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Justiz
Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich verklagen

'Wir sehen uns vor Gericht': Manchmal endet mit so einem Satz ein Beschäftigungsverhältnis. Verhandelt werden solche Fälle vor Arbeitsgerichten. Oft geht es dabei um Kündigungen, um verspätete oder nie gezahlte Gehälter. Oder aber um nicht genehmigte Urlaube. Manchmal ziehen sich solche Prozesse über Monate.

Von Stephanie Kowalewski | 01.05.2017
    Hinweistafeln "Arbeitsgericht" sind am 25.10.2016 im Arbeitsgericht in Kassel (Hessen) zu sehen. Ein im Zuge des VW-Abgasskandals beurlaubter Werkleiter des Volkswagenwerks Kassel wehrt sich vor dem Arbeitsgericht Kassel gegen seine Freistellung. Foto: Swen Pförtner/dpa | Verwendung weltweit
    Bevor prozessiert wird, versuchen Anwälte und Richter bei sogenannten Güteterminen einvernehmliche Lösungen zu finden. (Swen Pförtner/dpa)
    "Die Geschichte läuft. Wir haben ein Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht. Zwei Gehälter fehlen, 14 Tage Urlaub wurde nicht bezahlt, Reisekosten wurden nicht bezahlt und natürlich auch die Provision."
    Der 38-Jährige – nennen wir ihn Sascha Klein - war rund anderthalb Jahre bei einer Firma als Projektleiter und im Vertrieb beschäftigt. Als er durch einen Arbeitsunfall krankgeschrieben war, kam die Kündigung – ohne vorherige Abmahnung, wie er sagt. Klein:
    "Also wirklich - wie von heiterem Himmel."
    Und nicht nur das:
    "Die Firma hat ohne erkenntlichen Grund zwei Gehälter nicht bezahlt, die Garantieprovision, die Bestandteil des Vertrages war, wurde komplett zurück gefordert – von Anfang der Tätigkeit bis zum letzten Tag – mit der Begründung, die wären nicht verdient, also man hätte keinen Anspruch darauf."
    Der Projektleiter war geschockt, versuchte aber dennoch das Problem mit seinem Arbeitgeber zu lösen.
    "Es gab null Resonanz, so dass im Endeffekt auch die Möglichkeit, mit ihm eine Einigung zu treffen, gar nicht mehr gegeben war, so dass dann wirklich ein Rechtsanwalt beauftragt werden musste."
    Der Gütetermin: Der Versuch, eine einvernehmliche Lösung zu finden
    Jetzt liegt seine Akte beim Arbeitsgericht Düsseldorf. Hier auf den Fluren herrscht eigentlich immer Hochbetrieb. Das liegt an der besonderen Arbeitsweise der Arbeitsgerichte, sagt Richterin Christiane Schönbohm.
    "Bei uns wird einfach viel verhandelt. Wir haben immer den Gütetermin."
    Ein meist sehr kurzer Termin vor dem eigentlichen Prozess, bei dem die Parteien gemeinsam mit der Richterin ausloten, ob es nicht doch noch eine einvernehmliche Lösung geben kann.
    "Und wenn da es nicht zu einer Einigung kommt, den Kammertermin. Der Kammertermin ist der deutlich ausführlichere Termin. Neben dem Berufsrichter gibt es zwei ehrenamtliche Richter - und zwar einer aus dem Arbeitnehmer- und einer aus dem Arbeitgeberlager, die auch gleichberechtigtes Stimmrecht haben."
    In den meisten Fällen geht es um so genannte Kündigungsschutzklagen von Arbeitnehmern, die sich zu Unrecht gefeuert fühlen. Solche Klagen sind oft erfolgreich, denn der Arbeitgeber muss beweisen, dass er gute Gründe für die Entlassung hat. Obendrein sind viele Kündigungen formal anfechtbar, sagt der Düsseldorfer Fachanwalt für Arbeitsrecht Martin Lauppe-Assmann.
    "Ich würde mal blind sagen: fast die Hälfte aller Kündigungen, die nicht von einem Juristen geschrieben worden sind, an denen findet einer ein Haar in der Suppe, wenn er unbedingt danach sucht."
    Oft einigen sich die beiden Parteien bereits im Gütetermin auf eine einvernehmliche Lösung oder einen Vergleich.
    "In drei Viertel der Fälle ist der Gütetermin das Ende, wenn beide Anwälte das auch wollen. Und Anwälte wollen das auch, weil sie verdienen im Kammertermin nicht mehr Geld. Ich hab mal hier für ein Sportstudio einen Hausmeister vertreten. Und da war es tatsächlich so, der Mann wollte partout keine Abfindung haben, der wollte einfach weiterarbeiten. Und da ist es dann doch noch gelungen, den Arbeitgeber doch noch davon zu überzeugen, dass er sich gar nicht von dem Mann trennen muss. "
    Im Fall seines Mandanten Sascha Klein war eine gütliche Einigung allerdings unmöglich.
    "Man war kilometerweit auseinander."
    Für Sascha Klein sind die Gerichtstermine und der bloße Blickkontakt zu seinem Ex-Chef eine große Belastung.
    "Der Gütetermin war recht unangenehm. Die Richter sind eng getaktet, das merkt man. Ich kann zu mir sagen, dass ich es eigentlich auch überhaupt nicht ertragen habe, diesen Menschen zu sehen."
    Viele halten einen langen Rechtsstreit nicht durch
    Sind die Fronten so verhärtet, geht es nicht mehr um die Rücknahme der Kündigung, sondern um eine möglichst gute Abfindung, ausstehende Gehaltszahlungen oder Provisionen. Darum kämpft auch Sascha Klein. Nach einem ergebnislosen Gütetermin und einem ersten Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf, wartet der Niederrheiner nun auf die nächste Verhandlung, die erst im Juni sein wird. Das ganze Verfahren dauert dann bereits neun Monate, beklagt er.
    "Das ist eine riesen Zeitspanne. Deswegen gibt es halt sehr, sehr wenige, die das auch durchfechten, die bis zum Ende gehen. Und das tue ich hier.Ich kann glücklicherweise sagen, dass ich jetzt finanziell immer noch gut aufgestellt bin. Deswegen kann ich das auch durchklagen und durchhalten.Wenn ich jetzt verheiratet wäre, zwei Kinder hätte, eine Mietwohnung, dann wäre ich ruiniert."
    Denn wer ein Verfahren beim Arbeitsgericht anstrebt, zahlt seinen Anwalt in der ersten Instanz immer selbst – egal wie der Prozess ausgeht. Verliert der Arbeitnehmer, muss er nicht auch noch den Anwalt der Gegenseite bezahlen, erklärt Arbeitsrichterin Christiane Schönbohm.
    "Das war in der Tat die Idee des Gesetzgebers, dass die Hürde für eine Klage nicht so hoch sein sollte."
    Sascha Klein hat eine Rechtsschutzversicherung, die seine Kosten übernimmt. Ein Glück sei das, meinen er und sein Anwalt, denn es sehe im Moment alles nach einem längeren Prozess aus:
    "Ich bin ziemlich sicher, da gibt es noch einmal eine Ehrenrunde beim Landesarbeitsgericht."