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Geschwindigkeitsrausch im Tretroller

Manch einer kennt den Tretroller noch aus seiner Kindheit. Vor einigen Jahren entdeckten ihn dann auch Erwachsene wieder für sich und der Miniroller hielt Einzug ins Straßenbild. Jetzt ist ganz langsam auch die sportliche Variante im Kommen. Tretrollerfahren als Ausdauersport.

Von Daniela Müllenborn | 07.11.2009
    Die beiden hoch aufgeschossenen Männer haben ihren Wagen am Rhein geparkt und laden ihre Tretroller aus. Einmal im Monat treffen sie sich, um gemeinsam zu trainieren. Ansonsten fährt jeder für sich. Denn der eine kommt aus Köln, der andere aus dem gut 70 Kilometer entfernten Ennepetal. Es gibt noch einen Sport-Tretroller-Kollegen in Mönchengladbach, einen in Aachen, der Rest kommt überwiegend aus dem Süddeutschen. Viele sind es aber eh nicht, bedauert Lars Kessler:

    "Also die muss man suchen, wir sind ganz wenige Leute. Ich weiß gar nicht ne Zahl momentan, kann man gar nicht benennen, ich würde mal sagen so, die das wirklich als Sport machen, vielleicht um die 30 Leute, um die 30 Personen."

    Die beiden ziehen ihre Fahrradhelme an - die sind Pflicht. Und dann geht es los auf ihren Tretrollern, die mit den Gefährten aus dem Spielzeugladen wenig gemein haben: Vorne ein großes Rennrad, hinten einen kleinen Reifen. Zusammengehalten durch einen S-förmig geschwungenen Metallrahmen. Damit können sie einen Schnitt von 30 Stundenkilometer erreichen. Die Oberkörper sind dabei leicht über den Lenker gebeugt, mit den Beinen holen sie Schwung, links und rechts im Wechsel. Tretrollerfahren - eine Mischung aus Fahrradfahren und Laufen - ein ganz normaler Sport, finden die beiden Männer Anfang 40. Für andere sind Lars Kessler, Marc Nierhaus und Kollegen eher Exoten:

    "Ab und an werden wir drauf angesprochen, so bei meinen Trainingsfahrten hier so durch Köln sieht man ganz oft die Kinder, die einem hinterher: Boah, ein Renn-Tretroller, wie cool. Man hat aber auch alte Damen, die auf ihren Dackel treten, weil sie einem nachgucken, oder Rennradfahrer, die sich um eine Laterne wickeln, also da gibt es alles an Reaktion."

    Auch am Kölner Rheinufer sorgen die rund 300 Euro teuren Tretroller für Aufsehen. Eine Joggerin und ein Spaziergänger schauen sich die Sache etwas genauer an:

    "Die sehen lustig aus. Ich habe erst gedacht, es wären Fahrräder und hatte mich gewundert, warum alle mit dem einen Bein rollen. Sie sind mir vorhin schon mal entgegengekommen. Sehen schon cool aus."

    "Ist ein Roller oder so was, sag ich mal ganz vorsichtig, ein Zwischending zwischen Roller und Fahrrad. Aber ist etwas anstrengender als mit dem Fahrrad zu fahren. Das glaub ich schon."

    Eine kleine Probefahrt gefällig? Die beiden Tretrollerfahrer bieten dem interessierten Herrn eines ihrer fußbetriebenen Gefährte an:

    "Ja, ich kann nicht so gut Roller fahren."

    "Probieren sie es aus, das geht ganz schnell."

    "Ja, soll ich mal ganz kurz hier?"

    "Ja klar, fahren Sie."

    "Darf ich das mal so benutzen hier?""Mein lieber Herr Gesangverein, wer das kann, können sie schon Kilometer mit schrubben, kann ich mir vorstellen, nein, ist gut, prima."""

    Das Wechseln der Beine zum Schwungholen braucht ein klein wenig Übung. Viermal rechts, viermal links, viermal rechts, viermal links - nach ein paar Versuchen hat man den Dreh aber raus. Und auch sonst ist der Einstieg ganz einfach. Bei Lars Kessler allerdings war auch noch gehörig Zufall im Spiel:

    "Meine Freundin hat nie das Radfahren gelernt, sie wusste aber, dass es für Erwachsene Tretroller gibt. Und das wollte sie unbedingt mal probieren, weil sie es leid war, immer nur zu laufen oder sonst überhaupt kein Fortbewegungsmittel zu haben. Und dann hatte sie sich einmal nen Tretroller ausgeliehen, am gleichen Tag noch gekauft, und ich war der nächste, der am nächsten Tag losgezogen ist und sich nen Tretroller gekauft hat für Erwachsene."

    Das war vor rund zehn Jahren. Mittlerweile fährt Lars Kessler Rennen. Was in Deutschland gar nicht so einfach ist. Denn eine eigene Rennserie gibt es nicht.

    "Wir haben uns Veranstaltungen gesucht, die uns mit unserem Sportgerät, dem Tretroller akzeptieren, wo wir halt mitstarten können, wo wir also keinen großen organisatorischen Selbstaufwand haben, um ne Veranstaltung zu organisieren und durchzuführen, das können wir gar nicht mit den paar Leuten, dass schaffen wir gar nicht."

    Also treffen sich die Sporttretrollerfahrer aus ganz Deutschland, um als Gruppe zum Beispiel bei Städteläufen wie dem Kölnmarathon mitzumachen. International gibt es einen kleinen Dachverband, der Europa- und Weltcupserien organisiert. Die Konkurrenz kommt überwiegend aus den Niederlanden und Tschechien. Dort ist der Tretrollersport schon viel populärer als hierzulande, wo Lars Kessler bemüht ist, mehr Mitstreiter zu werben. Auch über seine Internetseite www.tretrollersport.de.

    "Ich denke mal, wir haben die beste Zukunft, wenn wir den Leuten vermitteln, wie viel Spaß wir haben mit unserem Sport, und wer dann wirklich Interesse hat und wer mit uns Spaß haben will, der soll einfach zu uns kommen."