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Geschichte garantiert keinen Erfolg

Sie haben glanzvolle Zeiten erlebt. Deutscher Vizemeister, DFB-Pokalhalbfinale, Derbys vor 30.000 Zuschauern. Doch heute spricht niemand mehr von Ihnen. Die Rede ist von den großen Fußball-Traditionsvereinen im Ruhrgebiet. Ihr auf und ab spiegelt die Geschichte des Reviers wieder. Besondern des Bergbaus, aber auch der Stahlindustrie. Von den Höhen träumen die Fans noch heute.

Von Dietmar Alexy | 14.05.2011
    "Mein Großvater hatte viel davon erzählt, ist früher auch als Piccolo immer schon vorm Krieg zu 07 gegangen, hatte noch erzählt, wo 07 damals noch vor 40 000 im Schwelgern gegen Schalke gespielt hatte. Seitdem gucke ich jedes Jahr 07. Also, wenn man wirklich Fan ist, dann steht man zu seinem Verein, egal ob dritte oder achte Liga."

    Carsten Back ist einer der wenigen noch verbliebenen jungen Fans des Duisburger Traditionsvereins Hamborn 07. Der 32-Jährige lebte aber noch gar nicht, als sein Verein den größten Erfolg feierte. Nämlich 1961. Da standen die Hamborner "Löwen" im DFB-Pokal-Halbfinale. Und schon gar nicht in den 50er-Jahren, als die legendäre Fahrstuhl-Mannschaft zwischen Oberliga und zweiter Liga West hin- und her pendelte. Dass in den folgenden Jahrzehnten noch 15 weitere Auf- und Abstiege folgen sollten, ahnte damals noch niemand. Während dieser Verein mehr mit der Stahlindustrie in Form des Weltkonzerns Thyssen verknüpft war, ist für Vereine wie die Sportfreunde Katernberg oder dem SV Sodingen der Bergbau zum Schicksal geworden. Er sorgte für Arbeit, Wohnungen und soziale Sicherheit für Spieler und Anhänger. Die Katernberger brachten es dadurch 1948 immerhin bis zum Vizemeister der Oberliga West. Vor dem damals besten Verein aus Gelsenkirchen, dem STV Horst-Emscher. Alois Bullmann, der heute 88-jährige Kassierer der Sportfreunde Katernberg, erinnert sich an das Spitzenspiel auf eigenem Platz:

    "Da der Platz ziemlich beschränkt war in den Zuschauern, kamen die ... die Horster alle mit der Zechenbahn. Hatten sie an den Zechenzug, hatten sie so Personenwagen angehängt und fuhren bis zur Gelsenkirchener Straße."

    Aber das Ende des Bergbaus führte dann auch zum Niedergang der kleinen Vereine. Doch es war nicht einzige Grund, wie der Herner Sporthistoriker Ralf Piorr berichtet:

    "Aber es ist nicht der alleinige Grund, also es gibt einfach auch ganz normale sportliche Prozesse. Die Oberliga West änderte sich in die Bundesliga, das heißt es gab eine Professionalisierung. Für viele Vereine wurde das Risiko Bundesliga einfach zu groß."

    Die Einführung der Bundesliga wurde auch für den Duisburger Spielverein zum Verhängnis. "Der Altmeister", dem so oft wie kein anderer die Qualifikation für die Endrunde zur Deutsche Meisterschaft gelang, er stürzte ab bis in die Kreisliga B. Als letzter der heute kleinen Vereine qualifizierte sich 1955 der SV Sodingen für die Deutsche Meisterschaft. Bundesweit sorgte er für Schlagzeilen. Wie bei allen Traditionsvereinen hängen die Fans besonders an ihrem Club. Das gilt selbst für den in Kroatien geborenen Veselko Jovanovic, heute 1. Vorsitzender des SV Sodingen:

    "Ich habe mein Herz an SV Sodingen verloren. Zu Anfang habe ich nicht geglaubt, ich kam damals zum Vorstand wie eine Jungfrau zu Kind. Wenn mir bewusst war, später, um welchen Verein es sich hier handelt. Das ist für mich schon seit 24 Jahren schwer vorzustellen, dass ich sonntags nicht zum Spiel komme."

    Doch Tradition garantiert keinen Erfolg - wie auch das Beispiel der Sportfreunde Katernberg zeigt: Sie spielten während eines kurzen Zwischenhochs 1989 vor 2.000 Besuchern in der Oberliga Nordrhein. Doch selbst das große Zuschauerpotential konnte nicht verhindern, dass die Schere zwischen Arm und Reich auch beim Fußball immer größer wird. Zu allem Überfluss rauben die vielen Fernsehübertragungen und Profi-Vereine in der Nachbarschaft - wie der deutsche Meister Borussia Dortmund oder die Pokalfinalisten Schalke 04 und MSV Duisburg - die Zuschauer. Darunter leidet auch die Herner Westfalia, die nur durch den Verkauf des Stadionnamens die Finanzkrise milderte. Stellvertretend für viele der Vereine sagt der Hamborner 1. Vorsitzende Ernst Schneider:

    "Wir haben nicht die riesige Sponsoren im Hintergrund, die unheimlich Geld in den Verein stecken. Deswegen ist auch unser Hauptaugenmerk, über unsere gute Jugendarbeit unsere Senioren dahin zu fördern, das wir dann auch eine Liga höher spielen können."

    Eine Liga höher: Der sportliche Anspruch der einstigen Traditionsvereine im Westen ist gesunken. Die Zukunft dieser Clubs liegt vielmehr in der Jugendarbeit und der Integration zahlreicher Migranten. Eine wichtige Aufgabe - auch abseits der großen Stadien und langen Fernsehübertragungen.