Donnerstag, 18. April 2024

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Gesetzentwurf zu Atom-Altlasten
"Keiner kann ernsthaft prognostizieren, was für Kosten auf uns zukommen"

Die meisten Kosten für die Endlagerung von Atommüll würden erst in sehr ferner Zukunft anfallen, sagte Beate Kallenbach vom Öko-Institut im DLF. Den Gesetzentwurf der Endlagerkommission, der Einzahlungen der Energiekonzerne in Milliardenhöhe vorsieht, bezeichnete sie als "das am wenigsten schlechte System".

Beate Kallenbach im Gespräch mit Stefan Römermann | 19.10.2016
    Gelbe Fässer mit radioaktivem Abfall stehen am 6. Mai 2015 neben einem Weg im Zwischenlager der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) in Eggenstein-Leopoldshafen (Baden-Württemberg).
    Die Atom-Expertin Beate Kallenbach warnte im DLF-Interview vor den Kosten, die in Zukunft durch die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle anfallen würden. (dpa / picture-alliance / Wolfram Kastl)
    Stefan Römermann: Lange hatte eine Kommission an einem Kompromiss zur Finanzierung des Atomausstiegs gearbeitet und vor allem über die Kosten der Endlagerung gestritten. Seit April liegen die Eckdaten vor. Jetzt ist das Ganze in einen Gesetzentwurf geflossen, der heute vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht wird.
    Zugehört hat Beate Kallenbach. Sie ist Atom-Expertin beim Öko-Institut und mit ihr möchte ich über diesen Gesetzentwurf reden. Frau Kallenbach, Sie haben sich das angeschaut. Was ist denn Ihr Eindruck? Ist das alles tatsächlich eher ein fauler Kompromiss? Können sich die Konzerne freikaufen? Oder ist das doch alles sehr gut und ausbalanciert?
    Beate Kallenbach: Das reflektiert grundsätzlich natürlich erst mal das Grundsatzproblem, das wir haben, dass der Betrieb und die Entsorgung so weit auseinanderfallen. Das heißt, das Gewinne machen und das dann hinterher nur noch Geld zu investieren, um die Entsorgung zu regeln, das ist an sich schon mal eine schwierige Ausgangssituation, die man jetzt versucht hat, irgendwie noch bestmöglich oder am wenigsten schlecht zu lösen.
    "Das größte Risiko liegt in den Aufwendungen, die in ferner Zukunft zu tätigen sind"
    Römermann: Eigentlich hätte man das alles viel früher regeln müssen, oder?
    Kallenbach: Das wäre mit Sicherheit sinnvoll gewesen, dass man einfach deutlich früher konkrete Schritte für die Entsorgung auch Richtung Endlagerung gegangen wäre, ja.
    Römermann: Wo liegen denn bei den Kosten tatsächlich die allergrößten Risiken? Es gibt ja verschiedene Abteilungen. Es gibt einerseits den schwach radioaktiven Abfall, den Abriss und die Kosten dafür, und die radioaktiven Abfälle, die da anfallen. Es gibt dann auf der anderen Seite die langfristige Endlagerung. Wo ist da DAS größte Kostenrisiko?
    Kallenbach: Das größte Risiko liegt natürlich in den Aufwendungen, die erst in sehr ferner Zukunft zu tätigen sind. Das sind die Kosten, die dann für die Endlagerung der vor allen Dingen hoch radioaktiven Abfälle, das heißt der abgebrannten Brennelemente aus den Kernkraftwerken anfallen. Wir reden hier über Zeiträume bis mindestens Ende diesen Jahrhunderts, bis überhaupt ein entsprechendes Endlager dann möglicherweise komplett befüllt ist und verschlossen werden kann.
    Wir haben noch nicht mal den Standort für ein solches Endlager. Das heißt, hier sind natürlich die allergrößten Risiken, weil keiner wirklich ernsthaft prognostizieren kann, was für Kosten da in den nächsten Jahrzehnten noch auf uns zukommen werden.
    Rückstellungen der Energieversorger: "Keine langfristige Lösung"
    Römermann: Trotzdem stehen in dem Gesetzentwurf konkrete Zahlen auch drin, mit denen man rechnet, und was die Konzerne einzahlen müssen, 17 Milliarden plus noch eine Art Reserve, wenn sie nicht später nachzahlen möchten. Inwiefern sind das denn tatsächlich realistische Zahlen?
    Kallenbach: Mit dem Realismus ist das natürlich in diesen langfristigen Perspektiven sehr schwierig. Man hat versucht, eine Abschätzung zu machen. Die ist natürlich auch dadurch nicht gerade erleichtert, dass ja weltweit noch gar kein solches Endlager in Betrieb ist, das heißt auch da noch die Erfahrungen fehlen, wie sich das dann tatsächlich im Betrieb auch auf der Kostenseite alles entwickelt.
    Ich glaube, die Kommission hat sich schon Mühe gegeben, hier zu einer halbwegs vernünftigen Abschätzung zu kommen. Mehr ist an der Stelle mit Sicherheit nicht möglich. Die Frage ist tatsächlich, was ist die Alternative mit dem System, was wir bisher hatten, wo man praktisch über Rückstellungen das Geld im Zugriff der Energieversorger belässt. Das glaube ich auch nicht, dass das eine langfristige Lösung gewesen wäre, die uns aus dieser Bredouille herausgeholfen hätte.
    Römermann: Aber das klingt so, als ob Sie schon davon ausgehen, dass die Steuerzahler am Ende doch sehr kräftig nachschießen müssen, oder?
    Kallenbach: Das wird man vermutlich nicht ganz ausschließen können. Wie gesagt, an der Stelle reden wir tatsächlich nicht über ein perfektes System, was das jetzt ausschließt, sondern über das am wenigsten schlechte, womit man das eventuell ein klein wenig begrenzen kann. Ja, das ist leider so.
    Römermann: Beate Kallenbach, Atom-Expertin vom Öko-Institut. Vielen Dank für das Gespräch.
    Kallenbach: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.