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Geschichte aktuell: Eine Schule der Demokratie

Die Idee zu einem Runden Tisch hatte sich die DDR-Opposition bei ihren osteuropäischen Nachbarn abgeschaut. Mit dem Beschluss zu freien Wahlen im März 1990 ebnete der "Zentrale Runde Tisch" den Weg zur Wiedervereinigung.

Von Otto Langels | 07.12.2009
    "Wir wollten die Ecken der Tische zu unserem heutigen Gespräch auch nicht absägen. Das wäre nicht nur die Schädigung fremden Eigentums gewesen, es wäre auch der Sache nicht angemessen. Denn die Probleme, mit denen wir uns heute zu befassen haben, sind kantig. Sie fordern den Meinungsstreit heraus, vor allen Dingen aber erfordern sie die gemeinsame Suche nach Lösungen."

    Mit diesen Worten eröffnete Oberkirchenrat Martin Ziegler die erste Sitzung des Zentralen Runden Tisches in der DDR am 7. Dezember 1989. Unter der Moderation von drei Kirchenvertretern trafen sich Abgesandte der etablierten staatstragenden Parteien und Mitglieder der Opposition.

    "Das Entscheidende scheint uns zu sein, dass die politisch wirksamen Kräfte unserer Gesellschaft in möglichster Breite zum Gespräch über die Zukunft unseres Landes und über die Lösung der gegenwärtigen Probleme zusammen geführt werden."
    Wenige Monate vor dem ersten Treffen am Runden Tisch war die Herrschaft des SED-Regimes unter dem Druck der Ausreisewelle und der Montagsdemonstrationen in Leipzig ins Wanken geraten. Die Bürgerbewegung hatte sich im Herbst 1989 in Gruppen organisiert, war jedoch noch nicht stark genug, um das alte Regime in die Knie zu zwingen. Ehrhart Neubert, Gründungsmitglied des Demokratischen Aufbruchs:
    "Schon im Oktober gab es informelle Gespräche zwischen Vertretern des Demokratischen Aufbruchs und den Sozialdemokraten – Gutzeit, Hilsberg, Meckel – und mir vom Demokratischen Aufbruch. Und wir haben überlegt, wie wir die SED zu einem gleichberechtigten Dialog bringen. Die SED hat ja am Anfang überhaupt nicht reagiert, sondern die haben uns ignoriert. Noch war ja davon die Rede, dass Staatsfeinde am Werk seien. Dann aber kamen diese großen Demonstrationen im November und vor allem die Maueröffnung. Und da war es so, dass die SED nun plötzlich versuchte, mit uns Kontakt zu kriegen, um noch zu retten, was zu retten war."

    Als Rahmen für Gespräche bot sich ein sogenannter Runder Tisch an, wie es ihn bereits zuvor in anderen osteuropäischen Ländern gegeben hatte. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, Autor des Buches "Endspiel" über die Revolution von 1989 in der DDR:
    "Als sich Anfang 1989 in Polen der Runde Tisch konstituierte, hatte das auch eine große Sogwirkung, eine Ausstrahlung auf die DDR, insbesondere auf die kritischen Kreise in der DDR, die darüber nachdachten, auch so eine friedliche Form der Übergabe der Macht zu institutionalisieren. Und als es dann wenige Monate später im Herbst 1989 zur Revolution in der DDR kam, war das von Anfang an ein Modell, über das relativ schnell nachgedacht wurde."
    Am 22. November kündigte SED-Generalsekretär Egon Krenz an, dass sich seine Partei an einem Runden Tisch beteiligen werde. Er verband damit insgeheim die Hoffnung, seinem Regime eine Atempause verschaffen zu können. Krenz behauptete überdies, die SED lade zu den Gesprächen ein, eine dreiste Behauptung, denn faktisch zeichneten die Kirchen für den Runden Tisch verantwortlich.

    "Die Einberufung des Zentralen Runden Tisches war insofern ein Sieg der Opposition, als von Anfang an ja klar war und feststand, dieser Zentrale Runde Tisch, an dem die alten Vertreter des Staates und die neuen Oppositionsgruppen mehr oder weniger gleichberechtigt zusammen saßen, ein zentrales Ziel hatte. Und dieses Ziel hieß Vorbereitung von freien und demokratischen Wahlen in der DDR."

    Am Runden Tisch Platz nehmen sollten die SED, die mit der Staatspartei bis dahin verbündeten sogenannten Blockparteien CDU, Demokratische Bauernpartei, Liberaldemokratische Partei und National-Demokratische Partei sowie die Gruppen der Bürgerbewegung: Demokratischer Aufbruch, Demokratie Jetzt, Initiative Frieden und Menschenrechte, Neues Forum, Vereinigte Linke, Grüne Partei und die neu gegründete Sozialdemokratie. Ulrike Poppe gehörte damals zum Sprecherrat von Demokratie Jetzt.

    "'Demokratie Jetzt' wie andere neue Gruppierungen auch, durften zwei Vertreter an den Runden Tisch entsenden. Und wir beschlossen zunächst, es sollte ein Mann und eine Frau sein. Alle waren der Meinung, Wolfgang Ullmann ist der Beste. Und dann ging's um eine Frau. Da gab's gar nicht so viele Frauen bei uns, und auch ich habe mich gewunden und wollte nicht so recht und wusste ja auch nicht so genau, was da auf mich zukommt. Hin und her, jedenfalls hab ich mich breitschlagen lassen."
    Am Nachmittag des 7. Dezember versammelten sich die Mitglieder des Runden Tisches im Dietrich-Bonhoeffer-Haus der evangelischen Kirche in Ost-Berlin unweit des Bahnhofs Friedrichstraße. Das erste Treffen war ein Medienereignis. Fernsehen und Hörfunk übertrugen die Sitzungen später zum Teil live:
    "Auf den Runden Tisch richten sich viele Hoffnungen, aber mit großer Geduld der Bevölkerung können weder Regierung noch Opposition rechnen. Die Massen, die die Wende bewirkt haben, wollen die Revolution vorantreiben in einem Tempo, das beiden Seiten den Atem zu verschlagen droht."

    Vor dem Gebäude protestierten unter anderem Anhänger des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Unabhängigen Frauenverbandes und der Grünen Liga, weil sie nicht eingeladen waren. Sie durften nach längerer Diskussion am Tisch Platz nehmen. Über die Zulassung weiterer Gruppen führte der Runde Tisch immer wieder stundenlange Geschäftsordnungsdebatten. Daran beteiligt war Lothar de Maiziere, seit dem 10. November Vorsitzender der Ost-CDU.

    "Bei der ersten Sitzung war geplant, wir fangen nachmittags an von 17 bis 19 Uhr, wir haben bis nach Mitternacht getagt, dann haben wir noch den Hausmeister wach gemacht, weil der als einziger Schlüssel hatte in Räume, wo eine Schreibmaschine stand. Und dann haben wir die Beschlüsse noch in eine Schreibmaschine diktiert."
    Eine der ersten Aufgaben des Runden Tisches war, sich ein Bild von der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage des Landes zu machen. Das Ausmaß der Krise wurde den Teilnehmern erst nach und nach bekannt. Am 18. Dezember forderten Rolf Henrich vom Neuen Forum und der SED-PDS-Vertreter Gregor Gysi von der Regierung unter Ministerpräsident Hans Modrow:
    "Wir wissen ja gar nicht, was im Moment geschieht. Es findet da keine Mitteilung drüber statt, welche Wirtschaftsverhandlungen im Moment geführt werden. Wir kennen überhaupt nicht die Finanzlage der DDR. All dies muss nun freigelegt werden. Jetzt haben ja wir hier als Vorschlag erarbeitet, dass wir also praktisch eine Aufklärung bekommen über die wirtschaftliche und finanzielle Situation und dass wir auf dieser Grundlage hier dann Vorschläge unterbreiten können, um hier zur Stabilität beizutragen."
    Neben dem Zentralen Runden Tisch in Berlin entstanden gleichzeitig überall in der DDR vergleichbare regionale und lokale Gremien. Sie übernahmen nach dem Rücktritt zahlloser SED-Funktionäre öffentliche Aufgaben; zum Beispiel in Leipzig, wo Christian Scheibler als Sprecher des Bürgerkomitees am Runden Tisch saß.

    "Im Winter ging's um Straßenreinigung, dann ging's tatsächlich um die Milchversorgung der Bevölkerung, um die Kohlenversorgung. Da funktionierte nichts mehr. Überall war Mangel. Der eigentliche Handlungsvorteil, der uns befähigte zu agieren, war die Transparenz in der Öffentlichkeit. Wir haben alles, was wir getan haben, immer öffentlich gemacht. Unsere Öffentlichkeit war Macht."
    Obwohl sich am Zentralen Runden Tisch in Berlin mit den Vertretern der etablierten Kräfte und der Opposition politische Gegner gegenübersaßen, verliefen die Sitzungen relativ harmonisch. SED, Blockparteien und neue Gruppierungen verfolgten zwar unterschiedliche politische Ziele, aber sie waren gewissermaßen zur Zusammenarbeit verdammt und sichtlich bemüht, Auswege aus der Krise zu finden. Ehrhart Neubert vom Demokratischen Aufbruch und Lothar de Maiziere, CDU:
    "Dieses Modell konnte nur funktionieren, wenn man versuchte, eine größtmögliche Übereinstimmung zu erzielen. Also so ein Harmoniemodell, das dann auch Differenzen, die dann auch auftraten und tatsächlich da waren, dass man da irgendwelche Kompromisse suchte und fand. Denn der Runde Tisch war ja auch keine demokratische Organisation, die von irgendjemandem gewählt worden war, sondern es war von Anfang an als ein Übergangsinstrument gedacht von der Diktatur in die Demokratie. Und insofern musste ein möglichst hoher Konsens hergestellt werden."

    de Maiziere: "Die neuen Gruppierungen nannten sich die Opposition, und die anderen Parteien galten als die Regierungsparteien, aber im Grunde kam es trotzdem zu einem Dialog, der nicht konfrontativ war wie in der jetzigen parlamentarischen Demokratie, wo ein Gedanke schon deswegen falsch ist, weil er vom politischen Gegenüber kommt, sondern wir waren auch bereit, quer über die Gruppen hinweg Mehrheitsbeschlüsse zu fassen."

    Allerdings waren die Arbeitsbedingungen der Oppositionsgruppen zunächst miserabel. Während den etablierten Kräften der gesamte Staats- und Parteienapparat zur Verfügung stand, fehlte der Bürgerbewegung die notwendige Unterstützung.

    Poppe: "Wir hatten ja am Anfang noch keine Büros und keine Mitarbeiter, natürlich nicht. Wir hatten unsere Wohnungen und ein ständig überlastetes Telefon, das dauernd klingelte. Mein Briefkasten war so voll, dass die Postfrau die Briefe schon danebenlegte. Ich bin kaum dazu gekommen, jeden Tag die Menge von Briefen zu öffnen, geschweige denn zu lesen, geschweige denn zu beantworten. Das war eine wahnsinnige Überforderung. Und oft entschieden wir aus dem Bauch heraus sehr spontan, ohne uns ausreichend kundig machen zu können, ohne wirklich auch Situationen überblicken zu können. Wir konnten auch oft die Meldungen, die an uns herangetragen wurden über die Situation im Lande, nicht überprüfen."

    Denn der Runde Tisch hatte keine legislativen und administrativen Befugnisse. Er war ein Gremium, das weder in der Verfassung noch in irgendeinem Gesetz der DDR vorgesehen war, so der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk:
    "Aber er hatte ein unglaublich hohes moralisches Gewicht durch die Vertreter der Opposition. Wenn dort etwas gefordert wurde, dann ist das schon auch in der Gesellschaft aufgenommen worden, es hat eine große Resonanzkraft entfaltet, und die amtierende Regierung unter Modrow und die einzelnen Institutionen konnten sich der Sache nicht so ohne Weiteres entziehen. Das hat sich dann im Januar und Februar immer weiter verdichtet, sodass der Runde Tisch immer stärker zu so einer kleinen Nebenregierung wurde."

    Besonders deutlich wurde der Einfluss des Rundes Tisches im Umgang mit der Stasi. Die Regierung wollte die Geheimdienststrukturen bewahren und die Gemüter mit einer Umbenennung des Ministeriums für Staatssicherheit in Amt für Nationale Sicherheit beruhigen, doch die Opposition gab sich damit nicht zufrieden.
    "Das wichtigste Machtinstrument, was die Opposition hatte, war die Bevölkerung. Zum Beispiel als Modrow versucht hat zu verhindern, dass die Stasi aufgelöst wird und durch alle möglichen Manöver das immer wieder rausgezogen hat, und dann noch begründet worden ist, es gäbe in der DDR eine faschistische Gefahr, deswegen müsse man die Stasi aufrecht erhalten. Da hat die Bevölkerung zu den Oppositionellen am Runden Tisch gehalten, also die Bauarbeiter in Berlin haben demonstriert, die Taxifahrer sind um die Volkskammer rumgefahren, und es gab Demonstrationen im ganzen Land."
    Die Situation eskalierte, als sich am 15. Januar 1990 rund 100.000 Menschen zu einer Demonstration vor der Stasi-Zentrale in der Ost-Berliner Normannenstraße versammelten.
    "Viele sind inzwischen in das Gebäude eingedrungen, und die Sicherheit der dort Arbeitenden, mit der Auflösung des Amtes Befassten ist nicht mehr gewährleistet."
    Erklärte Konrad Weiß, Vertreter von Demokratie Jetzt am Runden Tisch, am Nachmittag des 15. Januar.
    "Aus diesem Grund haben wir die Arbeit am Runden Tisch soeben unterbrochen, und wir appellieren an alle Bürgerinnen und Bürger, die Ergebnisse unserer friedlichen Revolution nicht auf das Spiel zu setzen. Lassen Sie das Wort, unter dem wir unsere Revolution angetreten haben, auch heute in dieser Stunde bewahren, keine Gewalt. Ich bitte Sie, keine Gewalt."

    Der Sturm auf das Stasi-Gelände endete – bis auf einige eingetretene Türen, zerschlagene Fensterscheiben und demolierte Räume – friedlich. Das Thema Staatssicherheit war damit für den Runden Tisch aber nicht abgeschlossen. Ilko-Sascha Kowalczuk:
    "Auf der einen Seite hat er sich dafür starkgemacht, dass die Unterlagen archiviert werden, nicht vernichtet werden. Auf der anderen Seite hat er es zugelassen, dass die Hauptverwaltung Aufklärung ihre Selbstauflösung betreiben konnte bis zum 30. Juni und demzufolge auch praktisch ihr gesamtes Archiv vernichten durfte beziehungsweise – die Gerüchte gibt's ja immer wieder noch -, dass sie diese Unterlagen ins Ausland verbringen konnte."

    Bis heute ist nicht geklärt, ob Stasi-Offiziere auf die Entscheidungen des Runden Tisches Einfluss zu nehmen versuchten. Denn am Runden Tisch saßen mindestens zwei inoffizielle Mitarbeiter des MfS, wie sich Ehrhart Neubert erinnert:
    "Es gab IMs am Tisch beziehungsweise auch Leute, von denen man nicht genau wusste oder bis heute nicht genau weiß, wie stark waren sie angebunden. Aber man kann keineswegs von einer Steuerung durch das MfS sprechen, denn spätestens im Januar gab es diese Struktur nicht mehr. Die IMs sind in der Regel abgeschaltet worden. Später hat man eher den Eindruck, dass solche wichtigen IMs wie Ibrahim Böhme bei den Sozialdemokraten oder Wolfgang Schnur beim Demokratischen Aufbruch sich freischwimmen wollten. Also sie wollten verhindern, dass ihre Akten zu sehen sind, aber sie haben sich innerlich gelöst und waren oftmals die Radikaleren gegen die SED."
    Der Umgang mit der Stasi stand immer wieder auf der Tagesordnung des Runden Tisches. Daneben beschäftigte sich das Gremium aber auch mit anderen Themen wie einer neuen Verfassung, einer Sozialcharta, einem Medien- und Wahlgesetz, Ausländer- und Bildungsfragen, Umweltproblemen, Korruption und Machtmissbrauch.
    Neubert: "Der Runde Tisch hat zum Beispiel eine Arbeitsgruppe eingesetzt für eine neue Verfassung. Das ist nicht fertig geworden. Die Sozialcharta hat so viel Ideale in der Sozialpolitik beschrieben, wie sie weder in der DDR noch in der Bundesrepublik je bestanden haben und können. Da war auch viel Utopie am Werke. Aber ich sehe das auch ein bisschen positiv. Utopien sind immer auch in Revolutionen nötig, um die Motive zum Handeln zu produzieren."
    Der Entwurf einer neuen DDR-Verfassung mit ihren romantisierenden Vorstellungen einer solidarischen, gerechten und sozialen Gesellschaft wurde nicht mehr verabschiedet. Die neue Volkskammer, so das einstimmige Votum des Runden Tisches, sollte sich nach den Wahlen damit beschäftigen.
    "Eine Wahl zur Volkskammer soll stattfinden vorgezogen am 18. März 1990."
    Verkündete Martin Ziegler, Moderator des Runden Tisches, am späten Abend des 28. Januar 1990.
    "Zweitens: In einer Regierung der nationalen Verantwortung entsenden alle am Runden Tisch vertretenen Gruppierungen, die noch nicht in der Regierung vertreten sind, je einen Vertreter ohne Ressort. Drittens: Es wird ein Minister für den Runden Tisch bestimmt, der am Runden Tisch selbst die Regierung vertritt. Und schließlich der ins Auge gefasste Termin 6. Mai 1990 wird genutzt zur Wahl für die Städte und Gemeinden, also für die Kommunalwahlen."

    Kowalczuk: "Der Zenit des Zentralen Runden Tisches war genau in dem Moment überschritten, als klar war, dass es zu freien Wahlen kommt. Das war ja ungefähr sechs Wochen vorher klar, und genau in dem Moment spielte der Zentrale Runde Tisch in der Wahrnehmung der Menschen nicht mehr die Rolle, weil man wusste, es dauert nur noch ein paar Wochen, dann haben wir ein demokratisch legitimiertes Parlament."
    Der Runde Tisch hätte sich mit seiner Entscheidung für vorgezogene freie Wahlen faktisch selbst entmachtet, meint der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. Zudem hätten sich die Oppositionsvertreter vom Ministerpräsidenten Hans Modrow Regierungsverantwortung aufdrängen lassen.
    "Ich bitte die Vertreter aller Parteien und Gruppierungen hier am Runden Tisch, den Ministerpräsidenten und seine Regierung an ihrer Aufgabe nicht zerbrechen zu lassen, sondern dafür zu sorgen, dass sie die notwendige Arbeit tun können."

    Kowalczuk: "Am Ende kam es ja zu dieser sogenannten Regierung der nationalen Verantwortung, als mehrere Oppositionelle als Minister ohne Geschäftsbereich in die Modrow-Regierung einstiegen: Matthias Platzeck zum Beispiel, Sebastian Pflugbeil, Gerd Poppe, Reiner Eppelmann, um nur mal vier bekanntere Namen zu nennen. Deren Hauptaufgabe sollte darin bestehen, dass sie das Regierungshandeln der Modrow-Regierung gewissermaßen beobachten und kontrollieren. Aber das war natürlich praktisch nicht möglich. Die blieben Fremdkörper dieser Regierung. Denen hat man zwar ein Dienstauto zur Verfügung gestellt und irgendwo einen Arbeitsraum, aber das war es dann auch schon."
    Insgesamt 16mal tagte der Runde Tisch. Am 12. März 1990, sechs Tage vor den ersten und zugleich letzten freien Wahlen zur DDR-Volkskammer, fand die abschließende Sitzung statt, an der Lothar de Maiziere und Ulrike Poppe teilnahmen.

    de Maiziere: "Das ist glaube ich der Hauptverdienst des Runden Tisches, er hat dafür gesorgt, dass das Land nicht im Chaos versunken ist. Er war ein ganz wichtiges Transitorium, ein Übergangsinstrument, und er diente der Einübung von Demokratie. Erstmalig konnten politische Fragen ergebnisoffen diskutiert werden."

    Poppe: "Der bleibende Wert des Runden Tisches liegt in seinem Erfolg, und der Erfolg besteht darin, dass es tatsächlich gelungen ist, nach drei Monaten die ersten freien, allgemeinen, geheimen Wahlen zustande zu bringen, und überhaupt die Bedingungen zu schaffen, dass die Demokratie nun aufs Gleis gesetzt war und der Rechtsstaat eingeleitet worden ist. Und das ist alles friedlich vor sich gegangen und in relativ kurzer Zeit. Ich glaube auch, dass darin der große Wert des Runden Tisches lag, dass die Bevölkerung auch das erste Mal die Möglichkeit hatte, die Genese politischer Entscheidungen mitzuerleben, mitzuverfolgen."