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Gesundes Daddeln

Der Computer und Fernseher im Alltag eines Kindes birgt so manches gesundheitliche und soziale Risiko, verantwortungsloser Umgang wird meist schon von den Eltern vorgelebt. Die Projektgruppe "Kindermedien" der Fraunhofer-Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, speziell für Kinder geeignete Anwendungen zu entwickeln und gleichzeitig das Nutzungsverhalten zu untersuchen.

Von Barbara Leitner | 20.03.2008
    (Fernsehprogramm des Kinderkanals)

    Mit diesen Klängen kündigt der Kinderkanal aus Erfurt sein Programm an - ein wichtiges Medium für Kinder heute.

    "Wir wollen wissen, wie Kindermedien übermorgen, von mir aus in fünf Jahren oder zehn Jahren aussehen und das kommt nicht allein aus der Routine der Produktion. Da braucht man neue Ideen, die muss man ausarbeiten, technologisch, man muss sich fragen, wie die Technologien wirken, man muss Medienwirkungsforschung betreiben."

    Klaus Peter Jantke ist Professor für Medienwissenschaften und lehrt und forscht in Ilmenau, Leipzig, Darmstadt und im japanischen Sapporo. Er leitet die zu Beginn des Jahres gegründete Projektgruppe "Kindermedien" der Fraunhofer-Gesellschaft.

    "Wir können Kindermedien nicht nur technologisch sehen und wir können sie nicht nur sozial sehen, sondern wir müssen das Spannungsfeld untersuchen. Und da fühlen wir uns angesiedelt, zwischen Technologie und, ich sag mal, Medienwirkungsforschung."

    Dazu wird diese neue Arbeitsgruppe der größten nichtindustriellen Forschungseinrichtung Prototypen von neuen Medien bauen und vor allem erproben - und - das ist der Vorteil des neu entstehenden Institutes - ohne sofort mit bestimmten Produkten auf dem Markt sein zu wollen.

    "Wir fragen uns, welche neue Qualitäten und das sind keine IT-Qualitäten, sondern Erlebnisqualitäten, das sind Qualitäten in der Kommunikation, das sind Qualitäten im Verhalten, welche Qualitäten kann man denn erlebbar machen und wenn wir das fragen, da merken sie schon, da reden wir über Verhaltensweisen. Und dann fragen wir uns, wie kann man das implementieren, denn letztendlich ist jedes digitale Spiel ein Computerprogramm und muss in Bits und Bytes gegossen werden."

    Bereits in der Vergangenheit schickte der Medienwissenschaftler seine Studenten aus Leipzig und Darmstadt an Schulen. Dort ließen sie die Mädchen und Jungen neu erdachte Spiele erproben und befragten sie anschließend dazu.

    "Uns hat interessiert, wie kommt denn die Intelligenz bei den Schülern an. Unterschieden die bestimmte Grade von Intelligenz. Wird ein Computerprogramm, je intelligenter es ist umso menschenähnlicher betrachtet. Und das interessante ist, nicht die kompliziertesten Programme, die wir eingesetzt haben, sind für menschlich gehalten worden, sondern solches Verhalten von Computerprogrammen, denen man so etwas wie ein Stil, ein Profil, eine Eigenart zuschreiben konnte, denen man eine Absicht unterstellt. Und um das noch genauer zu sagen, wir haben verschiedene Verhalten von spielenden Computern implementiert und darunter zum Beispiel jemand, der immer versucht, überall der Erste zu sein und sich nicht um die anderen zu kümmern. Dieses Computerprogramm ist für einen Menschen gehalten worden."

    Die Spielforscher lernen daraus: Für die Kinder und Jugendlichen ist nicht der Rechenaufwand hinter einer Spielfigur entscheidend, sondern deren Profil, ihr Charakter. Wie beim Vorlesen von Märchen wollen die Kinder auch bei einem Computerspiel in einer Phantasiewelt intensive Gefühle durchleben und dadurch spielerisch Verhalten für spätere, reale Situationen einüben. Diesen Spielwillen durch unterhaltsame Lernmedien zu bedienen, wird eine Aufgabe der Zukunft sein. Denn auf diesem Gebiet stecken die neuen Medien noch in den Kinderschuhen.

    "Da passiert so etwas Katastrophales: Wenn man sich mit der Lernaufgabe beschäftigt, steht plötzlich in großen weißen Buchstaben: Spiel pausiert."

    Nach Meinung des Medienwissenschaftlers vermitteln die meisten der heutigen – sogenannten "serious Games" fatale Botschaften an die Kinder: Im Spiel kann man nicht lernen. Oder etwas Lernen kann man nur, wenn man lange öde Texte liest.

    "Und einer der Gründe ist offenbar, dass es sehr schwer ist, didaktische Konzepte umzusetzen in digitalen Technologien."

    Hierin eine neue Qualität zu erreichen - darin besteht die Herauforderung für das Institut für Kindermedien, das aus der Arbeitsgruppe in den nächsten Jahren erwachsen soll. Die Mitarbeiter werden Spiele entwickeln, die unterhaltsam sind und zugleich bilden oder auch der Gesundheitsförderung dienen. Denn die Wissenschaftler nehmen durchaus auch Untersuchungen über Wirkung der neuen Medien beispielsweise auf die körperliche Entwicklung der Kinder zur Kenntnis.

    Heute weiß man, dass jene Kinder, die viel Zeit vor dem Fernseher oder mit traditionellen Computerspielen verbringen, ihren eigenen Körper vorwiegend visuell und damit gestört wahrnehmen und dadurch Haltungsprobleme entstehen. Inzwischen gibt es Konsolen für körperlich aktive Spielerlebnisse, bei denen man sich vor dem Gerät wie beim Baseball oder Tennis bewegt.

    Die Arbeitsgruppe Kindermedien wird an diesen Trend anknüpfen und vollkommen neue Hörmedien entwickeln.

    "Stellen sie sich vor, sie haben einen Anlage und jede Bewegung, die sie machen, erzeugt einen Klang. Das kann man zunächst erproben. Man steht ganz still. Man bewegt den Oberkörper hin und her, man schwingt nach vorn und nach hinten und das Ganze gibt ein musikalisches Feedback und wenn man das so langsam so Stück für Stück erlebt, um so mehr werden Körper und Musik zu einer Einheit und aus ersten Missklängen kann ein geradezu körperliches Erleben der Musik werden."

    Bereits heute spielen Kinder und Jugendlichen länger Computer oder nutzen das Internet, als sie Fernsehen schauen. Doch wie bei dem alten Medium begleiteten zwei Drittel der Eltern das entsprechende Medienverhalten der eigenen Kinder nicht. Die Arbeitsgruppe Kindermedien wird deshalb Eltern, Lehrer und die Kinder mit eigenen Trailern über Möglichkeiten und Wirkungen verschiedener Internetspiele aufklären. Denn so wie der technologische Fortschritt voranschreitet, wird es darauf ankommen, seine Möglichkeiten zu nutzen und entsprechende Kommunikationsformen einzuüben.

    Nach Meinung von Klaus Peter Jantke sind es nach wie vor die Menschen, die mit ihrem sozialen Verhalten und ihrem Denken darüber die Spiele prägen. Welchen Unterschied die Haltung der Spieler ausmacht, erklärt er am Beispiel einer Gruppe von Redakteuren eines Spielemagazins.

    "Und die haben das Shooter Spiel so gespielt, ich würde mal sagen, wie Menschen, die ein bisschen angegackert sind, Mensch-Ärger-Dich miteinander spielen. Die haben sich aus dem Spiel geschupst und dann weiter gespielt. Und obwohl sie sich virtuell auf einem Bildschirm erschossen haben, war in dem ganzen Spielerlebnis kein bisschen Aggression. Es ist immer eine Frage der menschlichen Kommunikation. Und man kann das schlimmste Shooter Spiel mit Freude spielen. Das müssen wir lernen und dazu müssen wir offensiv mit den Dingen umgehen."