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Gesundheitspolitik
Gröhes halber Schritt zur Impfpflicht

Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe will die Regelungen zum Impfschutz verschärfen. So sollen Kindertagesstätten verpflichtet werden, das Gesundheitsamt zu informieren, wenn Eltern den erforderlichen Nachweis über eine Impfberatung nicht vorlegen.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 26.05.2017
    Ein Säugling wird geimpft
    Kitas sollen Gesundheitsämtern Meldung erstatten, wenn Eltern die Impfberatung verweigern. (imago)
    Egal ob Masern, Mumps, Keuchhusten oder Windpocken - wer seine Kinder ohne den nötigen Vorsorge-Schutz in die Schule schickt, dem droht in Italien eine Strafgebühr. Die gibt zwar es auch in Deutschland seit zwei Jahren: Mit 2.500 Euro ist sie sogar sehr hoch. Jedoch müssen Eltern das Bußgeld bisher nur im Falle von hartnäckiger Verweigerung zahlen - also eher selten. Deshalb soll der Bundestag nächste Woche Verschärfungen beschließen: Demnach müssen Kindertagesstätten den Gesundheitsämtern künftig in jedem Fall melden, wenn Eltern die Impfberatung verweigern, oder möglicherweise auch vergessen.
    Grünen-Politikerin Franziska Brantner hält das geplante Gesetz und vor allem die bereits geltende Strafgebühr für Impfgegner für übertrieben: "Die Strafgebühr für die Nicht-Einhaltung einer Beratung erscheint uns wirklich als Aktionismus", sagt die familienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe, CDU, bekräftigt sein Vorhaben heute per Bild-Zeitung: "Kitas sollen Impf-Muffel melden" - so die Überschrift.
    "Wir müssen vor allem die Impflücken schließen"
    Schriftlich teilt Gröhe gegenüber unserem Hauptstadtstudio mit: "Im Sommer soll eine gesetzliche Regelung in Kraft treten, wonach Kitas an die Gesundheitsämter melden müssen, wenn Eltern die Impfberatung verweigern. Das versetzt die Gesundheitsämter in die Lage, gezielt auf diese Eltern zuzugehen."
    "Herr Gröhe legt jetzt noch mal einen drauf, aber er macht das, ohne die Expertise und ohne die Empfehlungen der Experten auch wahrzunehmen", kritisiert Franziska Brantner. Sie plädiert eher für mehr Vorsorge und Betreuung überforderter Eltern: "Da brauchen wir eher gute öffentliche Gesundheitsdienste, die gut beraten, wir müssen vor allem die Impflücken schließen, und die sind bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen."
    Kinder- und Jugendärzte setzen sich schon seit Langem für mehr Kontrollen ein, ihr Berufsverband BVKJ geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: "Ohne Impfung keine Kita." Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind allein in diesem Jahr schon mindestens 85 Masern-Erkrankungen mehr als im gesamten letzten Jahr aufgetreten. 2016 wurden bundesweit 325 Fälle registriert.
    Ein Arzt impft eine Patientin.
    Die Ständige Impfkommission empfiehlt auch Auffrischungsimpfungen (dpa/Karl-Josef Hildenbrand )
    Auffrischung nicht vergessen
    Besonders betroffen sind Städte mit hoher Zuwanderung, wie zum Beispiel Duisburg. Dort leben viele Roma aus Rumänien und Bulgarien, die schon wegen fehlender Sprachkenntnisse keinen Impfschutz haben. Dieter Weber, Leiter des Gesundheitsamts in Duisburg, benennt die Folgen:
    "Lungenentzündungen sind möglich, Mittelohr-Entzündungen sind möglich, Gehirnentzündungen sind möglich, vor allem mit sehr langsamen Verlauf und sehr, quasi nicht mehr heilbarem Verlauf, die zum Tode führen", so Weber gegenüber dem WDR. Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts empfiehlt vor allem auch allen nach 1970 Geborenen, die in ihrer Kindheit nicht oder nur einmal geimpft wurden, eine Auffrischung.
    "Impfschutz funktioniert nur, wenn alle mitmachen"
    Auch die Weltgesundheitsorganisation übt scharfe Kritik an Impfverweigerern in Europa und den USA. Für die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner ist die Vorsorge vor allem auch eine Frage der Solidarität. "Impfschutz funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Und dass sie nicht nur sich selbst gefährden und ihr Kind, sondern eben auch potenziell andere Kinder."
    Seit 2015 gilt in Deutschland bereits eine verpflichtende Impfberatung vor dem Kita-Eintritt. Dass Kitas nun künftig auch säumige Eltern melden müssen, könnte schon im Juli Gesetz werden. Nach dem Bundestag muss aber zunächst noch der Bundesrat zustimmen.