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Gespräche mit der Türkei
EU fordert "reale Taten"

Angesischts der jüngsten Spannungen führen die Europäische Union und die Türkei heute in Brüssel Gespräche über die künftige Zusammenarbeit. EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sagte im Vorfeld, die Regierung in Ankara müsse ihre Haltung zur EU klären. Es gehe um eine Grundsatzentscheidung.

25.07.2017
    Eine türkische und eine europäische Flagge wehen in Istanbul im Wind (Archivfoto von 2005).
    Vertreter der EU und der Türkei kommen in Brüssel zu Gesprächen zusammen. (dpa / EPA / Tolga Bozoglu)
    Die Türkei müsse klar machen, ob sie die Beziehungen zur Europäischen Union vertiefen und verbessern möchte, sagte Hahn der "Passauer Neuen Presse". Entscheide sich das Land dafür, müsse es das mit "realen Taten" belegen. "Absichtserklärungen sind zu wenig." Er betonte, Ankara habe die Situation im Vorfeld der Gespräche eskalieren lassen, etwa mit der Verhaftung von Menschenrechtlern und durch den Verstoß gegen rechsstaatliche Standards. Dies sei für die Produktivität "leider nicht förderlich".
    An den Gesprächen in Brüssel nimmt neben Hahn auch die EU-Außenbeauftragte Mogherini teil. Von türkischer Seite reisen Außenminister Cavusoglu und EU-Minister Celik an.
    Ziel der Gespräche sei, "über Möglichkeiten einer engeren Kooperation in Bereichen gemeinsamen Interesses" zu reden, erklärte Hahn. Die europäische Seite werde dabei klar machen, was sie von der Türkei erwarte. So sollten etwa Journalisten und Oppositionelle, die im Zuge der Ermittlungen zu dem Putschversuch im vergangenen Sommer festgenommen wurden, freigelassen werden.
    Flüchtlingspakt soll weitergeführt werden
    Hahn sagte weiter, der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei solle trotz der aktuellen Probleme fortgeführt werden, denn er habe sich bewährt. Beide Seiten hätten ihre Verpflichtungen daraus erfüllt. Die Zuwanderung über das östliche Mittelmeer sei um 98 Prozent reduziert worden.
    Experten erwarten, dass die türkische Seite bei dem Treffen in Brüssel Fortschritte bei der Visa-Liberalisierung und den EU-Beitrittsverhandlungen fordern wird.
    Ferber für Aussetzen der Beitrittsgespräche
    Der CSU-Europapolitiker Johannes Ferber beklagte, dass sich die Türkei immer weiter von der Europäischen Union entferne. Ferber sagte im Deutschlandfunk, darum müssten die EU-Mitgliedsstaaten nun im Sinne des Europäischen Parlaments entscheiden, die Beitrittsverhandlungen auszusetzen. Die Lage in der Türkei habe sich in Bezug auf viele Mindestkriterien verschlechtert - zum Beispiel bei der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit. Ein Hebel, um das Land zum Einlenken zu bewegen, seien die Gespräche über die Zollunion. Auch Hahn habe diesen Punkt bereits genannt, betonte Ferber.
    Der österreichische Außenminister Kurz hatte sich zuvor ebenfalls für einen Stopp der Beitrittsverhandlungen und der damit verbundenen finanziellen Hilfen ausgesprochen. Kurz betonte, die EU müsse mehr Entschlossenheit gegenüber Ankara zeigen.
    Nach der Inhaftierung des deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner hatte die deutsche Bundesregierung in der vergangenen Woche eine "Neuausrichtung" der Politik gegenüber Ankara angekündigt. Dies beinhaltet verschärfte Reisehinweise. Außerdem sollen staatliche Bürgschaften für Investitionen deutscher Unternehmer in der Türkei überprüft werden.
    In der Türkei begann am Montag der Prozess gegen Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet". Den 17 Journalisten wird vorgeworfen, Terrororganisationen zu unterstützen. Zu den Beschuldigten zählt auch der frühere Chefredakteur von "Cumhuriyet", Dündar. Er lebt in Deutschland im Exil. Den Angeklagten drohen langjährige Gefängnisstrafen. Die Präsidentin der Schriftstellervereinigung PEN in Deutschland, Venske, bezeichnete die Beschuldigten in einem Offenen Brief als zu Unrecht inhaftierte politische Gefangene.