Donnerstag, 28. März 2024

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Gesichtsrekonstruktion
Neues altes Gesicht

Durch angeborene Fehlbildungen, einen Unfall oder eine Tumoroperation können große Teile des Gesichtes fehlen. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie diskutierten Mediziner über neue Möglichkeiten und Grenzen der Gesichtsrekonstruktion.

Von Anna-Lena Dohrmann | 01.04.2014
    Die geschlossenen Augen einer Frau.
    Ein Gesicht ist wie eine Visitenkarte - aufwändig ist die Wiederherstellung etwa nach einem Unfall. (picture alliance / Maximilian Schönherr)
    "Was mich natürlich interessiert - ich darf mal vorsichtig anfassen - das ist jetzt hier dieser Lappen. Der ist schön warm und wenn ich ein bisschen draufdrücke, wird der hell und hat aber sofort wieder das Zurückkehren des Blutes. Das heißt: Die Durchblutung des Lappens ist sicher gut."
    Professor Alexander Hemprich schaut sich die Wunde seines Patienten genau an. Manfred Lütjen hat einen dicken Verband auf der Stirn. Von dort haben die Ärzte einen Hautlappen ausgeschnitten und nach unten in die linke Augenhöhle umgeklappt. Der Lappen bedeckt jetzt zum Teil das Auge. Denn er ist noch an der Nasenwurzel befestigt. Dieser Stirnlappen wurde in einer vorigen OP bereits vorbereitet, erklärt Hemprich. Er ist der Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Uniklinik Leipzig:
    "Wir haben ein Stück Knochen vom Beckenkamm entnommen und haben das unter die Haut schon eingepflanzt von diesem Stirnlappen, bevor wir ihn umschnitten haben. Sodass dieser Knochen dann die Ernährung durch das umgebende Weichgewebe bekommen hat und wir dann ein kombiniertes Transplantat hatten."
    Nämlich einen durchbluteten Stirnlappen samt Beckenknochen. Den braucht Manfred Lütjen, da ihm ein Teil seiner knöchernen Augenhöhle fehlt. Im Rahmen einer Tumoroperation musste sie entfernt werden, ebenso wie Teile seines Kiefers und Gaumens. Solche großen Defekte wiederherzustellen, ist nach wie vor eine Herausforderung. Doch neue technische Möglichkeiten unterstützen die Chirurgen.
    "Wir können ein Computertomogramm des Schädels inklusive der bedeckenden Weichteile, der Haut, der Muskeln anfertigen. Und können, wenn Teile des Schädels verloren gegangen sind, von einer gesunden Seite auf die defekte Seite hin, die verlorenen Strukturen spiegeln.
    Und so entsteht ein neues CT-Bild des Kopfes – so, wie es später tatsächlich aussehen soll. Dieses virtuelle Bild dient dann als Schablone während der OP. Durch Navigationstechnik können alle Punkte am Kopf des Patienten exakt mit dem virtuellen Bild abgeglichen werden, so Hemprich.
    "Und wenn wir dann Knochen in diesen Defekt hineinbringen, ist es möglich, mit entsprechenden Zeigeinstrumenten ganz genau im vorhandenen Computertomogramm zu sehen: Ist der hier eingebrachte Gewebeteil an der richtigen Stelle. Das heißt, wir haben heute eine ganz andere Präzision und können damit dem Patienten sehr viel besser helfen als früher."
    Denn früher konnte erst ein erneutes CT- oder Röntgen-Bild nach der Operation zeigen, ob der eingebrachte Knochen richtig liegt. War die Position nicht optimal, musste erneut operiert werden. Doch die Chirurgie kommt auch heute noch an ihre Grenzen – und zwar dann, wenn Nervenfunktionen wiederhergestellt werden müssen.
    "Wenn ich gezwungen bin, einen großen Zungentumor radikal zu operieren, kann es sein, dass fast kein Zungengewebe übrig bleibt. Ich kann dort einen Muskellappen hineinlegen. Aber der Anschluss an die Bewegungsnerven der Zunge gelingt nach wie vor nur sehr unvollkommen. Insofern ist es nicht vorhersehbar, ob der Patient jemals wieder richtig sprechen und schlucken kann."
    Die Zunge war bei Manfred Lütjen zum Glück nicht betroffen. Doch die meisten seiner oberen Zähne fehlen. Erst wenn sein rekonstruierter Gaumen vollständig eingeheilt ist, können die Ärzte hier eine neue Zahnprothese einsetzen. Der 65-Jährige lacht, er lässt sich davon nicht unterkriegen:
    "Mental gesehen geht es mir eigentlich gut. Ich gucke immer nach vorne. Erst einmal wieder vernünftiges Aussehen, dass ich nicht unbedingt mein Passbild ändern muss und eben vernünftige Zähne, wo man auch mit beißen kann. Das macht mich dann schon zufrieden."