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Gesunder Lebensstil
Der Versicherer als Fitnesscoach

Wer Sport macht und sich gesund ernährt, bekommt eine finanzielle Unterstützung und zahlt weniger: Mit diesem in Deutschland bislang einzigartigen Angebot startet jetzt eine Versicherung. Wer das Angebot nutzen will, muss aber viele Daten mit dem Unternehmen teilen.

Von Susanne Lettenbauer | 27.06.2016
    Smartphone mit einer Fitness-App, daneben eine Hantel auf einem Handtuch
    Wer Sport macht und sich gesund ernährt, soll sich günstiger versichern können. (Imago / Westend61)
    Im Prinzip klingt es einfach: Der Versicherungsnehmer geht regelmäßig ins Fitnessstudio, bekommt einen Zuschuss für den Fitnessvertrag, die Sportschuhe obendrauf, dazu einen Fitness-Tracker und sammelt damit Punkte, Vitality-Punkte. Je mehr dieser Punkte Mann oder Frau bei gesunden Aktivitäten sammelt, umso eher steigt man bei seiner Versicherung vom Bronzestatus zum Silber- Gold- und letztlich Platinstatus auf. Die zahlreichen Kooperationspartner wie Sportartikelhersteller, Supermarktketten, Diätproduktentwickler oder auch Anbieter von Gesundheitskursen gewähren je nach Status gestaffelte Rabatte. Ein simples Belohnungskonzept, das sich auch bei den Versicherungsprämien auswirkt:
    "Wenn der Kunde einen Vitality-Vertrag abschließt, zusätzlich zu seiner Versicherung, bekommt er eine Reduktion der Versicherungsprämie. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung steigt er ein mit 10 Prozent Rabatt und kann je nach Aktivsein diesen Rabatt auf 16 Prozent erhöhen." Bei der Risikolebensversicherung startet der Rabatt bei sieben Prozent und endet bei elf, sagt Astrid Koida. Sie entwickelte für Generali das neue Angebot, eine Art Testballon. Andere Versicherungskonzerne halten sich mit dieser Art Fitnessbelohnung noch zurück. Zu umstritten ist die langfristige Begleitung und Kontrolle des Versicherten. Bei Generali Vitality müsse man bei Abschluss eines Neuvertrages für eine Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung aber nur die Informationen angeben, die man wolle, betont Koida. Die Versicherungsprämien verschlechterten sich nachträglich nicht, alles basiere auf Vertrauen: "Aktiv zu leben, kann ganz viel bedeuten: Es gibt verschiedene Sachen, man kann Sport treiben, sich ernährungstechnisch anders aufstellen, das Rauchen aufgeben, wenn jemand viel geraucht hat, aber eben auch Vorsorgeuntersuchungen bei den Ärzten wahrnehmen." Entsprechende Nachweise sollten jedoch bei Generali Vitality hochgeladen werden.
    Daten gehen an eine eigens gegründete Firma
    Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern sieht durchaus Interesse an dem neuen Konzept in Deutschland. Vor allem junge, gesundheitsbewusste Menschen dürften sich angesprochen fühlen, falls diese überhaupt eine Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Aus dem Raster fallen wieder ältere Risikogruppen: "Es ist insofern schon etwas ganz Neues, weil bisher der Versicherer nicht der Fitnesscoach war, aber diese Tendenz haben wir damit: Versicherungen würden dadurch nicht nur das aktuelle Risiko einschätzen, wenn sie einen Vertrag abschließen, sondern auch langfristig ein Auge darauf haben, wie sie sich verhalten, ob sie einen gesunden Lebensstil pflegen oder nicht."
    Um genau diesen Vorwürfen der Datensammelwut zuvorzukommen, hat Generali die Informationsverarbeitung an eine eigens gegründete Firma übertragen, die Generali Vitality GmbH. So könne der Versicherer nicht auf die sensiblen Daten zugreifen, betont Konzeptentwicklerin Koida. "Das bleibt alles in der Generali Vitality GmbH. Das ist vollkommen organisatorisch und technisch voneinander getrennt. Wenn der Status sich ändert, wird der Status an das Unternehmen übermittelt. Das ist der einzige Datenaustausch. Und wenn der Kunde sagt, ich kündige das Vitality-Programm ab und will nur noch das Versicherungsprodukt, das würden wir auch weitergeben."
    Formal und rechtlich gäbe es nichts zu beanstanden, sagt Verbraucherschützer Straub. Aber auch hier müsse man überlegen, ob und welche Informationen man der privaten Firma mitteilen wolle. Generell gibt Straub zu bedenken: "Will man das, möchte man das, dass man entsprechende breite Daten einem privaten Unternehmen zur Verfügung stellt, weil man dann vielleicht irgendwelche Vorteile beim Einkaufen oder beim nächsten Fitnessstudiobesuch erhält. Das sind Werte, die man abwägen muss für sich selbst."
    Das Argument von Generali, das Vitality-Konzept würde in Südafrika bereits von zwei Millionen Kunden genutzt, sei trotz aller Globalisierung mit Vorsicht zu genießen, so der Verbraucherschützer. Der Markteinführung in Deutschland sollen auch weitere Länder wie Österreich folgen, wo man dann ebenfalls Punkte sammeln könnte, grenzüberschreitend. Aber auch dort bezahlt man letztlich mit seinen persönlichen Daten.