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Gesetzentwurf für Musterfeststellungsklage
Nur Verbände können klagen

Verbraucher sollen neue Klagemöglichkeiten bekommen - für Fälle mit vielen Betroffenen, wie etwa bei der VW-Abgas-Affäre. Doch die Klagebefugnis für eine Musterfeststellungsklage ist an hohe Hürden geknüpft. Umweltverbände wie auch Industrie und Handel kritisieren den Gesetzesentwurf.

Von Panajotis Gavrilis | 09.05.2018
    Richterhammer und Euro-Geldscheine.
    Nur bestimmte Verbände sollen laut dem aktuellen Gesetzesentwurf eine Musterfeststellungsklage durchführen können (imago stock&people)
    Verbände klagen für geschädigte Verbraucher gegen ein Unternehmen - so die Grundidee der geplanten Musterfeststellungsklage. Sie dient als Instrument für Verbraucher, für die es sich unter anderen Umständen nicht lohnen würde, gegen Unternehmen zu klagen. Dabei ist die Musterfeststellungsklage nicht als Sammelklage gedacht. Sie soll Fakten und rechtliche Fragen klären.
    Nur Verbände können klagen
    Nur bestimmte Verbände können eine Musterfeststellungsklage durchführen. Sie müssen mindestens zehn Mitgliedsverbände haben oder 350 natürliche Personen zählen. Das geht aus dem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung hervor, der unserem Hauptstadtstudio vorliegt.
    "Das Besondere ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Anspruchsvoraussetzungen vor einem Gericht über eine qualifizierte Einrichtung kostengünstig feststellen lassen können. Also ein Prozessrisiko gibt es nicht für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern das besteht bei der Einrichtung, die den Prozess führt."
    Sagt der verbraucherpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner.
    Mindestens 50 Verbraucher für eine Klage
    Kriterien sollen vermeiden, dass Verbände sich neu gründen, um klagen zu dürfen. Klageberechtigt ist ein Verband nur dann, wenn er unter anderem nicht mehr als fünf Prozent seiner finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen bezieht, heißt es.
    Für eine Klage sind mindestens 50 Verbraucher nötig.
    Dass nicht die betroffenen Verbraucherinnen selbst, sondern Verbände stellvertretend für sie klagen, kritisieren die Grünen. Sie wollen, dass mehrere Verbraucher auch ohne Verbände gemeinsam klagen können.
    Umwelthilfe sieht sich benachteiligt
    Die "Deutsche Umwelthilfe" befürchtet, dass sie nicht klagen darf, weil Unternehmen aktuell noch mehr als fünf Prozent ihrer gesamten Finanzmittel beisteuern und die benötigte Mitgliederzahl von 350 zu hoch sei. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, unterstellt der Regierung böse Absichten.
    "Die Bundesregierung versucht tatsächlich, die Deutsche Umwelthilfe rauszuhalten, um unsere erfolgreichen Klagen für die Menschen, für die Betroffenen des Dieselgates, die Klageberechtigung zu umgehen."
    Am Ende eines Musterfeststellungsverfahrens kann ein Vergleich oder ein Urteil stehen. Schadenersatzansprüche müssten Verbraucher selbst einfordern, möglicherweise in einem weiteren Prozess.
    Industrie fürchtet Klagewelle
    Der Chefjustiziar des "Deutschen Industrie- und Handelskammertages", Stephan Wernicke, befürchtet zudem eine Klageindustrie wie in den USA.
    "Uns geht es um den Schutz der Unternehmen, die rechtmäßig gehandelt haben. Und dass die nicht unter Vergleichsdruck kommen durch Klagearten, die eben für sie gefährlich sind, gegen die man sich schwer wehren kann. Sie befürchten Reputationsschäden. Uns geht es vor allem auch um kleinere, mittlere, die das als Bedrohung empfinden."
    Die Musterfeststellungsklage soll noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden und zum 1. November 2018 in Kraft treten. Der Grund: Zum Ende des Jahres verjähren die Ansprüche einzelner Kunden an Volkswagen als Hersteller.