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Gesundheitsausschuss
Umstrittene Reform der Pflegeberufe

Gerade noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl ist der Knoten geplatzt: Die Koalition hat sich bei der Pflegeausbildung geeinigt. Künftig sollen alle Bewerber mit einer zweijährigen generalistischen Pflegeausbildung beginnen und sich im Anschluss spezialisieren. Doch nicht alle sind mit dem Kompromiss zufrieden.

Von Stefan Maas | 22.06.2017
    Krankenpflegeschülerin Türkan Deniz und Krankenschwester Marianne Weber laufen durch einen Flur im Vivantes-Humboldt-Klinikum in Berlin.
    Die Reform der Pflegeberufe soll ein Jahr später als geplant in Kraft treten, nämlich 2020. (picture alliance / dpa/ Gregor Fischer)
    Am Ende sei bei der Reform der Pflegeberufeausbildung vor allem ein politischer Kompromiss gefunden worden, warf Linkenpolitikerin Pia Zimmermann Union und SPD am Vormittag vor der abschließenden Abstimmung im Bundestag vor.
    "Mit Fachlichkeit hat diese Vorlage jedenfalls nicht viel zu tun."
    Monatelang hatten Union und SPD um eine gemeinsame Lösung gerungen. Erst gestern hatte der Gesundheitsausschuss zugestimmt, nun muss auch noch der Bundesrat grünes Licht geben.
    Ursprünglich hatte der Plan der Bundesregierung vorgesehen, die drei Ausbildungswege zur Kranken-, zur Kinderkranken- und Altenpflege, die bislang separat waren, zu einer dreijährigen generalistischen Ausbildung zusammenzufassen. Vor allem aus der Union gab es dagegen aber großen Widerstand. Nun sollen alle Bewerber mit einer zweijährigen generalistischen Pflegeausbildung beginnen. Wer danach aufhört, erwirbt einen Abschluss als Pflegeassistent.
    Wer weitermacht, kann entscheiden, ob er die generalistische Ausbildung fortsetzt oder für das letzte Jahr einen spezialisierten Abschluss als Altenpfleger oder Kinderkrankenpfleger wählt. Den Einzelabschluss in der Krankenpflege soll es künftig nicht mehr geben. Obwohl der Deutsche Caritasverband die Reform grundsätzlich begrüßt, bedauert dessen Präsident Peter Neher, dass es nicht gelungen ist, die Generalistik für alle drei Jahre durchzusetzen.
    Evaluierung nach sechs Jahren geplant
    "Ich gebe zu, das ist nicht die von mir favorisierte Lösung gewesen", verteidigt Katharina Barley, die gerade das Amt der Familienministerin übernommen hat, am Vormittag den Kompromiss.
    "Aber wir haben gehört, es wird eine Evaluierung nach sechs Jahren geben. Und wir werden sehen, ob sich dann Evaluierungsbedarf zeigt."
    Gesundheitsminister Hermann Gröhe jedenfalls ist zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss.
    "Erstmalig regeln wir in einem Gesetz den klaren Grundsatz 'Pflegen kann nicht jeder', sondern es ist klar, dass bestimmte Tätigkeiten ausgebildeten Fachkräften vorbehalten sind. Das ist ein deutliches Zeichen der Wertschätzung. Erstmalig in diesem Gesetz, in dieser Klarheit."
    Sorge, dass Altenpflegeausbildung unattraktiver wird
    Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, ist davon nicht überzeugt:
    "Um diese Ziele, Attraktivität und Aufwertung zu erreichen, da muss die Reform ein klares Berufsbild vermitteln. Und sie muss ein verlässliches Umsetzungskonzept liefern. Und von beidem, da sind wir ganz weit entfernt."
    Die privaten Arbeitgeber in der Pflege, die die eigene Altenpflegeausbildung erhalten wollen, fürchten, dass Altenpflegeschulen mit der neuen Regelung keine Zukunft haben. Sie fürchten, dass sich weniger Auszubildende für diesen Pflegezweig entscheiden. Auch weil dort bisher wesentlich schlechter bezahlt wird. Befürworter hoffen, dass sich durch die Reform die Löhne in der Pflege weiter angleichen.
    Noch keine Ausbildungs- und Prüfungsverordnung
    Positiv sei, erklärt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, dass mit der Reform endlich das Ausbildungsgeld abgeschafft werde. Alle Ausbildungswege sollen über einen gemeinsamen Ausbildungsfonds finanziert werden. Kritisch ist aus ihrer Sicht jedoch, dass durch die lange Verzögerung zwar nun eine grundsätzliche Entscheidung für eine Reform vorliegt, jedoch noch keine Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Mit den genauen Ausbildungsinhalten muss sich das Parlament in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen. Greifen soll die Reform ein Jahr später als ursprünglich geplant. Nämlich erst Anfang 2020.