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Geschichte der Apostolischen Nuntiatur
Spürnasen des Papstes

Das Deutsche Historische Institut in Rom veröffentlicht Geheimberichte, die sogenannte Nuntien an die Kurie meldeten. Besonders interessant ist dabei, wie die Glaubenskämpfe im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bewertet wurden. Doch den Papst interessiert auch das Privatleben des Kaisers.

Von Thomas Migge | 17.03.2017
    Das 1888 gegründete Deutsche Historische Institut in Rom. Ebeschäftigt seit seiner Anfangszeit mit jenen Geheimberichten, die päpstliche Botschafter, die Nuntien, Jahrhunderte lang nach Rom, ins Staatssekretariat schickten.
    Das 1888 gegründete Deutsche Historische Institut in Rom. (Claudio Cassaro)
    Klugheit und Fingerspitzengefühl, unbescholtener Lebenswandel, Frömmigkeit und Glaubenseifer, Adel, ein angemessenes Alter, eine theologische und humanistische Bildung und Gelehrsamkeit, diplomatische Erfahrung, Pastoral- und Verwaltungspraxis, Redlichkeit, Ansehen und Würde, Umgangsformen, Fleiß - und weitere rund zehn Qualitäten musste ein Kandidat mitbringen, um im 16. und 17. Jahrhundert päpstlicher Nuntius, also Botschafter des Heiligen Stuhls zu werden.
    Mit der Entstehung des modernen päpstlichen Gesandtschaftswesens im 16. Jahrhundert entstand ein langer Katalog von unerlässlichen Voraussetzungen, die jene Kandidaten vorweisen mussten, die Nuntiaturen in Europa besetzen sollten. Dabei war die Nuntiatur im Reich eine der wichtigsten überhaupt. Ein Staatsgebilde, das zunehmend in protestantische und katholische Staaten auseinander fiel, und für die Päpste in Rom ein ständiges Sorgenkind war. Die Päpste lasen deshalb mit besonderem Interesse die so genannten Nuntiaturberichte, die Nuntien aus dem Reich nach Rom schickten. Alexander Koller studiert am deutschen Historischen Institut in Rom diese Berichte:
    "In der Zeit, mit der ich mich beschäftige mit Nuntiaturberichten, gab es ungefähr ein gutes dutzend Nuntiaturen, feste Einrichtungen, ständige Nuntiaturen. Das heißt, der Papste hatte in Madrid, Paris und am Kaiserhof, das waren die wichtigsten, einen ständigen Vertreter, und die berichteten einmal in der Woche nach Rom, an die Kurie, an das Staatssekretariat, und empfingen im Gegenzug von der Kurie ihre Instruktionen, ihrer Weisungen, und das Ganze gibt dann diese Nuntiaturkorrespondenz, die wir verkürzt als Nuntiaturberichte bezeichnen."
    Prädikat "Wertvoll"
    Das Forschungsprojekt Kollers am Deutschen Historischen Institut ist eines der ältesten dieser 1888 in Rom gegründeten Forschungseinrichtung. Die Berichte der Nuntien werden gelesen, studiert und publiziert. Berichte, die im vatikanischen Geheimarchiv aufbewahrt werden, aus den verschiedensten Jahrhunderten. Alexander Koller:
    "Man muss sagen, dass die Nuntiaturberichte wertvoll sind vor allem für die frühe Neuzeit, das 16. und 17. Jahrhundert, für die politische Geschichte, aber auch für das große Thema der damaligen Zeit, nämlich die Konfessionalisierung, die Glaubenskämpfe, denn die Nuntiaturen enwickeln sich unmittelbar nach Beginn der Reformation."
    Und das bedeutet, dass vor allem den Nuntiaturberichten aus dem Reich große Bedeutung zukommt. Die im Reich seit Beginn der Reformation zu beobachtende immer radikalere Konfessionalisierung und die immer heftiger wütenden Glaubenskämpfe unter deutschen Fürsten sorgten in Rom für großes Kopfzerbrechen. Auch deshalb, weil die Nuntien im Reich, das zwar unter der Herrschaft eines römisch-katholisches Kaisers stand, in dem es aber auch protestantische Fürsten gab, nur wenige Kontakte zu letzteren aufbauen konnten.
    Pikante Einblicke
    Kollers Erforschung ist auch das Studium des päpstlichen Versuchs der Einflussnahme auf dem europäischen Schachbrett der religiösen und politischen Macht. Eine spannende Forschungsarbeit also. Die auch pikante Themen zu Tage fördert, denn die Kurie wollte darüber informiert sein, was die jeweiligen Fürsten, Könige und Kaiser für Menschen waren und welche Vorlieben sie hatten:
    "Bei Rudolph II., mit dem ich mich beschäftige, war ja das Problem, er wollte nicht heiraten. Was zum Beispiel in den Nuniaturberichten meiner Zeit eine große Rolle spielt, ist die Erkrankung, und zwar eine Geschlechtskrankheit des Kaisers, die auch als solche benannt wird, durch den Nuntius."
    Was den Papst bei diesem Thema vor allem interessierte: Besteht die Gefahr, dass der Kaiser an der Geschlechtskrankheit sterben könnte? Könnte etwa ein Protestant Kaiser des Reichs werden? Deshalb waren Krankheiten von Herrschern dieses Rangs für die Nuntien und die Päpste wichtige Themen. Themen, die Alexander Koller am deutschen Historischen Institut studiert und veröffentlicht – und damit einen spannenden Einblick in die Beziehungen zwischen dem Papststaat und einem Reich gibt, in dem Protestanten und Katholiken lange Zeit in einem blutigen Kampf um die religiöse und politische Vorherrschaft rangen.