Dienstag, 19. März 2024

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Gesetzentwurf zu Familiennachzug
"Wir wollen nicht abhängig sein von der AfD"

Der Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus soll weiter ausgesetzt werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der Union vor. Es sei entscheidend, dass die SPD dem Entwurf zustimme, sagte CSU-Politiker Stephan Mayer im Dlf, damit es "nie und nimmer auf die Stimmen der AfD ankommt".

Stephan Mayer im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 19.01.2018
    Stephan Mayer während seiner Rede zu den Abgeordneten.
    Von Rechtsbruch könne nicht die Rede sein, hielt der CSU-Politiker Stephan Mayer im Dlf dem Vorwurf der SPD entgegen, die Aussetzung des Familiennachzugs über Juli 2018 aufrecht erhalten zu wollen (imago stock&people)
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Alternative für Deutschland, die AfD, sie war die erste Fraktion im Deutschen Bundestag, die gestern einen Gesetzentwurf einbrachte, um den Familiennachzug von eingeschränkt schutzbedürftigen Flüchtlingen, also vor allem der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, endgültig zu stoppen. Heute ziehen die anderen Fraktionen nach. Vor allem der Antrag der Union sorgt für Diskussionen. Der potenzielle Koalitionspartner SPD wirft der CDU nämlich vor, gemeinsame Absprachen nicht eingehalten zu haben, und das zwei Tage vor dem SPD-Sonderparteitag in Bonn.
    Am Telefon ist jetzt Stephan Mayer von der CSU. Er ist innenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Mayer!
    Stephan Mayer: Grüß Gott, Herr Heckmann. Guten Tag.
    "Wichtig ist, dass es bei der Aussetzung des Familiennachzugs bei eingeschränkt schutzbedürftigen Personen bleibt"
    Heckmann: Die AfD hat angekündigt, Ihrem Gesetzentwurf zuzustimmen. Freuen Sie sich über diese Unterstützung?
    Mayer: Ich glaube, es geht nicht darum, ob wir uns freuen oder nicht. Wichtig ist, dass wir eine in der Sache richtige Entscheidung treffen, und wir als CDU/CSU sind initiativ geworden mit diesem Gesetzentwurf. Dieser Gesetzentwurf entspricht eins zu eins dem, was vor einer Woche zwischen der Union und der SPD vereinbart wurde. Wir hoffen natürlich, dass die SPD diesem Gesetzentwurf dann auch nach dem Parteitag am kommenden Sonntag beitritt. Wie gesagt, er entspricht genau dem, was die SPD auch mit konsentiert hat. Wichtig für uns ist, dass es jetzt bei der Aussetzung des Familiennachzugs bei eingeschränkt schutzbedürftigen Personen bleibt und dass es auch weiterhin, auch nach einer Neuregelung, keinen individuellen Rechtsanspruch für eingeschränkt Schutzbedürftige gibt, ihre Familienangehörigen nachziehen zu lassen. Wenn die AfD auch dieser Auffassung ist, dann ist dies so hinzunehmen.
    Heckmann: Dann nehmen Sie die Stimmen mit.
    Mayer: Es geht nicht darum, dass wir die Stimmen mitnehmen. Wir wollen eine eigene Mehrheit und wir werden eine eigene Mehrheit bekommen mit der SPD.
    "Mit diesem Gesetzentwurf nicht abhängig sein von der AfD"
    Heckmann: Eine eigene Mehrheit ohne AfD. Das heißt, Sie setzen schon darauf, dass Sie eine eigene Mehrheit bekommen, ohne dass die AfD ihre Stimmen dazugibt.
    Mayer: Wir wollen und wir werden mit diesem Gesetzentwurf nicht abhängig sein von der AfD. Das ist für uns der entscheidende Punkt. Wie gesagt, wir haben den Gesetzentwurf ganz bewusst so aufgebaut und so eingebracht, wie er inhaltlich mit der SPD abgestimmt war. Dass die SPD jetzt hier noch mal etwas zögert vor ihrem Parteitag, kann man durchaus auch mit verstehen. Wir haben aber die klare Hoffnung, aber auch Erwartung, dass die SPD dann nach dem Parteitagsbeschluss vom kommenden Sonntag diesem Gesetzentwurf mit beitritt und dass es dann auch nie und nimmer auf die Stimmen der AfD ankommt.
    Heckmann: Man kann es verstehen, sagen Sie, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass die SPD davon ausgeht, dass es keine eins zu eins Umsetzung gewesen ist, sondern dass die Union bereits geschlossene Vereinbarungen nicht umgesetzt hat. Haben Sie sich da was vorzuwerfen?
    Mayer: Ich wüsste jetzt nicht, inwiefern der Gesetzentwurf nicht der Vereinbarung mit der SPD entspricht. Wir haben in den Gesetzentwurf klar mit aufgenommen, dass wir eine Neuregelung beabsichtigen, die vorsieht, auch in einem Rahmen von 12.000 Personen pro Jahr Härtefälle mit abzubilden, dass es aber keinen Rechtsanspruch geben wird, auch weiterhin nicht geben wird für eingeschränkt schutzbedürftige Personen, ihre Familienangehörigen nachziehen zu lassen. Das ist genau so mit der SPD vereinbart worden und dem entspricht jetzt auch der Gesetzentwurf.
    "Wir werden nicht und wir sind nicht vertragsbrüchig"
    Heckmann: Herr Mayer, die SPD sagt, es sei vereinbart worden zwischen Ihnen und der SPD, dass der Familiennachzug nur bis Juli 2018 ausgesetzt wird - so steht es ja auch im Sondierungspapier -, um danach dann zu einem sehr eingeschränkten Familiennachzug zu kommen, diese tausend Personen im Monat, die da in Rede stehen. Und im Gesetzentwurf, den Sie jetzt eingebracht haben, da ist von dieser Befristung nicht die Rede, sondern der Familiennachzug, der soll unbefristet ausgesetzt werden. Sind Sie also vertragsbrüchig?
    Mayer: Nein, wir werden nicht und wir sind nicht vertragsbrüchig. Im Gesetzentwurf steht nämlich im Begründungsteil sehr wohl drin, dass diese Neuregelung bis zum 31. Juli dieses Jahres beabsichtigt ist. Verschiedenste Redner unserer Fraktion, allen voran unser Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat heute auch ganz unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass wir diesen Gesetzentwurf zügig voranbringen wollen.
    Heckmann: Warum steht es dann nicht im Text, wenn es in der Begründung steht?
    Mayer: Weil wir natürlich nicht den Zustand haben wollen, dass beispielsweise durch eine Verzögerungstaktik von wem auch immer das Gesetzgebungsvorhaben nicht bis zum 31. Juli abgeschlossen werden kann.
    Keine Schlupflöcher lassen
    Heckmann: Das heißt, Sie vertrauen der SPD nicht in dem Punkt?
    Mayer: Ich habe gesagt, von wem auch immer. Es gibt ja nicht nur die SPD als weitere Fraktion im Deutschen Bundestag. Verzögerungen können durchaus ja auch von anderer Seite mit bewirkt werden. Wir wollen eines verhindern, dass dann, wenn auch wir gar nicht dafür verantwortlich sind, eine Verzögerung eintritt, am 1. August dieses Jahres alle – und das sind derzeit 278.000 - eingeschränkt schutzbedürftige Personen einen Rechtsanspruch darauf haben, ihre Kernfamilie nachziehen zu lassen.
    Heckmann: Aber die SPD sagt ganz klar, sie stimmt diesem Gesetzentwurf nicht zu, wenn diese Befristung nicht im Gesetz selbst drinsteht.
    Mayer: Jetzt wollen wir mal sehen, wie der Parteitag am kommenden Sonntag abläuft, und wir werden dann natürlich auch sehr vertrauensvoll und konstruktiv weiter mit der SPD sprechen, insbesondere wenn der Parteitagsbeschluss, wie wir alle hoffen, so ausfällt, dass die SPD ab Montag Koalitionsverhandlungen mit uns, mit der Union führen wird, und dann wird in diesen Koalitionsgesprächen dieser Gesetzentwurf natürlich auch ein wichtiges Thema sein. Ich bin guter Hoffnung, dass es gelingt, hier auch zu einem tragfähigen Kompromiss gemeinsam mit der SPD zu kommen.
    Heckmann: Das heißt, Sie sind kompromissbereit. Sie schließen das nicht aus, dass diese Frist, dass diese Befristung noch ins Gesetz reinkommt.
    Mayer: Ich möchte aber eines auf jeden Fall vermeiden, dass wir, auch wenn es nur kurzfristig der Fall wäre, einen Rechtszustand haben, dass ein Rechtsanspruch für eingeschränkt schutzbedürftige Personen entsteht, und da gäbe es mit Sicherheit genügend findige Anwälte, die dann sofort auch Anträge stellen. Wir müssen feststellen und auch gewährleisten, dass lückenlos es dabei bleibt, dass eingeschränkt schutzbedürftige Personen auch weiterhin keinen Rechtsanspruch darauf haben, dass sie ihre Familienangehörigen nachziehen lassen.
    Möglichkeiten bei "ganz begrenzten Härtefällen"
    Heckmann: Okay! – Der zweite Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass die SPD will, dass diese subsidiär Schutzbedürftigen (das sind ja in der Regel Flüchtlinge aus Syrien und aus dem Irak) schon ab März Anträge stellen können auf Familiennachzug. Auch das ist in Ihrem Gesetzentwurf nicht enthalten und es könnte zu monatelangen Verzögerungen kommen. Inwieweit sind Sie bereit, der SPD in dem Punkt entgegenzukommen?
    Mayer: So was kann man auch gar nicht in einen Gesetzentwurf schreiben. So was ist nämlich allgemeines administratives Verwaltungshandeln, dass man es den deutschen Botschaften oder Generalkonsulaten wieder zulässt, dass sie Anträge von subsidiär schutzberechtigten Personen entgegennehmen. Aber um hier auch nicht auszuweichen, sondern eine klare Antwort zu geben: Ich bin der festen Überzeugung, dass es falsch wäre, wenn wir jetzt schon wieder ab Mitte März es allen (und ich habe erwähnt: es geht um den Personenkreis von 278.000 Personen in etwa), die als subsidiär schutzberechtigte Personen eingestuft sind, erlauben würden, dass ihre Familienangehörigen an den deutschen Botschaften und Generalkonsulaten Anträge auf ein Einreisevisum im Wege des Familiennachzuges stellen. Ich habe doch gesagt, wir wollen in ganz begrenzten Härtefällen die Möglichkeit schaffen für 12.000 Personen im Jahr. Da kann man aus meiner Sicht mit Verlaub beim besten Willen nicht es allen jetzt dann erlauben, dass sie einfach mal den Antrag stellen, vor allem, weil ja noch überhaupt nicht klar ist, nachdem es noch keinen, mit der SPD ausgehandelten Gesetzentwurf gibt, unter welchen Kautelen, unter welchen Voraussetzungen dann diese Härtefallregelung greifen sollte. Wir haben uns darauf verständigt: Es ist klar, es darf sich nur auf Personen beziehen, die keine Gefährder sind, die nicht schwerwiegend straffällig geworden sind, bei denen die Ehe auch schon vor Beginn der Flucht geschlossen wurde und nicht möglicherweise des Missbrauchs wegen dann erst in Deutschland. Aber es gibt ja noch weitere Kautelen, die auch zu berücksichtigen sein werden dann in der Ermessensausübung, wenn es darum geht festzustellen, ob der subsidiär Schutzberechtigte seine Familie nachziehen lassen darf oder nicht.
    Heckmann: Herr Mayer, das ist jetzt alles sehr detailliert. Aber trotzdem noch mal nachgefragt. Sie sind an dem Punkt nicht kompromissbereit?
    Mayer: Sie fragen immer so apodiktisch, sind Sie kompromissbereit oder nicht. Ich muss leider da immer etwas ins Detail gehen, auch wenn es vielleicht kompliziert ist, aber Sie fragen, warum lassen wir es nicht ab Mitte März zu, dass alle eingeschränkt schutzbedürftigen Personen Anträge stellen.
    "Sich die Dinge im Detail ganz genau ansehen"
    Heckmann: Die SPD möchte das. Deswegen frage ich Sie.
    Mayer: Sie haben mich gefragt, warum ich der Auffassung bin, dass dies falsch wäre, und ich habe Ihnen jetzt erläutert, dass es aus meiner Sicht der falsche Zeitpunkt wäre, weil noch gar nicht klar ist, wie die Rahmenbedingungen sein werden, unter welchen Voraussetzungen wir dann in sehr eingeschränkter Weise den Familiennachzug eingeschränkt schutzbedürftigen Personen zulassen werden. Das Recht und auch derartige Formalia und derartige Verfahren sind leider immer etwas kompliziert. Deswegen kann man diese Frage nicht darauf verkürzen, sind Sie kompromissbereit oder nicht, sondern es geht darum, dass man im Detail sich die Dinge ganz genau ansieht. Das ist genau der Grund, weshalb ich der Auffassung bin (und nicht nur ich, sondern auch die gesamte Unions-Fraktion), dass es jetzt falsch wäre, und wir hoffen auch, dass das Auswärtige Amt dies nicht macht, dass ab Mitte März die Generalkonsulate und Botschaften diese Anträge wieder annehmen.
    Heckmann: Ganz kurz noch. Unklar scheint auch zu sein, ob es sich jetzt wirklich um eine Obergrenze oder einen Richtwert gehandelt hat, was in dem Sondierungspapier drinsteht. Niedersachsens Innenminister Pistorius, der hat jetzt in der "Süddeutschen Zeitung" gesagt: Nein, nein, da ist keine Obergrenze vereinbart. Man habe bewusst einen verschwurbelten Satz in das Papier hineingeschrieben. Was sagen Sie dazu?
    Mayer: Aus meiner Sicht – und nicht nur aus meiner Sicht, sondern aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion – ist diese Festlegung, dass Deutschland nur begrenzte Aufnahmekapazitäten hat, dass auch die Integrationskraft und auch die Integrationswilligkeit unserer Gesellschaft, unserer Kommunen, der Arbeitswelt, des Wohnungsmarktes begrenzt sind, das ist eine klare politische Signalwirkung, die davon ausgeht, es ist das erklärte Ziel, dass wir weiter festhalten an unserem Kurs nicht nur der klaren Steuerung der Zuwanderung, sondern auch vor allem der klaren Begrenzung. Und ich bin auch froh, dass es gelungen ist, mit der SPD in das Sondierungspapier klar hineinzuschreiben, dass wir auch es als politisches Ziel verfolgen, dass wir die Zuwanderung nach Deutschland reduzieren. Das ist, glaube ich, durchaus ein Erfolg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.