Geschichte eines Tribunals

Das 11. Plenum des ZK der SED 1965

Walter Ulbricht in Berlin beim 6. Parteitag der SED am 21.1.1963, damals erster Sekretär des ZK.
Walter Ulbricht in Berlin beim 6. Parteitag der SED am 21.1.1963, damals erster Sekretär des ZK. © imago stock & people
Von Marcus Heumann · 26.12.2015
"Unsere Deutsche Demokratische Republik ist ein sauberer Staat. In ihr gibt es unverrückbare Maßstäbe für Ethik und Moral, für Anstand und gute Sitte." Mit diesen Worten eröffnet Erich Honecker, damals im Politbüro Sekretär für Sicherheitsfragen und Kronprinz Walter Ulbrichts, im Dezember 1965 eine kulturpolitische Inquisition, die die Literatur-, Theater-, Film- und Musiklandschaft der DDR für Jahre verwüsten wird.
Nach dem Mauerbau 1961 hatten die Kulturschaffenden der DDR auf ein offeneres Klima im Innern gehofft. Und tatsächlich mehren sich nach dem 6. Parteitag 1963, auf dem Ulbricht eine tiefgreifende Reform der ineffizienten Planwirtschaft anstößt, die Anzeichen für eine innenpolitische Liberalisierung - bis sich die Hardliner der Partei beim 11. Plenum des Zentralkomitees aus der Deckung wagen: Bücher, Filme, Theaterstücke und Lieder werden seziert und die "ideologische Verwilderung" der Urheber "entlarvt".
Im Zentrum der Kritik stehen Wolf Biermann, Robert Havemann, Stefan Heym, Heiner Müller und Volker Braun - mitsamt jeder Spielart "westlicher Unkultur". Die Zeit des kulturellen Aufbruchs ist vorüber: Theaterstücke, Bücher und Beatbands werden reihenweise verboten, 12 von 14 Filmen der DEFA-Jahresproduktion 1965 landen in den Archivkellern, Regisseure erhalten Berufsverbot - und die Reformer in der SED werden kalt gestellt.
Produktion: DLF 2015