den Betonköpfen der SED sind Bärendienste für den inneren Wandel in der DDR."

    Mittlerweile scheint die Formel "Wandel durch Annäherung" ihre außenpolitische Attraktivität ein wenig eingebüßt zu haben. Angelehnte Floskeln haben sie abgelöst: "Wandel durch Handel" oder "Annäherung ohne Wandel". Bei der gas- und ölgetriebenen Ostpolitik mit Wladimir Putin oder Panzern für die Saudis stören Menschenrechtsaktivisten. Doch Erfinder Egon Bahr zeigt sich von solcher Kritik unbeeindruckt. Er beansprucht für seine Formel eine dauerhafte diplomatische Gültigkeit:

    "Wandel durch Annäherung ist eine Methodik, und ich sehe nicht, wenn man kooperativ sein will und nicht konfrontativ sein will, weil es nicht mehr geht, weil auch heute Kriege entsetzlich wären, und zwar dazu führten, dass Demokratie, Freiheit und Menschenrechte gefährdet sind, wenn man es nicht schafft, Konflikte zu vermeiden. Aber etwas anderes, sich abwenden, konfrontativ werden, das kann nicht funktionieren."
    Willy Brandt (l) und Egon Bahr 1972 im Gespräch.
    Willy Brandt (l.) und Egon Bahr 1972 im Gespräch. (picture-alliance / Sven Simon)