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Gesellschaft
Ethikrat fordert Aufhebung des Inzestverbots

Sexuelle Beziehungen zwischen Geschwistern sind in Deutschland verboten, auch wenn sie einvernehmlich sind. Das widerspricht dem Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung, meint der Ethikrat, und fordert eine Änderung des Inzestverbots.

24.09.2014
    Ein Pärchen hält sich an den Händen, von hinten fotografiert.
    Inzest und sexuelle Selbstbestimmung würden sich widersprechen, so der Deutsche Ethikrat. (picture alliance / dpa)
    Einvernehmlicher Geschlechtsverkehr zwischen Geschwistern soll nach Ansicht des Deutschen Ethikrates künftig nicht mehr verboten sein. Das Strafrecht sei nicht das geeignete Mittel, ein gesellschaftliches Tabu zu bewahren, heißt es in einer Mitteilung. Es habe nicht die Aufgabe, für den Geschlechtsverkehr mündiger Bürger moralische Standards oder Grenzen durchzusetzen.
    Dabei spiele es auch keine Rolle, ob aus den Beziehungen Kinder hervorgehen. "Im Fall einvernehmlichen Inzests unter volljährigen Geschwistern können weder die Befürchtungen negativer Folgen für die Familie noch die Möglichkeit der Geburt von Kindern aus solchen Inzestbeziehungen ein strafrechtliches Verbot dieser Beziehungen rechtfertigen", so der Ethikrat. Das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung sei in diesen Fällen stärker zu gewichten als das abstrakte Schutzgut der Familie.
    Urteile von BVerfG und EGMR
    Mit dem Thema Inzestverbot beschäftigten sich die Mitglieder des Ethikrates wegen eines Leipziger Geschwisterpaars. Patrick S. und seine Schwester hatten sich erst im Alter von 24 und 16 Jahren kennengelernt. Sie begannen eine Beziehung und haben inzwischen vier Kinder.
    Wegen des Paragrafen 173 des Strafgesetzbuches wurde Patrick S. für die sexuelle Beziehung zu seiner Schwester verurteilt. Dagegen hatte er bis vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt. Beide Gerichte hielten das deutsche Inzestverbot allerdings für rechtens.
    Keine einstimmige Entscheidung
    Der Ethikrat betonte, ihm seien ausschließlich Fälle bekannt geworden, in denen Halbgeschwister nicht gemeinsam aufgewachsen seien und sich erst im Erwachsenenalter kennengelernt hätten. Dann sollten einvernehmliche sexuelle Beziehungen straffrei werden. Anders sei es, wenn ein Familienbund existiere und einer der Partner noch keine 18 Jahre alt sei. Dann überwiege das Schutzgut der Familie. Die Empfehlung des Gremiums berührt nicht Inzest zwischen Eltern und ihren Kindern.
    Die Entscheidung fiel nicht einstimmig. 14 Mitglieder waren für eine Abschaffung des Paragrafen 173, neun lehnten eine Änderung oder Aufhebung ab. Der Deutsche Ethikrat berät die Politik. Seine Empfehlungen sind nicht bindend.
    (hba/tj)