Freitag, 29. März 2024


"Gesundheit und ein langes Leben"

Musik: "Die Alten sind doch noch ganz gut …ich häng am Alten"

Von Siegfried Buschschlüter | 08.01.2000
    Baltes: "Auf der einen Seite ist es so, dass wir alle alt werden wollen. Auf der anderen Seite stimmt es aber auch, dass wir nicht unbedingt alt sein wollen"

    Musik: "Wir lassen uns durch unsere Lage oft verleiten, auf viele Dinge etwas subjektiv zu schaun… jedes Problem auf dieser Erde hat zwei Seiten, das darf man nicht vergessen hier in unserm Zaun…"

    Baltes: "Es ist also so, dass man die Zukunft des Alters gerne hätte, aber wenn man alt wird, gibt es sehr unterschiedliche Reaktionen und im Durchschnitt ist es so, dass die Hochbetagten, also die 90jaehrigen, 30 Jahre jünger sein wollen."

    Und das sei durchaus verständlich, meint Professor Paul Baltes vom Max Planck Institut für Bildungsforschung in Berlin, sei doch einer der wichtigsten Befunde der Altersforschung in den letzten zehn Jahren, dass wir sehr viele Fortschritte gemacht haben bei den jungen Alten im Alter von 60 bis 80.

    Baltes: "Wenn es um das hohe Alter geht, da ist die gerontologische Forschung eher ein bisschen unsicher. Man hat natürlich die Hoffnung, dass dieser Fortschritt, den wir für das junge Alter gesehen haben, sich fortsetzt. Aber es gibt gute Gründe, warum das vielleicht nicht so ist, und einer der wichtigsten ist, dass, wie wir biologisch gemacht wurden, das ist nicht unbedingt altersfreundlich. Die Biologie ist keine Freundin des Alters, könnte man sagen."

    Und das gilt nicht nur für das Alter, das gilt wahrscheinlich auch für den Tod.


    Benecke: "Wahrscheinlich gilt der Satz, dass der Tod immer Sieger bleibt, für immer, denn es ist so, dass die meisten körperlichen Vorgänge ja programmiert sind von der Natur. Die haben sich in sehr langer Evolution herausgebildet, und der Tod ist nun mal ein einprogrammierter Vorgang."

    Mark Benecke, Molekularbiologe in Köln und New York.

    Benecke: "Jetzt können wir Menschen natürlich viel tun, um das Altern an sich erträglicher oder schöner zu machen und vielleicht können wir es eines Tages auch ganz befreien von Krankheit und Schmerz und Siechtum, aber das eigentliche Sterben wird sich kaum verhindern lassen, denn das Programm ist so grundsätzlich in die Zellen eingeschrieben, dass man es wahrscheinlich nicht ohne weiteres rausschneiden kann."

    Obwohl es im Laufe der Geschichte nie an Versuchen gefehlt hat, das Gegenteil zu beweisen.

    Gattaca


    Der im Herbst 1997 erschienene Science Fiction Thriller "Gattaca" zeigt eine Zukunft, in der Menschen aus der Retorte die Gesellschaft regieren und die Gene über die Zukunft entscheiden, eine Zukunft frei von Krankheiten und mit einem langen Leben.

    Benecke: "Der Weg ist eigentlich sehr weit von der reinen Entschlüsselung des Erbgutes bis zur Bekämpfung von Krankheiten oder dem Aufhalten des Alterns…"

    Mark Benecke ist Autor des Buchs "Der Traum vom ewigen Leben: die Biomedizin entschlüsselt das Geheimnis des Alterns".

    Benecke: "Dieses Entschlüsseln des Erbgutes ist eine richtige Ingenieursarbeit. Da kann sich jemand hinsetzen und kann dann Buchstabe für Buchstabe auf der Erbsubstanz entschlüsseln. Aber hinterher weiß er auch nicht viel mehr als vorher, weil die eigentliche Arbeit eine Intelligenzarbeit ist, und dafür braucht man wissenschaftliche Kombinationsfähigkeit, Computer und Vergleichsfähigkeit."

    Vor fast zehn Jahren begannen Wissenschaftler in einem internationalen Großprojekt, dem Human Genome Project, mit der Analyse des gesamten menschlichen Erbmaterials. Bis zum Jahre 2005 sollten alle Gene auf den Chromosomen der menschlichen Zellen entschlüsselt werden. Im November letzten Jahres meldeten die Forscher einen ersten Durchbruch: zu 97% entzifferten sie die genetische Buchstabenfolge für das Chromosom 22. Es enthält etwa 1,2 bis 2% der rund dreieinhalb Milliarden Grundbausteine des menschlichen Bauplans. Doch selbst wenn in wenigen Monaten schon eine ungefähre Abfolge des gesamten Genoms vorgelegt werden sollte, dürfte es noch Jahre dauern, bis die Bedeutung dieser Sequenz entschlüsselt ist und Krankheiten auf ihr erkannt werden.

    Benecke: "Und der nächste Schritt wird sein, nicht nur die Krankheiten zu erkennen, sondern sie auch bezahlbar zu bekämpfen. Und hier liegt das Hauptproblem. Wenn man glaubt, dass die Entschlüsselung des Erbgutes direkt dazu führt, ein Medikament zu entwickeln, ist man auf dem Holzweg; denn alle Medikamente und Gentherapien, die sich direkt aus der Sequenzanalyse ableiteten, haben entweder gar nicht oder sehr schlecht funktioniert oder waren sehr teuer."

    Vor gut neun Jahren, im September 1990, wurde an einem Kind in den USA zum ersten Mal Gentherapie praktiziert. Der vierjährigen Ashanti DeSilva, die mit einem fehlerhaften, das Immunsystem schwächenden Gen zur Welt kam, wurde eine gesunde Version des fehlerhaften Gen injiziert. Der heute 13 Jahre alten Ashanti geht es zwar gut, aber sie erhält jede Woche Medikamente zur Stärkung des Immunsystems, und ob es die Gentherapie war, die ihr geholfen hat, oder die Immunstärkungsmittel, ist unklar. Ihr Arzt war Dr. French Anderson, heute Professor für Biochemie und Kinderheilkunde an der Universität von Kalifornien.

    Anderson: "There was great excitement and enthusiasm in the early nineties when gene therapy looked like as if it were very easy."

    Anfang der neunziger Jahre, als es so aussah, als sei die Gentherapie ein einfaches Verfahren, herrschte große Begeisterung. Mitte der 90er, als die Ergebnisse der ersten klinischen Versuche vorlagen, wurde klar, dass der menschliche Körper ein besseres Abwehrsystem hat als wir annahmen. Wir konnten einfach nicht genug Gene in die richtigen Zellen einbringen, um Krankheiten zu behandeln, sagt er. Das Hauptproblem bestand darin, geeignete Träger zu finden, die die Gene in die Zielzellen transportieren. Die Ergebnisse der neuen Versuche, sagt Dr. Anderson, seien jedoch sehr ermutigend.

    Anderson: "I am encouraged that over the next five years or so, there will be some real treatments for people."

    In den nächsten fünf Jahren schon, so erwartet Dr. Anderson, werde es zu regulären gentherapeutischen Behandlungen kommen, nicht mehr nur zu klinischen Versuchen. Die größten Hoffnungen setzen die Mediziner in die Therapie mit Stammzellen, vor allem undifferenzierte embryonale Stammzellen, die bei einer Befruchtung in der Retorte entstehen. Sie können sich nahezu unbegrenzt vermehren und sind geeignet zur Produktion praktisch aller menschlichen Organe. Mit der Stammzellentherapie könnte das menschliche Leben um 15 bis 20 Jahre verlängert werden, und darauf, meint Prof. Baltes, muss sich die Gesellschaft erst noch einstellen.

    Baltes: "Ich glaube, wir haben einen ganz langen Weg vor uns, wenn es darum geht, die Gesellschaft so zu gestalten, dass wir auch im hohen Alter das Gefühl haben, was Neues tun zu können und dem Leben mehr Sinn zu geben. Ich glaube, da ist der Einzelne bisher doch weitgehend auf sich allein gelassen."